Großes Hogwarts
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][

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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 23: Eine andere Art zu Kämpfen

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:43

    Das Anwesen der Familie Malfoy war in etwa das, was man sich unter einem Schloss in Kleinformat vorstellte – nur viel düsterer. Groß, viktorianisch gebaut, mit vielen Flügeln, Zimmern, Sälen und riesigen Ländereien. Bei Autoren wie Stephen King entwickelten derartige Herrenhäuser in der Regel ein bösartiges Eigenleben und ließen die Bewohner in Wänden verschwinden.

    Glücklicher Weise jedoch war das Haus von Severus’ Tante Josephine das einzige, was er kannte, dass diese Eigenart entwickelt hatte. Alle anderen ihm bekannten Anwesen blieben was sie waren; Häuser. So auch der Sitz der Familie Malfoy.

    Als Severus das Tor erreichte öffnete es sich wie von Geisterhand. Auf dem Hof und in der Hecke stolzierten Pfauen umher, die ihn bei seinem erscheinen interessiert musterten. Vor dem Haupteingang standen zwei Todesser. Er hielt zunächst inne bevor er weiterging. Seit wann gab es hier Wachen?

    Sicher, es gab die Hausangestellten, aber noch nie zuvor hatte er hier richtige Wächter gesehen.

    Am großen Eingangsportal angekommen warf Severus den Todessern einen Seitenblick zu. Sie ignorierten ihn völlig. Zögernd klopfte er an der Tür. Nach wenigen Augenblicken öffnete ein Hauself. Er war klein, schmächtig, hatte riesige, staunende Kulleraugen und trug wie alle Elfen ein Sklavengewand.

    „Oh.“, piepste er überrascht. „Entschuldigt, ich erwartete …“ Der kleine Elf schien etwas verwirrt. „Herzlich willkommen. Treten Sie ein.“

    Severus hatte ihn noch nie hier gesehen. Wahrscheinlich war er neu.

    „Hallo, wie heißt du?“, fragte Severus nachdem er eingetreten war.

    „D-dobby.“ Der Elf schien nun äußerst beunruhigt. „Bitte sagt dem Meister nicht, dass ich für euch geöffnet habe. Er wird sonst sehr wütend. Ich soll nicht für Gäste öffnen.“

    „Keine Sorge, über meine Lippen dringt kein Laut.“, sagte Severus und sah sich kurz in der Eingangshalle um.

    Sie sah noch genauso aus wie er sie in Erinnerung hatte. Groß und altehrwürdig mit einem imposanten Treppenaufgang und verziert mit allerhand Gemälden, Büsten und Statuen.

    „Severus!“, rief plötzlich eine Stimme hinter ihm. Es war Lucius.

    Er war gerade durch eine Tür neben dem Haupteingang gekommen.

    „Dobby! Was machst du hier? Wenn Vater dich hier sieht setzt es wieder Schläge!“

    „Verzeiht, Sir.“, sagte der Elf furchtsam.

    „Ja, ja, schon gut.“, sagte Lucius ungeduldig. „Nimm seinen Koffer und bring ihn nach oben.“

    Mit einer leichten Verbeugung nahm der Hauself Severus’ Koffer und verschwand.

    „Schön dich zu sehen.“ Lucius umarmte seinen Freund und klopfte ihn auf die Schulter.

    „Ebenfalls.“, schwindelte Severus.

    „Komm mit, die anderen erwarten uns bereits.“, sagte Lucius und führte ihn den Flur entlang zu einer großen Doppeltür, die in einen noblen Salon führte.

    Dieser war riesig und voller Leute. Der marmorne Boden glänzte im Licht des gewaltigen Kronleuchters. Im Raum war eine große Tafel für die Gäste mit dem feinsten Geschirr gedeckt worden. Stühle und Tische waren reich verziert und nicht selten konnte man in den kunstvollen Schnitzereien Anspielungen auf die Reinblutsymbolik erkennen. Der große Kamin auf der anderen Seite des Salons war mit einem in Stein geschlagenen Bild am Sims ornamentiert. Es zeigte Ritter, die mit Schwert und Speer gegen Horden unförmiger Kreaturen ins Feld zogen. An ihrer Spitze stand ein Furcht einflößender, aber ebenso schöner Mann, an dessen Seite eine gewaltige Schlange kämpfte.

    Vor vielen Jahren hatte Lucius Severus erzählt, was es damit auf sich hatte: Es war eine Szene aus dem Hexenreiter-Mythos, die als Ursprung der Reinblutideologie galt. Eine finstere Geschichte, in der es vorrangig um das Leben und Schaffen Salazar Slytherins ging. Gelesen hatte Severus sie allerdings nie.

    „Guten Abend, Severus.“, sagte eine Stimme und er wurde aus seinen Gedanken gerissen.

    Er hatte gar nicht gemerkt, wie sie durch die Menge zu Lucius’ Mutter gefunden hatten.

    „Hmm.“, machte er vor Schreck. „Guten Abend.“

    Er gab Mrs Malfoy die Hand. Sie trug ein langes, graziöses Seidenkleid und ihr blondes Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten.

    „Wie geht es dir?“, fragte sie mit ihrer lieblichen Stimme.

    „Gut.“, sagte Severus und es kostete ihm wirkliche Überwindung diese Lüge auszusprechen.

    Sein nach außen hin ruhiges Auftreten glich im Inneren eher einem tobenden Hurrikan. Er war alles andere als Glücklich und Zufrieden mit dem, was sich in den letzten Stunden in seinem Leben abgespielt hatte. Ehrlich gesagt; ging es ihm richtig scheiße! Doch er schob seinen Schmerz in einen verborgenen Winkel seines Bewusstseins ab, wohl wissend, dass sich dieser Schmerz spätestens heute Nacht entladen würde.

    „Es ist schön, dass du doch kommen konntest.“, sagte Mrs Malfoy.

    „Hmm.“, machte Severus nur.

    Ihm war nicht nach höflicher Konversation zumute, doch er ließ sich darauf ein.

    „Lucius, erzählte mir, dass heute etwas gefeiert wird.“

    „Hat er es dir nicht erzählt?“, fragte Mrs Malfoy und sie schien entrüstet über diese Nachricht.

    „Ähm …“ Severus sah zu Lucius, der in die Menge schaute und so tat, als habe er die Worte seiner Mutter gar nicht vernommen.

    „Mein Mann wurde befördert und er wollte gern, dass du dabei bist, wenn wir diese wunderbare Sache feiern. Er hält große Stücke auf dich.“, fuhr Mrs Malfoy fort.

    Befördert? Zu was, bitteschön? Dem Obermassakrierer im Voldemortreich?

    „Ist das so?“, fragte Severus interessiert.

    „Oh ja. Er ist froh, dass du dich so um unseren Sohn kümmerst.“

    „Mama!“, kam es kleinlaut von Lucius herübergeweht, doch seine Mutter überhörte es gekonnt.

    „Und du weißt ja, dass du immer in unserer Familie willkommen bist.“

    „Ich danke Ihnen.“, war das Einzige, was Severus darauf einfiel.

    „Sieh’ mal wer da ist! Komm mit, Sev!“, sagte Lucius plötzlich, packte ihn am Arm und schleifte ihn von seiner Mutter weg. Offenbar wollte er schlimmeres beziehungsweise peinlicheres verhindern.

    Sein Freund wurde knallrot, während er Severus an ein ruhigeres Fleckchen beim Kamin zerrte. Gefahr gebannt! Vorerst …

    „Ist dir das so peinlich?“, fragte Severus belustigt.

    „Man darf sie bei so was nicht zu Wort kommen lassen, sonst gräbt sie irgendwann alte Familiengeschichten aus!“

    „Etwa Geschichten über den süßen, kleinen Lucius, als er noch in den Windeln lag?“, fragte Severus. Lucius wurde immer röter im Gesicht.

    „Das – ist – nicht – komisch!“, presste sein Freund durch die Zähne hervor.

    Severus jedoch brach in schallendes Gelächter aus. Er war vor Jahren einmal Zeuge von Mrs Malfoys „alten Familiengeschichten“ gewesen. Und Lucius’ Babybilder und dessen schmollendes Gesicht, als seine Mutter ihm diese zeigte waren Gold wert gewesen.

    „Hör gefälligst auf zu lachen!“, sagte Lucius erbost.

    Severus kriegte sich nur langsam wieder ein. Nachdem er sich wieder gefasst hatte lehnte er sich gegen den Kamin und ließ seinen Blick durch den Salon schweifen.

    „Kommt heute noch jemand Besonderes oder bloß die üblichen Verdächtigen?“

    „Wie meinst du das?“, fragte Lucius.

    „Ich habe vor der Haustür Wachen gesehen oder waren die bei der Beförderung all-inclusive?“, fragte Severus.

    „Ein alter Freund meines Vaters ist da.“ Lucius wirkte plötzlich ziemlich verschreckt.

    „Kenn ich ihn?“

    „Mehr oder weniger.“, meinte Lucius und sah sich um.

    „Ist Zissy hier?“, wechselte Severus das Thema.

    „Ja, zusammen mit Bella und Regulus.“

    Erstaunen machte sich in ihm breit.

    „Regulus Black?“

    Lucius nickte.

    „Der Bruder vom Flohzirkus?“

    Erneut nickte sein Freund.

    „Bella hat ihn mitgebracht. Sie meinte er sei ein reizender Anhänger des Schwarzen Lords.“

    Na, wenn das von Bellatrix kam, dann hießt das viel, oder?

    Kaum hatte Severus das gedacht kam auch schon Bellatrix Black mit ihrer Schwester Narzissa und ihrem Cousin Regulus um die Ecke stolziert.

    Bellatrix trug ein schwarzes, aufreizendes Abendkleid und ihr seidiges, rabenschwarzes Haar fiel ihr elegant auf die Schultern. Severus fragte sich, wen sie damit beeindrucken wollte, doch gleichzeitig fiel ihm ein, dass Bellatrix Black sich auf alles stürzte, was nicht bei „Drei!“ auf den Bäumen war. Sie war wunderschön und elegant, doch leider konnte das nicht über ihren Charakter hinwegtäuschen.

    Narzissa hatte sich wesentlich geziemter gekleidet und ihr Haar zu einem Knoten gebunden. Das Kleid, das sie trug, war von einem zarten blau und dezent geschnitten.

    Regulus – so musste Severus mit größtem Bedauern feststellen – war seinem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten. Jedoch trug er sein Haar kürzer als Sirius und war etwas jünger. Vielleicht um die fünfzehn, wenn es hoch kam. Er trug Anzug und Krawatte akkurat und stilvoll.

    „Na, wen haben wir denn da?“, krähte Bellatrix und lachte anschließend auf ihre arrogante Art und Weise, die Severus so sehr hasste. „Du auch hier, Snape?“

    „Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.“, sagte Severus.

    Und wenn ich keine Manieren hätte, dann würde ich dich jetzt in den Kamin stopfen und austesten, ob Wein tatsächlich als Feueranzünder taugt!

    „Sev, bist du grade erst gekommen?“, fragte Narzissa.

    „Jawohl.“, sagte Severus und sein Blick fiel auf Regulus Black.

    Der Junge hatte den leicht arroganten Blick seines Bruders, doch das schien bei den Blacks sowieso eine Art Erbkrankheit zu sein.

    „Und Sie müssen Severus Snape sein? Ich habe schon viel von Ihnen gehört.“, sagte Regulus. Seine Stimme war äußerst melodisch und weich.

    Er Siezt dich! Mein Gott, Severus, da fühlt man sich gleich 20 Jahre älter!

    „Ich hoffe doch nur Gutes.“, sagte er.

    Bei unserem Flohzirkus eher unwahrscheinlich!

    „Professor Slughorn spricht in den höchsten Tönen von Ihnen.“

    Und die Töle?

    Severus nickte bloß.

    Ach, vergiss die Dreckstöle!

    „So, so, Mr Snape, tut der Professor das?“, hing sich Bellatrix hinein. Er rollte genervt mit den Augen.

    „Wollen Sie meine Fachkompetenz anzweifeln, Mrs Black?“, antwortete Severus mit überzuckerter Freundlichkeit.

    „Wie käme ich denn dazu?“

    „Ach, ich weiß nicht, aber wenigstens musste ich nicht die halbe Schule ficken, um eine gewisse Prestige zu erhalten.“, giftete Severus.

    „Pah, Anmaßungen!“ Bellatrix warf den Kopf zurück. „Gehen dir die Argumente aus?“

    „Vielleicht, wenn ich einen Gesprächspartner hätte, der die Kunst des Argumentierens beherrschen würde?“, sagte Severus.

    Bellatrix schwoll gefährlich an, als Lucius dazwischen sprang, um zerstörerische Vulkanausbrüche zu verhindern.

    „Ich bin mir sicher, dass wir bald alle vollzählig sind. Wir sollten uns einen Platz suchen, findet ihr nicht?“

    Von diesem stichhaltigen Argument fürs Erste besänftigt begaben sie sich zum großen Tisch und suchten sich freie Plätze.

    „Was musst du sie auch immer provozieren?“, flüsterte ihm Lucius zu, als sie sich durch die Menge drängten.

    „Ich könnte einfach nicht widerstehen.“, gab Severus ehrlich zu.

    „Das kannst du nie!“, grollte Lucius.

    Sie ließen sich allesamt in der Mitte des Tisches nieder. Neben Lucius saß Severus neben dem sich Regulus niederließ. Die Mädchen setzten sich ihnen gegenüber, wobei Bellatrix ihm vernichtende Blicke zuwarf.

    Nach und nach füllten sich die Stühle in ihrer Umgebung bis schließlich alle Gäste und Familienmitglieder an der gewaltigen Tafel saßen. Die meisten von ihnen kannte Severus nicht persönlich, sondern nur vom Hörensagen her.

    Abraxas Malfoy, der am Fuß des Tisches saß, erhob sich. Er trug einen feinen, maßgeschneiderten Anzug und Krawatte, auch, wenn diese Kleidung wieder einmal nicht zu seinem kriegerischen Äußeren passen wollte.

    „Willkommen. Willkommen in meinem Heim. Wie viele von Euch wissen ist heute ein besonderer Abend, der mir zu Ehren ausgerichtet wird, aber ich möchte bescheiden sein. Es waren nicht allein meine Verdienste, die zu unseren Siegen und nun endlich, nach all den auszehrenden Jahren, zur Stabilisierung unserer Gesellschaft beitrugen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle das Wort an einen alten Kollegen, Mitstreiter und vor allen an einen Freund übergeben.“

    Abraxas wies auf jemanden direkt neben ihm, den Severus allerdings nicht klar sehen konnte. Als dieser sich erhob hätte er allerdings beinah aufgeschrieen. Es handelte sich um General Maximus Greed. Eine Aura von Macht und Überlegenheit umgab sein ganzes Auftreten in diesem Augenblick – und das, obwohl er so geschniegelt und gebügelt daherkam, dass er beinah wie ein handelsüblicher Bürokrat wirkte.

    „Guten Abend. Abraxas und ich kennen uns nun schon seit über 15 Jahren. Jahre, die wir gemeinsam bestritten und, die wir dem Dienst an unserem Volk verschrieben haben. Als wir uns das erste Mal begegneten hielt ich Abraxas für, sagen wir; nicht besonders helle.“ Einige Leute lachten. „Ich sollte hinzufügen, dass mich mein erster Eindruck zutiefst täuschte. Schon bald stritten wir gemeinsam für die Selben Prinzipien, die wir bis heute verteidigen. Und das müssen wir, wenn es sein muss sogar mit unserem Blut, denn nachdem der Dunkle Lord über uns wachte begann ein unbarmherziger Krieg mit jenen Kräften, die versuchen unsere solidarische Gemeinschaft zu zerstören. Dieser Feldzug forderte von jedem von uns Opfer, doch sie waren es wert. Und heute stehen wir hier und genießen die Vorzüge einer gereinigten und starken Gesellschaft. Dank der Weisheit des Dunklen Lords und der Mühen von Menschen wie Abraxas ist uns dies gelungen. Dank Leuten, die nie den Blick für das Wesentliche verloren haben.“ Greed hob sein Glas. „Auf Abraxas Malfoy, ohne dessen Hilfe vieles nicht möglich gewesen wäre.“

    Alle Anwesenden hoben ihre Gläser auf Abraxas und tranken auf sein Wohl. Auch Severus tat es, obwohl er wusste, dass diese beiden Männer sich selbst zu ihrer Teilnahme an einem Genozid gratulierten.

    Daraufhin begann das Essen, doch er bekam zunächst keinen Bissen hinunter und blickte in Richtung von Greed. Dieser saß neben einer Frau in seinem Alter. Sie war schön und trug ein sehr einfaches, rotes Kleid. Greed sprach leise mit ihr und legte ihr die Hand auf den Bauch. Erst jetzt erkannte er, dass sie hochschwanger war.

    Severus war das unbegreiflich. Diesem Mann dabei zuzusehen, wie er neben seiner Frau saß und so friedlich mit ihr sprach – ja, beinah zärtlich war – wirkte auf Severus absolut bizarr. Wie konnte dieser Mann, auf dessen Befehl hin Menschen getötet und gefoltert wurden, überhaupt zu menschlichen Reaktionen fähig sein?

    Nur schwerlich konnte sich Severus von diesem Bild abwenden und der Höflichkeit halber etwas zu sich nehmen. Sein Magen fühlte sich taub an und seine Zunge geschmacklos. Es war, als würde etwas Grauenvolles in ihm aufsteigen. Ein Grauen, das er lange Zeit ignoriert hatte. Die furchtbare Gewissheit, dass jeder von ihnen – und sei es der bestialischste Schlächter – ein Mensch war. Ein Mensch aus Fleisch und Blut. Ein Mensch mit Gefühlen; mit Liebe und Hass gleichermaßen in seinem Herzen.

    Es war einfacher sich einzureden, dass Leute wie Voldemort oder Greed einfach nur sadistische Monster waren und keine Menschen. Die Tatsache, dass sie doch Menschen waren schien das Grauen in ihm nur noch zu verschlimmern.

    „Darf ich Sie etwas fragen?“, meldete sich plötzlich Regulus und riss Severus aus seinen Gedanken.

    „Ja.“, sagte er steif.

    „Was gedenkt jemand mit Ihren Fähigkeiten nach Hogwarts zutun?“

    „Nun, ich denke, ich werde meinen Grunddienst absolvieren und mir einen Job suchen – so wie jeder andere auch.“, sagte Severus standardisiert. „Warum fragst du?“

    „Jemand wie Sie …“

    „Bitte lass das Siezen bleiben.“, unterbrach er ihn.

    „Natürlich. Nun, ich frage mich, was jemand mit solcher Intelligenz nach der Schule macht. Geht es dann in eine Forschungsabteilung ins Ministerium?“, fragte Regulus.

    „Nein, in der freien Wirtschaft verdient man sowieso mehr.“ Murlaheys Worte kamen aus seinem Mund, als seien es seine eigenen.

    „Verstehe.“

    „Und du? Schon große Zukunftspläne?“, fragte Severus.

    Unvermittelt fing Bellatrix an zu lachen.

    „Reg wird wenigstens Mal etwas Anständiges, nicht wahr? Nicht wie sein Bruder, dieser Blutsverräter.“

    „Sirius ist … kompliziert, Bella.“, erwiderte Regulus in einem seltsam rechtfertigenden Tonfall. „In jeder Familie gibt es schwarze Schafe. Auch, wenn er sich selbst wohl für etwas Besseres hält.“

    „Blutsverräter!“, zischte Bella erneut.

    „Es gab schon bessere Magier, die den Lügenmärchen von Dumbledore erlegen sind. Der Mann war mir noch nie sonderlich geheuer.“, sagte Regulus.

    „Ja, aber Dumbledore ist kein Thema mehr, oder?“, sagte Severus. „Es wird nur eine Frage der Zeit sein bis sie ihn kriegen.“

    „Natürlich.“, stimmte Regulus zu. „Obwohl es schon beeindruckend ist wie er entkommen konnte.“

    „Beeindruckend?“, sagte Bellatrix und warf Regulus einen abfälligen Blick zu. „Klingt beinah, als hättest du doch etwas für diesen Muggelfreund übrig.“

    „Warum? Bei allem Respekt, aber er hatte nicht mehr als 50 Kämpfer an seiner Seite. Das Schloss wurde von hunderten Todessern gestürmt. Es wäre unmöglich gewesen zu entkommen – und trotzdem hat es der Alte geschafft!“

    „Es könnte eine Falle gewesen sein.“, mutmaßte Lucius.

    Bellatrix und Regulus blickten ihn fragend an.

    „Wenn er wusste, dass er verlieren würde, dann hätte er doch die Leute vom Orden als Ablenkungsmanöver in Hogwarts stationieren können? Greeds Männer stürmen das Schloss, während Dumbledore schon längst über alle Berge ist.“

    „Oh ja, die eigenen Männer für sich sterben zu lassen, während man selbst die Fliege macht ist an gryffindorischer Ritterlichkeit kaum zu überbieten.“, sagte Severus.

    Die anderen lachten, aber er hatte es nicht als Scherz gemeint, sondern todernst. Dumbledore hätte er es ohne weiteres zugetraut seine eigenen Leute abschlachten zu lassen, um selbst ins Exil zu entkommen, um was zu tun? Das war die große Frage: Was tat Dumbledore eigentlich? War er im Ausland und scharrte eine Armee um sich mit der er zurückschlagen würde? Oder gestand er sich ein verloren zu haben und würde sie alle hier sterben lassen?

    Severus sagte nichts weiter, sondern schnitt an seinem Steak herum, während Bellatrix erneut genüsslich über alle Nicht-Reinblüter herzog und dabei einige Seitenhiebe gegen ihn fallen ließ. Er hasste sie dafür. Dennoch verbiss er sich gehässige Bemerkungen

    Nach dem Essen verteilten sich alle Gäste langsam über das gesamte Anwesen. Severus hatte keine Lust mit den anderen herumzuhängen und ließ sich von einem Hausangestellten auf sein Zimmer bringen. Es lag im dritten Stock des Ostflügels. Als er eintrat bemerkte Severus jedoch sofort, dass etwas nicht stimmte. Hier war mindestens Platz für zwei bis drei Leute.

    „Ist noch jemand hier?“, fragte er den Angestellten.

    „Ja Sir, der junge Mr Black.“

    Warum habe ich es bloß geahnt?

    Jetzt musste er mit diesem Schleimbeutel auf einem Zimmer hocken. Na, schönen dank auch!

    „Gut. Ich danke Ihnen.“, sagte Severus und der Mann verbeugte sich flüchtig und marschierte davon.

    Er besah sein Zimmer genauer. Es war groß und rustikal. Über den glänzenden Parkettboden war ein Teppich ausgebreitet auf dem das Wappen der Malfoys zu sehen war. Zwei gekreuzte Schwerter, um die sich zwei große Nattern wanden. In der Mitte, wo sich die Klingen überschnitten, prangte ein kunstvolles M. Das Edelholzmobiliar glänzte matt im Schein der Lampen, die, wie Severus feststellte, magisch betrieben wurden. Es gab zudem einen Kamin, mehrere Sessel, ein Sofa und zwei große Betten. An den Wänden hingen Gemälde und mittelalterliche Schilde. Hinzu kamen Bücherregale, die jedoch nicht überbeansprucht wurden. Durch die großen Fenster auf der Ostseite schien das Mondlicht hinein. Severus konnte in den Garten hinabschauen.

    Erschöpft ließ er sich auf das Bett fallen, neben das man seinen Koffer gestellt hatte. Er raufte sich das Haar und hätte sich am Liebsten selbst eine runter gehauen.
    Warum war er überhaupt hier?

    Weil der Schein gewahrt werden muss.

    Zum Teufel mit dem Schein!

    Du weißt genau, warum wir hier sind.

    Ja, aber es ist nicht richtig. Irgendwie war nichts von
    alldem richtig, was ich getan habe.

    Hör auf dich selbst zu bemitleiden!

    Severus öffnete den Koffer, kramte seine Marlbaros heraus und zündete sich eine an. Er zog kräftig an seiner Zigarette und ließ das Nikotin auf sich wirken.

    Plötzlich öffnete sich die Zimmertür und Regulus trat ein. Severus blickte nur kurz über die Schulter und widmete sich dann weiter seinem Tabak.

    „Ich habe dich gesucht.“, sagte Regulus und schloss die Tür hinter sich.

    „Ach ja?“, meinte Severus ohne sich umzudrehen.

    „Ja.“ Blacks kleiner Bruder schien das erste Mal an diesem Abend verunsichert.

    Er kam auf ihn zu und Severus erhob sich.

    „Was willst du?“

    Regulus zuckte mit den Schultern.

    „Ich dachte, wir könnten vielleicht einwenig reden.“

    Na wunderbar! Die großen Jungs wollen den kleinen, reizenden Reinblüter nicht bei sich mitspielen lassen und jetzt hängt er mir an der Backe. Ich habe ja sonst nichts zutun!

    „Und worüber?“, fragte Severus.

    „Über alles mögliche.“

    „Meinetwegen, aber das schaff’ ich nicht ohne was Zutrinken.“, sagte Severus.

    Er steckte sich die Zigarette in den Mund und zog sein Jackett aus.

    „Was machst du da?“, rief Severus, als Regulus auf halben Weg zur Tür war.

    „Ich wollte uns etwas bringen lassen.“

    „Wenn schon, dann holen wir das selbst. Du hast doch nichts dagegen, oder?“, fragte Severus.

    Regulus wirkte verwirrt.

    „Selbst holen?“

    „Ja; selbst holen! Du weißt schon, mit Treppe runter laufen, in den Keller gehen und dann die Treppe wieder hoch laufen.“

    „Du willst es … stehlen?“, sagte Regulus fassungslos.

    „Sag bloß, du hast schiss?“ Severus wusste nicht woher diese kriminelle Energie so plötzlich kam.

    Und er wusste auch nicht, warum er ausgerechnet Regulus dazu anstiften wollte mit ihm ein paar Flaschen Bier aus dem Keller zu klauen. Vielleicht um zu sehen, ob dieser Reinblüter so geschniegelt und gebügelt war wie es den Anschein machte, oder, ob er tatsächlich auch zu Taten neigte.

    „Also ich weiß ja nicht.“ Regulus trat von einem Fuß auf den anderen. „Das ist nicht gerade höflich.“

    „Komm schon, uns erwischt schon keiner.“

    „Warum willst du es dir nicht einfach bringen lassen?“, sagte Regulus.

    Severus ging auf seinen Zimmergenossen zu und warf ihm einen spitzbübischen Blick zu.

    „Keine Lust auf ein wenig Abenteuer?“

    „Du willst das also wirklich machen?“ Regulus schien immer noch zutiefst erschüttert.

    „Klar.“ Severus legte ihm den Arm und Schulter. „Mach dir nicht ins Hemd! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

    „Also ich weiß nicht.“, kam es erneut von Regulus.

    „Ich könnte es natürlich auch alleine holen. Wär’ echt kein Problem.“

    „Na-na-na schön …“, sagte Regulus schließlich. „Aber wenn wir erwischt werden …“

    „Dann teilen wir uns den Ärger.“, sagte Severus. „Und zieh deinen Anzug aus. Wär’ schade drum.“

    Ohne weitere Fragen tat Regulus wie befohlen. Er hatte sich auf Severus’ Spiel eingelassen.

    Die beiden gingen rasch in die Eingangshalle hinunter und bogen in westliche Richtung ab. Dort fand sich schon bald eine große Tür mit der Aufschrift: „NUR FÜR PERSONAL“

    Severus sah sich noch kurz um, ob auch wirklich niemand in der Nähe war bevor er zusammen mit Regulus durch die Tür schlüpfte. Dahinter war ein Flur der in die betriebsame Küche und den Keller abzweigte. Sie gingen rasch in den Keller. Dieser war riesig und die Regale hier unten waren voll mit Wein- und Schnapsflaschen. Das Bier stand in einem separaten Raum weiter hinten.

    „Da wären wir!“, sagte Severus und sie machten sich daran einiges an Spirituosen mitgehen zu lassen.

    Zum Schluss trug jeder von ihnen drei Flaschen Guinness und je eine Flasche Whiskey und Bordeaux bei sich.

    Als Severus Stimmen vor der Kellertür vernahm packte er Regulus am Arm und führte ihn zum Hinterausgang, der in den Garten mündete.

    „Komm mit, ich kenn’ ein ruhiges Fleckchen.“, sagte er und sie gingen zu einer großen Buche im hinteren Teil des Gartens.

    Der Mond erhellte die Umgebung gerade so, dass sie ihre eigenen Füße sehen konnten.

    „Lumos!“, sagte Severus und das Licht des Zauberstabs erhellte den finsteren Garten.

    Er stellte die Flaschen an der Wurzel des Baumes ab und setzte sich ins Gras. Regulus tat es ihm nach.

    „Ich hätte nicht gedacht, dass das so reibungslos geklappt hätte.“, sagte er und schraubte eine der Bierflaschen auf. „Aber kein Wort zu Bellatrix oder so.“

    „Hmpf, zu der Viper schleppen mich keine 10 Pferde.“, sagte Severus.

    Er löste die Lichtkugel von seinem Zauberstab, ließ sie etwas höher steigen und an der Buche festsetzen.

    „Wow, wie macht man das?“, fragte Regulus.

    „Ist leichter als es aussieht. Lernt man aber nicht in der Schule.“

    Severus öffnete sein Bier und lehnte sich gegen den Stamm, als er trank.

    „Du magst Bella nicht, oder?“

    „Nein.“, gab Severus offen zu. „Sie ist eine verfluchte Schlampe. Ich würde mich von ihr fernhalten.“ Er nahm einige, lange Züge. „Verrat mir mal eins, Reg, warum bist du heute hier?“

    „Bella hat mich eingeladen und Mutter hielt es für eine reizende Idee, wenn ich sie begleiten würde. Sie sind auch hier, weißt du.“

    „Wolltest du deshalb nicht? Weil du wegen deiner Eltern Angst hattest?“

    „Sie sind sehr streng, was Vorschriften und Etikette angeht.“, sagte Regulus. Er klang beinah etwas traurig.

    „So sind sie eben, unsere Aristokraten.“

    „Du kommt aus keiner Reinblutfamilie, oder?“, fragte Regulus neugierig. Severus schnaubte.

    „Ich bin Halbblüter, Jungschen.“

    „Also bist du mit Muggeln aufgewachsen?“

    „So in der Art. Willst du mich jetzt anschwärzen?“

    „Was? Nein, nein, nein, nein …“, erwiderte Regulus beschwichtigend, beinah panisch. „Es hat mich bloß interessiert.“

    „Wieso?“

    Regulus hielt inne und nuggelte an seiner Flasche.

    „Es hat mich bloß gewundert.“

    „Was hat dich gewundert?“, hakte Severus nach.

    „Wegen dem, was sie in der Schule über dich erzählen.“

    Na, jetzt wird’s aber interessant!

    „Was erzählen sie denn?“

    „Ganz verschiedene Sachen. Viele der Slytherins denken du wärst wohl besser gestellt als viele von ihnen, weil du mit Lucius herumhängst.“

    Severus begann schallend zu lachen.

    „Lass dir mal eines gesagt sein; Lucius wäre ohne mich auf verlorenem Posten.“ Er lachte immer noch, jedoch nicht mehr so heftig. „Er ist ein typischer Bürokrat. Theoretisch veranlagt, aber kein Mann der Praxis.“

    „Und du?“, fragte Regulus.

    „Ich bin Pragmatiker.“

    „Und Zaubertrankgenie.“, fügte Regulus heiter hinzu.

    Jetzt geht das wieder los!

    „Wer hat das eigentlich gesagt?“, meinte Severus grimmig.

    „Das sagen alle.“, sagte Regulus. „Professor Slughorn …“

    „Sluggy redet viel, wenn der Tag lang ist.“, rutschte es Severus heraus.

    „Du magst ihn nicht?“

    „Er redet mir zu viel, der alte Schleimer. Lädt jeden halbwegs begabten oder berühmten Schüler in seinen Slug-Club ein. Hat er dich eingeladen?“

    Regulus schüttelte bedauernd den Kopf.

    „Sei froh. Da verpasst du wirklich überhaupt nichts. Mich lädt er seit der ersten Klasse ein, aber ich habe gelernt ihn zu ignorieren.“, sagte Severus und leerte seine Flasche. „Glaub mir, er ist ein verfluchter Heuchler.“

    „Also hast du das ernst gemeint?“, fragte Regulus.

    „Was?“

    „Was du heute Abend gesagt hast. Du willst dir nur ganz normal einen Job suchen.“

    „Ich wüsste nicht, was daran verwerflich sein sollte. Ich will die Welt nicht verändern. Ich will einfach nur meine Ruhe haben und mein Leben leben. Ich habe nur eins und das will ich nicht mit Politik verplempern.“, sagte Severus.

    „Also stehst du nicht hinter dem Lord?“

    „Das hat damit überhaupt nichts zutun. Ich bin Teil des Systems, ob ich will oder nicht. Ich gliedere mich in die Ordnung ein, aber ich tue auch nichts für oder gegen sie. Verstehst du?“

    „Warum nicht? Es sollte doch jedem von uns eine Ehre sein dem Dunklen Lord zu dienen.“

    Da hat die Reinblutideologie aber gezogen, was? Na ja, diese Aristokratenkinder können sich wenigstens noch rausreden, indem sie behaupten ihr Rassismus rühre aus ihrer Erziehung her. Alle anderen müssen sich selbst überlegen warum sie andere Menschen so sehr hassen.

    „Vielleicht.“, sagte Severus. Er würde diesem Bengel garantiert nicht mehr sagen. „Und was willst du mal werden?“

    „Ich will in die Armee. Nach dem Grunddienst lass ich mich verpflichten.“, sagte Regulus und klang richtig euphorisch bei dem Gedanken an das Militär.

    „Du vergötterst ihn, oder?“ Severus machte die zweite Flasche Bier auf.

    „Wen?“

    „Du-weißt-schon-wer.“

    „Er ist ein großer Mann.“, sagte Regulus erneut mit dieser widerlichen Euphorie in der Stimme.

    Severus nickte bloß schweigend und schüttete noch mehr Alkohol in sich hinein.

    „Weißt du was?“ Er erhob sich und stellte die Flasche zurück zu seinen anderen. „Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust.“

    „Was?“, fragte Regulus und erhob sich jetzt ebenfalls.

    „Ich will, dass du mich so hart schlägst wie du kannst.“

    „Was?“

    Dem kleinen Black war jetzt wieder jene Schockierung ins Gesicht geschrieben, die er zuvor in ihrem Zimmer an den Tag gelegt hatte. Severus grinste ihn an.

    „Tu es.“

    „Warum? Warum soll ich dich schlagen?“

    „Weil ich es will.“

    „Aber das ist doch vollkommen bescheuert!“

    „Nein, ist es nicht! Was weißt du über dich, wenn du dich noch nie geprügelt hast?“

    Jetzt würde sich zeigen, ob dieser kleine Möchtegern-Todesser auch zu seinen großspurigen Worten stand.

    „Du willst zur Armee. Fein, dann zeig mal, was du drauf hast!“, provozierte Severus ihn.

    „Und wohin soll ich dich schlagen?“

    „Überrasch mich.“, sagte Severus feixend.

    Regulus zögerte immer noch.

    „Na los, mach schon! Sieht doch eh kein Schwein!“

    Regulus ballte die Faust und wog sie hin und her, als ob er nicht sicher war, ob er das wirklich tun sollte.

    „Schlag zu, bevor ich Schiss bekomme!“

    Regulus sah ihn zweifelnd an. Dann, ohne Vorwarnung, knallte seine Faust auf Severus’ Nase. Er taumelte einige Sekunden und fiel nach hinten weg auf seinen Arsch. Der Schmerz betäubte ihn und er spürte wie seine Nase anfing zu bluten.

    „Tut mir leid!“, rief Regulus, doch Severus fing an zu lachen.

    „Das war super!“

    Er rappelte sich auf und verpasste Regulus, der noch ängstlich vor ihm stand, einem Hieb in die Magengrube.

    Sein Gegenüber krümmte sich vor Schmerzen.

    „Du bist völlig durchgeknallt!“, keuchte Regulus.

    Severus krempelte sich die Ärmel hoch und begann wieder zu lachen. Diese ganze Situation erinnerte ihn daran wie er und Jason Murlahey sich das erste Mal prügelten. Nur, dass dieses Mal ihre Rollen vertauscht waren.

    Severus zog Regulus auf die Beine.

    „Noch mal?“, fragte er.

    Unvermittelt trat Regulus ihm gegen das Schienbein und er schlug zurück. Sie stürzten sich aufeinander, schlugen sich. Nur das Klatschen der nackten Fäuste und gequältes Keuchen war zu vernehmen. Severus spürte wie sein Geist von allem Überflüssigem befreit wurde. Nichts hatte mehr eine Bedeutung, außer dem Kampf selbst. Er war frei.

    Es war egal wer der Dunkle Lord war. Es war egal welches Blut in seinen Adern floss. Es war egal wen er liebte oder hasste. Es war egal, ob er arm oder reich war. Alles war nichtig und klein. Und er hörte, für den kurzen Augenblick des Schmerzes, auf ein Sklave seiner Existenz zu sein. Er war vollkommen frei.

    Schließlich wankten die Beiden zu der Buche zurück. Blutend und mit schmerzenden Knochen, aber frei. Erlöst von all ihren weltlichen Qualen.

    Severus zog sich sein blutverschmiertes Hemd aus und legte es neben sich ins Gras. Er zog seine Zigaretten heraus und steckte sich eine an.

    „Du bist irre!“, sagte Regulus, der jetzt nach der Whiskeyflasche griff.

    „Das war der Befreiungsschlag.“

    „Wovon?“

    „Von allem. Es ist das woraus der Kosmus besteht, Reg. Wir Menschen sind nicht mehr als Blätter im Wind. Wir und unsere kleinlichen Konflikte sind für das Universum unerheblich.“, sagte Severus und dachte daran, was Jason jetzt wohl gesagt hätte.

    Er musste daran denken den Fight Club zu reanimieren, wenn sie wieder in Hogwarts waren. Das war er ihm schuldig.

    „Tust du deshalb nichts für das System?“, fragte Regulus.

    „Die Ordnung des Dunklen Lords ist unwichtig für ebenjene, der das Universum untersteht.“

    „Und wie heißt diese Ordnung an die du glaubst?“, fragte Regulus.

    „Ich glaube nicht an Zufälle, denn selbst der Zufall untersteht einem System. Nämlich dem Chaos. Totale Kontrolle, wie sie von unserer Regierung angestrebt wird, ist nicht erlangbar. Zumindest nicht für einen Menschen.“, sagte Severus.

    „Und für wen dann?“

    „Vielleicht für Gott, aber selbst Gott kann nicht endgültig in die große, kosmische Schlacht eingreifen. Chaos ist der beherrschende Faktor unserer Welt.“

    Severus erhob sich und blickte in den Himmel hinauf. Die Nacht war sternenklar.

    „Glaubst du an Gott?“, fragte Regulus unvermittelt.

    „Ich glaube daran, dass nicht er es ist, der unser Schicksal bestimmt.“ Severus blickte auf Regulus hinab. „Nur wir selbst tun das, um uns schließlich in das Muster einzufügen.“

    Er sah wieder zu den Sternen und es fühlte sich für einen Moment so an, als könnte er nach ihnen greifen. Als könne er dort oben seine Mutter sehen, als könnte er Jason sehen – wo auch immer sie jetzt waren.

    Aus den Augenwinkeln sah er nun den jungen Black neben sich stehen. Er sah ebenfalls in den Himmel.
    Wie oft war er mit Jason auf dem Astronomieturm gewesen und hatte mit ihm so in die Sterne gesehen? Er glaubte nicht an Gott, die Macht von Sternenbildern und kleine, grüne Männchen. Dennoch hatte der Himmel schon immer eine gewisse Faszination auf ihn ausgeübt. Im Kindergarten hatte er gelernt: „Gott wohnt im Himmel und beschützt dich.“ Es dauerte nicht lange bis er diese Aussage gehörig anzweifelte. Niemand lebte im Himmel. Nicht Gott, nicht die Toten, die über einen wachten. Zu diesem Schluss war er noch vor seiner Zeit in Hogwarts gekommen.

    „Severus?“, sagte Regulus, der seine stetige Abwesendheit bemerkt haben musste.

    „Lass uns gehen. Man wird uns sicher schon suchen.“

    Den verbleibenden Alkohol wickelte er in sein dreckiges Hemd ein. Sie schlichen sich durch den Kellereingang zurück ins Anwesen und hinauf auf ihr Zimmer. Dort angekommen deponierte Severus die Flaschen in seinem Nachtschrank und stopfte das Hemd in einen Winkel seines Koffers. Er nahm ein schwarzes Shirt heraus auf dem ein Skelett abgebildet war, das sich eine Pistole an den Kopf hielt. Darüber prangte der Spruch: „So viele Idioten und so wenig Kugeln“

    Regulus jedoch legte sich mit nacktem Oberkörper auf das Bett.

    „Denkst du, dass es falsch ist zur Armee zu gehen?“

    Severus zuckte mit den Schultern.

    „Wenn es dich glücklich macht, warum nicht?“

    Er nahm noch ein Bier, ging zu einem Sessel vor dem Kamin und ließ sich hinein fallen. Severus wusste jetzt, was er tun musste.

    Offen konnte er das Regime nicht angreifen, doch es zu untergraben stand ihm frei. Sie hämmerten ihre hasserfüllte Ideologie in die Köpfe der Kinder, kaum, dass sie richtig laufen konnten. Er würde sich ihnen widersetzen! Er würde den Fight Club wieder aufbauen. Und er würde dafür sorgen, dass Maximus Greed den Tag verfluchte, als er Hogwarts eroberte.

    Severus würde den Kampf eröffnen, jedoch auf subtilere Weise, als es sich die Todesser vorzustellen vermochten.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 24: Männergespräche

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:44

    In der Nacht wurde Severus durch Lärm aus dem Flur geweckt. Müde und verwirrt setzte er sich auf. Er sah zu Regulus hinüber. Dieser schlief jedoch wie ein Toter. Leise stieg Severus aus dem Bett, warf sein Shirt über, steckte seinen Zauberstab in den Bund seiner Shorts und schlich zur Tür. Er öffnete sie leise.

    „Hier entlang!“, hörte er jemanden rufen.

    Die Stimmen kamen offenbar aus dem Treppenhaus. Lautlos schlüpfte er aus dem Zimmer und schlich den Flur entlang. Am Treppenaufgang blieb Severus im Schatten stehen und spähte vorsichtig nach unten.

    „Was ist passiert?“, hörte er Greed sagen und hielt augenblicklich den Atem an.

    „Eindringlinge, Sir! Auf den Ländereien.“

    „Wurden sie identifiziert?“

    „Ja, und bereits von uns in Gewahrsam genommen. Zwei Muggelstämmige. Offenbar flüchtig.“

    „Exekutiert sie.“, sagte Greed kalt.

    „Sir?“

    „Sie haben mich schon richtig verstanden. Keine Befragungen, keine Überführung nach Askaban. Es sind bloß Muggelstämmige, Major. Die sind den Aufwand nicht wert.“, sagte Greed gelangweilt. „Und jetzt lassen Sie mich weiterschlafen.“

    Severus lief ein eisiger Schauer über den Rücken, als er hörte wie leicht diesem Mann das Töten fiel. Schwere Schritte hallten die Treppe hinauf.

    Severus rannte schnell zu seinem Zimmer zurück. Er schloss die Tür hinter sich mit einem Gefühl der Abscheu. Leise ging er zum Fenster und sah hinaus. Severus ließ den Blick über den Garten und die anschließenden Ländereien schweifen. Erneut sah er zu Regulus, der immer noch seelenruhig schlief. Er hingegen würde heute Nacht wohl kein Auge mehr zutun können.

    Severus ging zu seinem Bett und zog sich Jeans und Schuhe an. Er hielt es nicht aus hier herumzuhocken. Nicht nachdem, was er gehört hatte.

    Wieder öffnete er die Zimmertür vorsichtig und spähte dieses Mal in den Flur, um sich zu vergewissern, dass er allein war. Er verließ den Ostflügel und ging durch das Treppenhaus in Richtung des Lesezimmers im 3. Stock. Dieses war einer der kleineren Gruppenräume.

    Geräumig, rauchig und voll gestopft mit Bücherregalen und Vitrinen. In der Mitte des Zimmers befand sich eine Reihe von Sesseln und kleinen Tischchen.

    Allerdings fand Severus hier jemanden vor, den er nicht erwartet hätte; Lucius. Er saß in einem der Sessel und las ein Buch.

    „Kannst du nicht schlafen?“, fragte Lucius, als er seinen Freund hineinkommen sah. Severus setzte sich zu ihm.
    „Und du? Wo ist Narzissa?“, fragte er.

    „Sie schläft.“, antwortete Lucius kurz angebunden.

    Severus sah auf den Buchumschlag.

    'Die grundlegende Philosophie des Lebens' von Charles P. Hoffman.

    Lucius überraschte ihn immer wieder. In Hogwarts sah er ihn nie freiwillig ein Buch in Hand nehmen.

    „Seit wann interessierst du dich für Philosophie?“, fragte Severus.

    „Eigentlich hoffte ich, dadurch müde zu werden, aber es ist ganz nett. Könnte glatt von dir stammen.“

    „Warum?“

    „Weil der Autor über den Sinn des Lebens schreibt, dass wir uns über unsere biologische Funktion hinwegsetzen sollen.“, sagte Lucius.

    „Habt ihr euch gestritten?“, fragte Severus. Sein Freund machte einen etwas zerstreuten Eindruck.

    „Nein.“, sagte Lucius. Es klang angespannt. „Das ist es nicht.“

    „Was dann?“

    Lucius atmete tief.

    „Na ja …“, war dennoch das Einzige, was er von sich gab.

    „Was ist? Mir kannst du es erzählen.“, sagte Severus.

    „Wir hatten einen interessanten Abend zusammen.“

    Severus lehnte sich zurück und zog die Augenbrauen hoch.

    „Ah ja.“, sagte er. „Nun … hat sie dich fertig gemacht oder wieder belebt?“

    Lucius starrte seinen Freund fassungslos an und ließ sein Buch fallen. Es klatschte dumpf auf den Boden, während sich eine furchtbare Stille zwischen ihnen ausbreitete.

    „Da ist doch nichts dabei.“, meinte Severus schließlich kleinlaut.

    „Sev …“ Lucius hob das Buch wieder auf. „Bei dir ist vielleicht nichts dabei, aber mir sitzt eine ganze Brigade Todesser im Nacken.“

    „Wo ist das Problem?“

    „Das Problem, Severus, ist, dass mir niemand so was durchgehen lässt.“

    „Warum nicht? Sie ist reinblütig, du bist reinblütig.“

    „Darum geht es nicht.“, sagte Lucius und es klang traurig.

    Er raufte sich das Haar und besah seine Finger.

    „Du bist nicht mit meinen Eltern aufgewachsen. Sie wollen Disziplin und Etikette. Es ist nicht nach ihren Vorstellungen, wenn ich einfach mit Zissia … du weißt schon.“

    „Schlafe?“, beendete Severus den Satz. Lucius nickte zögernd. „Warum tust du es dann?“

    „Weil ich sie liebe.“

    Sein Freund setzte seine Brille ab, legte sie auf den Tisch neben sich und rieb sich die Augen.

    „Nachdem du weg warst hat Bella ihren ganzen Frust an mir abgelassen.“

    „Bei ihr ist das wohl angestautes Östrogen.“, meinte Severus lapidar.

    „Das ist nicht lustig!“, fuhr Lucius ihn an.

    „Das sind ihre Halbblutwitze auch nicht.“

    Lucius sagte nichts darauf, sondern verzog nur das Gesicht. Noch bevor Severus etwas entgegnen konnte öffnete sich die Tür zum Zimmer. Auf der Schwelle stand jemand von dem sie beide gehofft hatten er würde in seinem Bett liegen: Maximus Greed. Er trug einen schwarzen Morgenmantel und dunkelblaue Pyjamahosen. Sein Auge wurde nicht wie üblich von der schwarzen Binde verdeckt, sondern es lag milchig-weiß in seiner Höhle und starrte leer vor sich hin. In einer Hand hielt er ein Glas Cognac und in der anderen eine Ausgabe des Propheten in der Spätausgabe.

    Severus’ Nackenhaare stellten sich auf. Dieses tote Auge wirkte auf ihn, als würde es durch ihn hindurch sehen können.

    „Guten Morgen, die Herren.“, sagte Greed.

    „M-morgen?“, stammelte Lucius.

    „Es ist drei Uhr in der Früh. Rein rechnerisch ist das bereits morgen.“, sagte Greed ähnlich gelangweilt, wie in dem Moment, als er den Hinrichtungsbefehl gab.

    Severus’ Rücken lief ein kalter Schauer hinab und er wünschte sich weit, weit weg.

    „Und warum liegen Sie nicht in ihren Betten?“, fragte Greed.

    „Schlafstörungen.“, meinte Lucius.

    „So? Und wovon kommen die?“

    „Frauen.“, sagte Severus.

    Greed begann amüsiert zu lachen und kam auf sie zu.

    „Frauen, meine Herren, bereiten wohl jedem Mann schlaflose Nächte.“

    Greed setzte sich zu ihnen, klatschte seine Zeitung auf den Tisch und überschlug die Beine.

    Severus und Lucius hatten alle Mühe nicht so dazusitzen wie die Hühner auf der Stange, doch Greed war wohl der Letzte dessen Gesellschaft sie sich wünschten. Dennoch wussten sie, dass es wahrscheinlich tödlich wäre einfach aufzustehen und zu gehen.

    „Und Sie, Sir?“, fragte Lucius, der offenbar etwas aufzubauen versuchte, dass sich „höfliche Konversation“ schimpfte.

    „Dienstliche Angelegenheiten. Nichts, was für Sie von Interesse wäre. Meine Frau ist somit aus dem Schneider.“

    Greed lächelte ihnen zu und nahm einen Schluck seines Cognacs.

    „Und sie haben beide schon ein Mädchen?“

    „Natürlich.“, sagte Lucius. „Ich zumindest.“

    Schleimer! , dachte Severus ärgerlich.

    „Severus ist allerdings ein hoffnungsloses Single.“

    Wie bitte??? Ich bin ein WAS?

    „Tatsächlich?“, fragte Greed an Severus gewandt.

    „Ich hatte noch nicht die passende Gelegenheit.“, sagte er. „Für Mädchen braucht man Zeit und die hat nicht jeder.“

    „In Ihrem Alter sollte man die besser haben.“ Greed wog sein Glas hin und her. „Sie sind ein tüchtiger, junger Mann, wie ich vermehrt hören konnte, doch ich fürchte in Büchern finden Sie keine Frau.“

    Und plötzlich warf ihm sein Gegenüber einen mehr als zweideutigen Blick zu, der Severus überhaupt nicht gefiel.

    „Nun, zumindest nicht in Ihren Schulbüchern.“

    „Über meine Anatomie bin ich mir mehr als bewusst.“, antwortete Severus vorsichtig.

    „Das glaube ich Ihnen aufs Wort!“, sagte Greed und nahm noch einen Schluck Cognac. „Männer in ihrem Alter sollten sich klar vor Augen halten, dass es für zukünftige Generationen ungeheuer wichtig sein wird, dass Menschen wie wir einen festen Fortbestand haben.“

    „Männer wie wir.“, sagte Severus und nickte Greed zu.

    Er wusste sehr genau, was der General damit meinte. Etwas ungeheuer Wichtiges. Etwas ungeheuer Perverses.

    „Sehr richtig. Das schwache Blut wird verdrängt, wenn wir erfolgreich sind – für immer.“

    Severus hätte sich am liebsten den Finger in den Hals gesteckt und sich seines Mageninhalts entledigt. Er dachte an Greeds Frau. War da einer der ersten Vertreter der neuen, absoluten Magierrasse im Anmarsch? Und war das der einzige Grund warum jemand wie Maximus Greed überhaupt an Sex dachte? Um den genetischen Fortbestand der Reinblüter zu gewährleisten?

    Das ist doch völlig krank!

    Er hätte es am liebsten in die Welt hinaus geschrieen. Er wäre am liebsten aufgestanden und gegangen, doch er konnte nicht. Nein, er saß hier im Angesicht dieses Psychopathen und musste gute Miene zum bösen Spiel machen.

    Ekel breitete sich in ihm aus. Ekel vor Greed und allen Reinblütern, aber auch vor sich selbst, weil er einfach nur hier herumsaß und nichts tat!

    „Darf ich?“, fragte Severus und deutete auf die Morgenausgabe des Propheten.

    „Natürlich.“, antwortete Greed. Severus nahm sich die Zeitung und überflog die Titelseite. Es stand nichts Überraschendes drin, doch es lenkte ihn von Greed ab.

    „Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Hogwarts?“, fragte der General und beobachtete die beiden Jungen sehr genau.

    „Den Grunddienst ableisten.“, sagte Lucius. Severus hingegen tat so, als habe er es nicht gehört.

    „Sie klingen beinah so, als sei das eine Strafe.“

    „Ich denke, ich werde ein miserabler Soldat sein.“, antwortete Lucius.

    „Warum?“, wollte Greed wissen.

    „Ich bin ein schlechter Kämpfer.“

    „Keine Sorge, das wird noch.“

    Greed lächelte sein Gegenüber an und nahm einen Schluck seines Cognacs.

    „Sie sollten sich eine Laufbahn beim Militär wirklich überlegen, mein Guter.“

    „Ja, Sir.“, sagte Lucius nur.

    „Und Sie?“, fragte Greed an Severus gewandt.

    „Was? Oh …“

    Er blickte mit gespielter Überraschung von der Zeitung auf und versuchte dabei möglichst überzeugend zu wirken.

    „Ich denke, ich werde nach dem Armeedienst mein Fach spezialisieren.“

    Tatsächlich? Das ist mir ja ganz neu!

    Greed nickte ihm zu.

    „Vorher suchen Sie sich aber eine Frau.“

    Severus hätte am Liebsten etwas Gehässiges entgegnet, doch er ließ es lieber bleiben.

    „Gefällt Ihnen das nicht?“

    „Ich fürchte, dass könnte eine wahre Odyssee werden.“, entgegnete Severus trocken.

    Greed begann leise zu lachen.

    „Für einen intelligenten Jungen, wie sie, wird sich sicher etwas finden lassen.“

    „Es eilt nicht, Mr Greed.“

    „Mein Junge, man muss die Frauen erziehen solange sie noch jung und beugsam sind.“

    „Ich denke nicht, dass das nötig sein wird.“

    „Denken Sie nicht? Nun, dann viel Erfolg.“

    Severus entging der ironische Unterton in Greeds Worten keineswegs. Er antwortete jedoch nichts darauf. Das Risiko, dass ihm etwas Verhängnisvolles herausrutschen könnte war einfach zu groß.

    Greed trank den restlichen Cognac auf Ex, erhob sich und schnappte Severus die Zeitung aus den Händen.

    „Nun denn, meine Herren, ich wünschen Ihnen noch eine angenehme Nacht.“, sagte er und verschwand aus dem Zimmer.

    Severus und Lucius warteten bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, bevor sie geradezu befreiend aufatmeten.

    „Gott sei dank! Ich dachte schon, der geht gar nicht mehr.“, sagte Lucius und stellte sein Buch in das Regal zurück.

    „Wenigstens weißt du jetzt, worauf es im Leben ankommt.“

    „Wirklich witzig, Sev!“, grollte sein Freund.

    „Okay, dann lass uns was Trinken gehen.“

    „Hast nicht schon genug?“, fragte Lucius verwirrt.

    „Woher willst du das wissen?“

    „In eurem Zimmer stank es wie in ’ner Brauerei!“

    Severus war seinen Freund nun einen fragenden Blick zu.

    „Ich bin heute Nacht noch mal vorbei gekommen, aber ihr habt geschlafen wie die Toten.“

    „Okay, dann eben kein Alkohol.“, schloss Severus. „Wie wär’s mit Saft?“

    „Sev, du benimmst dich irgendwie etwas … na ja, eigenartig seitdem du hier bist. Natürlich, nicht, dass du jemals normal gewesen wärst …“

    Lucius meinte es offenbar als Scherz, doch Severus konnte darüber nicht lachen.

    „Irgendjemand war heute auf dem Gelände.“, sagte er lehnte sich zurück. „Muggelstämmige. Flüchtlinge oder so.“

    „Und?“, fragte Lucius, als er sich wieder zu ihm setzte.

    „Greed hat sie umbringen lassen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Einfach nur, weil sie da waren!“

    „Was interessiert dich das?“

    „Was es mich interessiert?“, rief Severus aufgebracht. „Falls es dir in all den Jahren entgangen sein sollte: Ich bin Halbblüter!“

    „Und?“

    „Und? Und?! UND!“ Severus fasste es nicht. War Lucius wirklich so begriffsstutzig oder tat er bloß so? „WARUM BEGREIFST DU DAS EIGENTLICH NICHT?“

    „Scchhhhhhh!“, machte Lucius erschrocken. „Du weckst ja das ganze Haus auf!“

    „Im Augenblick jagen sie nur die Muggelstämmigen, aber was ist, wenn sie es sich irgendwann anders überlegen? Was ist, wenn es morgen Halbblüter sind oder plötzlich die Reinblüter, von denen sie nicht glauben ihr Blut sei rein genug?“

    „Sev …“, sagte Lucius behutsam. „… du hörst dich langsam wie ein Separatist an.“

    „Ach ja!“, giftete Severus. „Vielleicht bin ich ja einer?“

    Lucius schwieg und musterte seinen Freund. Ihm schien nicht klar zu sein, was er von Severus’ Verhalten denken sollte.

    „Weißt du, ich …“ Lucius sah ihn nun etwas verloren an. „Ich weiß nicht, was du plötzlich hast.“

    „Was ich habe? Vielleicht geht es mir ja auf den Zeiger, dass du dich ständig auf deinen Lorbeeren ausruhst und dir alles so derartig am Arsch vorbei geht! Ja, stimmt schon, du musst dir um nichts Sorgen machen, immerhin bist du Reinblüter! Ich werde irgendwann umgelegt und alles ist okay.“

    „Severus! Das habe ich überhaupt nicht gesagt!“, empörte sich Lucius.

    „Aber du denkst es!“

    „Sev!“

    „Nicht? Warum interessiert es dich dann nicht, was hier los ist?“

    „Du … du redest langsam wirklich wie ein Separatist.“, bemerkte Lucius leise.

    „Ja, fein!“ Severus erhob sich und blickte wütend auf seinen Freund hinab. „Dann geh doch zu Greed und melde mich, wenn du das denkst! Steh auf und hol ihn!“

    Lucius blieb jedoch sitzen und runzelte die Stirn.

    „Oh Sev.“, sagte Lucius matt und presste seine Hände auf seine Augen.

    Severus hatte ihn wohl falsch eingeschätzt. Sein Freund war dazu erzogen worden niemals ein Zeichen von Schwäche zu zeigen. Er sollte Stärke repräsentieren. So, wie man es von einem Mitglied der aristokratischen Reinblutgesellschaft erwartete. Und doch saß Lucius nun hier und versuchte mit aller Macht nicht in Tränen auszubrechen.

    „Ich will das nicht.“, wimmerte er und nahm die Hände von seinem Gesicht. „Glaubst du das wirklich von mir?“

    „Ja.“, sagte Severus düster.

    „Du weißt genau, dass ich keine andere Wahl habe! Ich muss das sein, was sie von mir verlangen!“

    „Man hat immer eine Wahl, Lucius!“, entgegnete Severus und ging auf seinen Freund zu.

    „Nein, nicht hier! Wir dienen oder sterben. Das weißt du doch ganz genau!“

    Severus musste seinem Freund im Gedanken traurig zustimmen. Es gab keine Aussicht auf Erfolg, wenn man den Versuch unternahm den Mühlsteinen des Systems zu entkommen. Viel wahrscheinlicher war es, dass man zwischen sie geriet und vernichtet wurde.

    „Was willst du jetzt tun?“, fragte Severus.

    „Wie?“

    „Du denkst doch, dass ich ein Separatist bin.“

    Lucius stöhnte auf und schüttelte den Kopf.

    „Ich … Ach egal. Es ist mir egal, Sev. Lass mich einfach nur in Frieden. Ich will nichts damit zutun haben.“

    „So funktioniert das aber nicht!“, widersprach Severus.

    „Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Wir sind alle Gefangene. Ich, du, Zissy … Wir kommen da nicht mehr raus. Und wenn du denkst, dass ich das alles unterstütze, dann irrst du dich gewaltig! Ich habe jeden Tag furchtbare Angst, weißt du. Ich verstehe dich, Sev. Ich weiß, warum du denkst, dass sie dich eines Tages umbringen werden.“ Lucius ließ die Schultern hängen. „Wenn du mich fragst, wird Du-weißt-schon-wer solange Menschen töten bis nur noch er übrig ist.“

    „Jetzt klingst du aber wie der Separatist.“, meinte Severus.

    „Dann sind wir es eben beide.“, schloss Lucius müde. „Na ja, oder du brauchst doch ein Mädchen.“

    „Wie bitte?“, fragte Severus verblüfft. Wie kam er denn jetzt da drauf?

    „Greed meinte es zwar anders, aber vielleicht ist eine Frau wirklich die Lösung des Problems.“

    „Glaubst du, ich will viele, kleine Halbblüter in die Welt setzen?“

    Severus musste unwillkürlich lachen. Lucius lachte ebenfalls.

    „Das war wohl eher Greeds Ansatz.“, sagte Severus.

    „Nein, ich meinte Liebe.“, gab Lucius zu und seine Wangen nahmen ein zartes Rosa an.

    „Liebe rettet uns nicht.“

    „Vielleicht nicht unser Leben, aber vielleicht unsere Seele.“

    Severus zog eine Augenbraue nach oben. Lucius überraschte ihn wahrlich immer wieder! Vielleicht sollte er ihm in Zukunft noch mehr philosophische Literatur zukommen lassen?

    Severus zuckte mit den Schultern.

    „Keine Ahnung. Ich glaub, ich geh wieder ins Bett.“

    „Hmm, ich komme mit. Nicht, dass Greed noch mal hier auftaucht.“, sagte Lucius und erhob sich.

    Gemeinsam gingen sie zur Treppe und stampften nach oben. Als sie auf ihrer Etage angekommen waren verabschiedeten sie sich wortlos.

    Severus ging in sein Zimmer zurück und schlich sich leise in sein Bett, um Regulus nicht zu wecken.

    „Wo warst du?“, fragte plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit.

    Er erschrak und stürzte über seine eigenen Füße, woraufhin er laut polternd zu Boden krachte.

    „Severus?“ Regulus hielt ihm das Licht seines Zauberstabs vor die Nase. „Oh sorry, wenn ich dich …“

    „Ich hab mir nichts gebrochen.“, keuchte Severus, dessen Kniescheiben sich anfühlten als wären sie zertrümmert.

    Er rappelte sich auf und setzte sich hinkend auf sein Bett.

    „Ich musste mal pissen.“, log er seinen Zimmergenossen an. „Warum?“

    „Nichts. Ich habe mich nur gewundert.“ Regulus schien es peinlich zu berühren, dass sich Severus wegen ihm fast etwas gebrochen hätte.

    „Dann ist ja gut.“, sagte Severus und legte sich hin. „Kannst du die Funzel ausmachen?“

    „Was? Oh, natürlich.“ Regulus sprach den „Nox“ und das Licht erlosch.

    Severus rollte sich auf der Seite ein und dachte über das Gespräch mit Lucius nach. Er wusste, dass er zuviel riskiert hatte. Schließlich hatte er ihm geradezu auf die Nase gebunden, was er dachte. Andererseits hätte Lucius ihn schon längst verpfeifen können. Schon vor Jahren hätte er das tun können. Wahrscheinlich tat er es nicht, weil er dann hätte zugeben müssen, dass er ebenfalls solchen Gedanken nachhing. Severus wusste, dass Lucius kein Idealist war. Sein Freund hatte Angst. Sein ganzes Leben bestand aus Angst. So, wie das von Severus und ein paar hunderttausend weiteren Magiern im Einflussbereich Voldemorts. Angst kontrollierte sie alle. Und er wusste, dass die Leute merkwürdige Dinge taten, wenn sie sich fürchteten. Manchmal auch grauenvolle Dinge.

    In einem musste er Lucius jedoch einwenig nachgeben: Liebe würde ihr Leben nicht retten, aber vielleicht ihre Seele. Ihre Seele würde das Einzige sein, was ihnen in dieser Welt blieb und sie durften auf keinen Fall zulassen, dass sie durch irgendetwas zerstört wurde.

    Die einzige Frage, die jetzt noch blieb war; inwieweit ihre Seele – das letzte, kleine Bisschen, dass von ihrer Existenz zeugen würde – schon zerstört worden war. Er hoffte nicht zu sehr.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 25: Zurück in Hogwarts

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:45

    Nachdem sich in den verbleibenden Tagen der Trubel in Malfoy Manor legte wurde auch die Laune von Lucius und Severus etwas besser. Vor allem, da General Greed sich schon zeitig von ihnen verabschiedete – wobei er all seine waffenstarrenden Todesser glücklicher Weise mitnahm.

    Auch Regulus Black und seine cholerische Cousine blieben ihnen mit dem weg gang der Gäste erspart. Severus hegte keinen wirklichen Groll gegen Regulus, doch Bellatrix war eine wandelnde Geduldsprobe. Das einzig nervige an Regulus war mitunter seine ewige Anhänglichkeit. Am Morgen nach der Feierlichkeit konnte er kaum einen Schritt machen, ohne, dass der kleine Black ihm an den Fersen hing. Er verehrte ihn in einer Art, wie die Gryffindors James Potter verehrten. Doch Severus gefiel es ganz und gar nicht! Er wollte seine Ruhe, die er dann endlich auch bekam.

    Nun waren sie fast gänzlich allein auf dem großen Anwesen. Einzig Lucius’ Eltern – wobei zu erwähnen sei, dass sich Abraxas kaum blicken ließ –, die Hausangestellten und natürlich die Hauselfen waren noch zugegen. Wachpersonal gab es kaum. Warum auch? Die Malfoys waren geachtet, der Bürgerkrieg schien Geschichte, auch, wenn Maximus Greed wohl zu jenen Menschen gehörte, die einfach nicht mehr ohne den blutigen Geschmack des Feldzugs leben konnte. Es war ruhig geworden, seitdem Voldemort seine absolute Macht verkündet und den Phönixorden als besiegt erklärt hatte. Während die Kriegsmüden diese Stille genossen schlug Greeds Stunde, denn sein Krieg war noch lange nicht zu Ende gefochten. Und Severus fürchtete, dass diese Irre in Hogwarts weiterkämpfen würde. Er wusste nicht, was Greed in all den Wochen in Hogwarts getan hatte. Er wusste nicht, was mit jenen Muggelstämmigen geschehen war, die aussortiert wurden, als sie das letzte Mal das Schloss verließen, doch er fürchtete das Schlimmste. Ein schemenhafter Gedanke an Lily schoss durch seinen Kopf und er wagte es nicht sich ihr Schicksal auszumalen.

    Die Zeit auf dem Anwesen vertrieben sich Severus und Lucius auf vielfältige Art und Weise. Sie spazierten oft über die Ländereien und redeten dabei über alles Mögliche. Diese Ausflüge taten Severus’ Gemüt sehr gut. Er war weniger launisch, als in den vorangegangen Stunden.

    Zumindest bis sie sich in einen Teil des nahe gelegenen Waldes verirrten, der Abseits der Wege lag und einen Schleichweg in das Anwesen darstellte. Die Mauern hörten irgendwann einfach auf. Moosbewachsen und halb fertig standen sie zwischen den Bäumen, als hätten die Erbauer ihre Arbeit an ihnen nie fertig gestellt. Ein schmaler, ehemaliger Trampelpfad, der bereits wieder von diversen Gräsern überwuchert wurde, führte tiefer in den Wald.

    „Willst du da etwa rein?“, fragte Lucius schockiert, als sich sein Freund der alten, unfertigen Mauer nährte.

    „Warum nicht?“

    „Dieser Abschnitt ist verflucht.“

    „Inwiefern?“, fragte Severus.

    „Immer wenn unsere Familie im laufe der Jahrhunderte versucht hat die Mauer in diesem Waldabschnitt zu vollenden kamen irgendwelche Monster aus dem Wald. Laut einer Sage leben da drin sogar Trolle. Sie sollen viele Arbeiter gefressen haben.“

    „Wenn das so ist, dann war in letzter Zeit jemand ziemlich mutig.“ Severus deutete auf den Trampelpfad.

    Der Boden war von vielen Fußpaaren aufgewühlt und das Gras zertreten worden.

    „Das könnten die Flüchtlinge gewesen sein, die Greed hinrichten ließ.“, mutmaßte Lucius.

    Severus beugte sich hinab und betrachtete die Fußspuren genauer.

    „Nein, das sind Abdrücke von Armeestiefel.“

    „Woher willst du das wissen?“, argwöhnte Lucius.

    „Ich hatte im letzten Jahr genug Todesser um mich herum, um ihre Spuren zu erkennen. Mich würde interessieren, was die da drin gemacht haben.“

    „Das ist doch egal. Komm schon, lass uns verschwinden!“, beschwor Lucius ihn.

    Severus jedoch machte keine Anstalten dem Wunsch seines Freundes nachzukommen. Stattdessen folgte er Zielstrebig den Spuren der Soldaten. Fluchend stiefelte sein Kumpan ihm hinterher.

    Die Stiefelabdrücke führten sie Tief in den Wald hinein und endeten in einer kleinen Lichtung. Der Anblick, der sich Severus und Lucius hier bot war kaum in Worte zu fassen. Hier lagen fast ein Dutzend nackter, lebloser Körper. Einige waren von Tieren angefressen worden. Dreck und Blut vermengten sich auf der Haut von Greeds Opfern und der Gestank von Verwesung hing in der Luft.

    „Lass uns abhauen!“, sagte Lucius mit zittriger Stimme. „Bitte, Severus!“

    Doch er konnte sich nicht von dem schrecklichen Anblick losreißen. Die Spuren von Folter und einem langsamen, qualvollen Tod zeichneten sich auf den Leichen deutlich ab.

    „Warum haben die sie nicht einfach ungebracht?“

    Severus’ Stimme war leer. Keine Abscheu, keinen Ekel, keinerlei Mitleid empfand er für diese Menschen.

    „Sev!“ Lucius zupfte ihn energisch am Ärmel seines Pullovers. „Komm schon!“

    Nur mühsam gelang es Severus sich von diesem Schlachthof abzuwenden und zusammen mit seinem Freund den Wald zu verlassen. Währendessen sprachen sie kaum ein Wort miteinander.

    Er hatte Greeds Worte an jenem Abend deutlich gehört. Der General hatte seinen Männern bloß befohlen die Muggelstämmigen hinzurichten, aber warum konnten sie diese dann nicht einfach mit dem Avada Kedavra töten?

    Warum mussten sie diese Leute vor ihrem Tod noch so erniedrigen und foltern? Greeds Todesser schienen kaum besser als ihr Meister zu sein. Diesen Schweinen machte es Spaß andere Menschen zu quälen. Sadisten waren sie allesamt!

    Severus und Lucius erwähnten niemandem gegenüber ihre grausige Entdeckung. Es gab Dinge über die man sich besser ausschwieg.

    Am Morgen ihrer Abreise nach Hogwarts wurden die beiden Jungen von einem der Diener geweckt.

    „Sir? Es ist Zeit sich zu erheben.“, sagte der Mann an der Türschwelle und verzog sich wieder schnell.

    Es schien fast so, als wollte der Hausangestellte nicht länger als nötig in der Nähe der Mitglieder der Familie Malfoy verweilen.

    Lucius saß bereits aufrecht, aber alles andere als munter, in seinem Bett. Severus hingegen schlief noch tief und fest. Erst ein kräftiger Schubs seines Freundes erweckte ihn aus seinem Koma. Daraufhin zogen sich die beiden schweigend an und wuschen sich im Badezimmer. Ach was, Badezimmer!? Vielmehr handelte es sich um eine Art prunkvolle Schwimmhalle.

    Wenig später gab es das Frühstück (oder doch eher Buffet?) in dem Salon im Erdgeschoss. Und prompt fiel Severus wieder ein, was ihn an den Besuchen bei Lucius schon immer gestört hatte: Nichts hier hatte normale Ausmaße! Alles hier hatte pompöse Dimensionen. Ein Wunder eigentlich, dass Lucius dieser Größenwahn kaum anzumerken war.

    Severus würde es nie verstehen, wie man sich wie man sich freiwillig bedienen lassen konnte. Ihm bereitete es schon manches Mal Probleme in einem Restaurant auf sein Essen zu warten, ohne von dem Impuls gepackt zu werden, einfach in die Küche zu spazieren und zu fragen, ob er helfen könne.

    Bei Lucius’ Eltern wäre dieses Unterfangen freilich mit Selbstmord gleichzusetzen gewesen. Auch, wenn man es seiner Mutter Julien weniger anmerkte als Abraxas waren sie beide völlig von der Bedeutung der strengen Einhaltung der Reinblutetikette überzeugt. Severus versuchte sich in der Gegenwart der beiden familiären Autoritäten möglichst etikettennah zu verhalten – was natürlich einer Unmöglichkeit gleichkam.

    Nach dem Frühstück wurden Severus und Lucius mit ungeahnter Diskretion von Julien, Abraxas und ungefähr acht Leibwächtern per Portschlüssel nach Kings Cross gebracht.

    Am Gleis war das übliche hektische Gedrängel. Schüler verabschiedeten sich von ihren Eltern und umgekehrt. Zwischen ihnen waren Observatoren auszumachen, die alle Neuankömmlinge kontrollierten. Als sie die Malfoys entdeckten sahen sie jedoch auch von einer Kontrolle ab. Nicht einmal Severus Ausweis wollten sie sehen, obwohl er offensichtlich nicht zu ihnen gehörte. Anscheinend reichte ihnen Abraxas Autorität als Beweis, dass sie keinen von ihnen überprüfen mussten.

    Sie drängten sich durch die Menge und blieben vor dem Wagon stehen. Lucius wurde abrupt von seiner Mutter umarmt.

    „Mutter, bitte! Nicht vor der ganzen Schule!“, wehrte sich ihr Sohn gegen sie.

    „Es war ein interessantes Vergnügen Sie einmal mehr in meinem Haus beherbergt zu haben, Mr Snape.“ Abraxs gab ihm die Hand. Severus ergriff und schüttelte sie.

    „Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite, Sir.“, log er, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

    Nachdem sich Lucius aus der Umarmung seiner Mutter befreit und seine Eltern verabschiedet hatte stiegen sie in den Hogwarts-Express. Sie suchten sich ein freies Abteil und verstauten ihr Gepäck.

    „Freust dich auf die Schule?“, fragte Lucius.

    Die Frage war nicht ernst gemeint, sondern sollte vielmehr die Stille bekämpfen.

    „Mit Greed als Schulleiter? Immer doch!“, antwortete Severus.

    Er machte sich auf der Sitzbank breit und legte die Füße hoch.

    „Denkst du, dass es schlimmer wird? Ich meine … der Krieg ist vorbei. Vielleicht ziehen sie Greed ab.“, sagte Lucius.

    „Das glaubst du doch nicht im Ernst?“ Severus konnte sich einen gewissen Spott in der Stimme nicht verkneifen. „Greed ist aufs Quälen aus. Und wo könnte er seinem Hobby besser nachgehen, als in einer Schule!“

    Lucius antwortete nicht darauf, sondern sah schweigend aus dem Fenster.

    „Worüber machst du dir Sorgen?“, fragte Severus nach einigen Augenblicken.

    „Ich habe gehört wie Vater und der General über eine so genannte Umstrukturierung sprachen.“

    Severus versetzte es einen Stich in den Rippen. Er musste an Lily und die anderen Muggelstämmigen denken. Wenn die Todesser von Umstrukturierung sprachen, dann konnte das nichts Gutes bedeuten.

    Plötzlich klopfte es an der Abteiltür. Regulus stand auf der Schwelle und wank ihnen schüchtern zu. Er trug bereits seine Schuluniform und hatte sich seinen Slytherinschal um die Schultern gelegt.

    Mitten im Sommer? Der Junge ist mutiger als er aussieht!

    „Darf ich mich zu euch setzen?“

    Severus sah zu Lucius. Am liebsten hätte er den jüngsten Spross der Blacks wohl abgewimmelt und auch Severus verspürte diesen Impuls.

    „Komm rein.“, sagte Lucius schließlich, der dem Anstand Vorzug gab. Regulus legte ein freudiges Grinsen auf und gesellte sich zu ihnen.

    „Freut ihr euch auf Hogwarts?“, fragte Regulus.

    „Hmm-Hmm.“, machten Severus und Lucius synchron.

    Unendliche Begeisterung schwang dabei in ihrer Stimme mit.

    „Ist dir nicht etwas warm?“, fragte Lucius.

    „Hä? Ach so, wegen dem Schal. Nein, nein, ich habe heute Früh nur mit Sirius gestritten, dass Slytherin dieses Jahr das Rennen im Qudditschfinale macht.“

    Quidditsch! Hat der Junge denn sonst keine Probleme?

    Sie schwiegen während Regulus die halbe Fahrt damit verbrachte über eines seiner Lieblingsthemen zu reden: Quidditsch. In dieser Beziehung war er genauso fanatisch wie sein flohverpesteter, älterer Bruder.

    „Wen haben wir denn hier?“, unterbrach plötzlich eine arrogante Stimme den eher zwanghaften Plausch der Jungen.

    Wenn man aber auch vom Teufel spricht!

    James Potter und Sirius Black standen in der Abteiltür.

    „Reg, was machst du denn bei denen?“, fragte Sirius seinen Bruder ungehalten.

    „Das geht dich nichts an!“, entgegnete dieser giftig.

    „Wo habt ihr denn eure haarigen Freunde gelassen?“, stichelte Severus.

    „Ach, fick dich doch, Snape!“, rief James.

    Seltsamer Weise schwangen Wut und Angst in seiner Stimme mit.

    „Hier? Vor allen Leuten? Nein, ich denke nicht, Potter.“

    „Was wollt ihr?“, fragte Lucius ruhig. „Wenn ihr eins auf’s Maul wollt, dann werden das wohl Severus und Regulus übernehmen müssen. Ich bin nicht in Stimmung.“

    „Ihr seid so gut wie tot, wenn wir in Hogwarts sind. Ich werde dafür sorgen.“, entgegnete James voller Bösartigkeit.

    „Sirius, was ist los?“, sagte Regulus, der sich offenbar plötzlich um seinen Bruder und dessen Busenfreund sorgte. „Wovon spricht der da?“

    „Von nichts, Reg.“, sagte Sirius, doch man sah die Lüge in seinen Augen. „Mach dir keine Sorgen.“

    Sirius packte James am Arm und zog ihn in den Gang, woraufhin die beiden anfingen erbittert zu streiten.

    Severus bekam jedoch nicht mit worüber, da die geschlossene Tür ihre gegenseitigen Beschimpfungen dämpfte. Allerdings hatte er eine Ahnung davon, warum sich Potter, selbst für seine Verhältnisse, so daneben benahm.

    Es war nicht der alte Hass, den Severus in ihm gespürt hatte. Es ging nicht um ihre ewige Fehde, sondern dieses Mal war es wesentlich persönlicher. Potter dachte, genauso wie Lily, dass Severus ein stolzer Verfechter der Todesser sei. Und nun hatten Greed und seine Wachhunde Lily zusammen mit unzähligen, anderen Muggelstämmigen geschnappt.

    Lily, die James liebte.

    Lily, die Severus aufgegeben hatte.

    Doch anders, als Potter annahm, war es nie sein Wunsch gewesen, dass ihr etwas zustieß.

    „Die sind heute wohl nicht ganz klar?“, meinte Regulus.

    Der junge Black versuchte abermals witzig zu sein, doch Severus war nicht nach Lachen zumute. Lucius und Regulus machten sich keine weiteren Gedanken über das Verhalten der beiden Gryffindors und sprachen die verbleibende Zugfahrt über Quidditsch und das bevorstehende Schuljahr. Severus hörte ihnen nicht zu.

    Seine Gedanken kreisten um Lily. Wusste Potter etwas Genaueres über ihr Schicksal? Diese Möglichkeit bestand durchaus. Was auch immer ihr in den Fängen Greeds widerfahren war hätte sie an James weiterleiten können. Es gab viele Wege eine Botschaft zu übermitteln. Und Severus hielt seine ehemalige Freundin für intelligent genug, dass sie diese Wege kannte. Auch ohne Eule oder Zauberstab hätte sie Kontakt zur Außenwelt aufnehmen können. Hinzu kam, dass jedes System seine Lücken hatte. Selbst in so einer straff organisierten Armee, wie der von Greed, musste es Schleichwege geben.

    Er dachte die ganze Fahrt darüber nach, doch würde er die tatsächliche Lage wohl erst vor Ort erkennen können.

    Mit quietschenden Rädern kam der Hogwarts-Express im Bahnhof von Hogsmead zum stehen. Das kleine Magierdorf wirkte düsterer denn je. Lärmend strömten die Schüler aus den Waggons auf den Bahnsteig. Auf diesem wartete bereits ein Offizier der Todesser, der von Professor Slughorn begleitet wurde. Der Offizier war noch sehr jung, vielleicht um die Fünfundzwanzig. Sein Gesicht wirkte müde und erschöpft. In seinem Gesicht zeichneten sich die Narben zahlreicher Kämpfe ab und seinen Bart hatte er schon länger nicht mehr rasiert.

    „Hallo und Willkommen.“, sagte die magisch verstärkte Stimme des Offiziers.

    Auf dem Bahnhof kehrte sofort Ruhe ein. Die Augen der Schüler ruhten gespannt auf dem Todesser.

    „Ich bin Major Victor Graysmith und euer begleitender Offizier in diesem Jahr. Das heißt, wenn ihr Probleme oder Fragen habt, dann kommt zu mir, da der Schulleiter mit dringlicheren Angelegenheiten beschäftigt ist.“

    Severus überraschte die angenehme, sanfte Stimme des Mannes, ebenso wie der duzende Plauderton, den er anschlug.

    „Proffessor Slughorn wird die Erstklässler begleiten, während ich die restlichen Klassen bitte sich mir anzuschließen.“

    Schweigend folgten die Schüler den ihnen zugewiesenen Personen. Keiner wagte es etwas zu sagen. Zu viel Scheu hatten sie vor dem Offizier und seinen Untergebenen. Niemand wusste in wessen Händen sie sich befanden. War Graysmith nur der verlängerte Arm Greeds? Der Bote, der den Schulleiter über Beschwerden und Gesuche auf dem Laufenden halten sollte, während dieser mit seiner mörderischen Maschinerie beschäftigt war?

    Graysmith schwieg ebenso eisern, wie die ihm folgenden Schüler. Es war nicht das militärisch antrainierte Schweigen, das viele der anderen Todesser zeigten. Vielmehr schien er es von sich aus zu tun. Er wollte keine Worte an sie wenden – noch nicht.

    Als sie sich dem Schloss nährten bemerkten sie rasch die Veränderungen, die sich über die Sommerferien hier zugetragen hatten. Die Todesser hatten mehrere Verteidigungslinien errichtet. Sie hatten Wälle hochgezogen und Schützengräben ausgehoben.

    Severus fragte sich wovor sich Greed so fürchtete. Warum baute er das Schloss zu einer militärischen Festung aus, wenn der Krieg vorbei war?

    Na ja, zumindest sollten das die Leute glauben. Offiziell gab es schon seit Monaten keinen Widerstand mehr. Inoffiziell schien das jedoch ganz anders auszusehen.
    Ihr Weg führte sie direkt durch die Befestigungen. Die Todesser auf ihren Wachposten sahen gelangweilt auf die, an ihnen vorüber ziehenden, Schüler hinab.

    Schließlich erreichten sie die Tore, welche bereits für die Neuankömmlinge geöffnet wurden.

    „Hier muss ich euch verlassen.“, sagte Graysmith, kaum, dass sie das Eichenportal der Großen Halle erreicht hatten. „Ich schätze, ihr wisst zu welchem Haus ihr gehört und wo ihr sitzt. Wir sehen uns zur Aufnahmezeremonie.“

    Wieder sprach er mit ihnen, wie mit guten Freunden.

    Severus fand das höchst seltsam – zumindest für einen Todesser.

    Ohne Einwände gingen alle Schüler in die Große Halle und setzten sich an die vier Haustische. Severus ließ sich wie immer neben Lucius nieder. Er sah zum Lehrertisch.

    Maximus Greed saß auf dem Stuhl des Schulleiters und ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. Zu seiner Rechten war ein Platz frei und erst einen Stuhl weiter saß Professor McGonagall. Normalerweise saß der stellvertretende Schulleiter zur Rechten des Direktors. Demzufolge hatte man die Hauslehrerin von Gryffindor ihres Amtes enthoben. Die anderen Lehrer saßen auf ihren gewohnten Plätzen.

    Es verging fast eine halbe Stunde bis sich das große Eichenportal ein weiteres Mal öffnete und die kommenden Erstklässler, angeführt von Graysmith, die Halle betraten. Der Offizier führte zu jenem dreibeinigen Stuhl auf dem schon Generationen von Hogwartsschülern gesessen hatten. Zu Severus’ großer Überraschung hatte Greed den Sprechenden Hut und die mit ihm verbundene Hauseinteilung nicht aufgehoben.

    „Ich werde jetzt eure Namen vorlesen. Wenn ich euch aufrufe kommt ihr her und setzt euch auf den Stuhl.“, sagte Graysmith.

    Und doch war etwas anders. Der Hut durfte sein traditionelles Eröffnungslied nicht mehr vortragen. Sicher hätte der Hut einiges über Greed und die Todesser zu sagen gehabt. Dass der Hut dennoch schwieg war entweder einem Bann oder – was Severus eher vermutete – Greeds Überredungskünsten zu verdanken.

    Der Hut war im Grunde nichts anderes als ein einfacher Gegenstand, dem man per Magie Leben und eine Persönlichkeit eingehaucht hatte. Das gab es oft in der Magischen Welt. Auch in Hogwarts hatten derartige Gegenstände Tradition. Severus erinnerte sich mit Grauen an die verzauberten Wasserspeier des Schlosses. Von denen gab es nicht viele, doch wer ihnen schon einmal über den Weg gelaufen war hasste sie zutiefst. Die Wasserspeier machten sich immer einen Spaß daraus Fäkalsprüche über die Schüler in Versen vorzutragen.

    Der Poltergeist Peeves schien das Ganze als besonderes Event zu betrachten. Manchmal hatte Severus die Vermutung, dass Peeves zu Lebzeiten der Urheber der sprechenden Wasserspeier war. Die Statuen hatten einfach zu viel von Peeves schelmischen Geistes in sich.

    Der Hut hingegen war da ein wesentlich geruhsamerer Genosse. Ein sehr selbstbewusster Hut, das konnte Severus mit Sicherheit sagen. Doch all diese verzauberten Gegenstände hatten durch die Übertragung der Persönlichkeit ihrer Schöpfer auch deren Selbsterhaltungstrieb geerbt. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte Greed dem Hut gedroht ihn zu verbrennen, sollte er ein zweideutiges Lied über die derzeitige Lage anstimmen wollen. Also beschränkte sich der Hut mit spürbarem Missmut auf seine Haupttätigkeit: Die Einteilung der neuen Schüler in die Häuser von Hogwarts.

    Nachdem die Erstklässler mit tobendem Applaus in ihren Häusern aufgenommen wurden erhob sich Greed, um seine Eröffnungsrede zu halten. Severus hörte gar nicht erst auf die faschistische Scheiße, die der General da wieder einmal von sich gab. Stattdessen beobachtete er Graysmith. Der Offizier entfernte mit einem Wink seines Zauberstabs Stuhl und Hut aus der Halle und setzte sich schließlich auf den freien Platz neben Greed. Er war also der neue Stellvertreter. Wahrscheinlich hatte sich die gute McGonagall zu sehr in Greeds Entscheidungen eingemischt, weshalb er den Posten nun mit einen seiner Männer besetzt hatte.

    Es erschien Severus sehr seltsam, dass dieser Mann an der Seite des Schulleiters saß, denn er hatte offenbar nicht dessen unbedingtes Verlangen nach Autorität inne.
    Was auch immer in den nächsten Monaten geschehen würde, Severus würde Graysmith nicht aus den Augen lassen. Etwas gefiel ihm gar nicht an diesem Kerl. Er wusste bloß noch nicht, was es war.

    Als sich die Slytherins am späten Abend ins Bett begaben konnte Severus seine Neugierde gegenüber Lucius nicht mehr zurück halten. Sie hatten während der Feier kaum ein Wort gewechselt, doch nun quoll es förmlich aus ihnen heraus.

    „Was hältst du von diesem Graysmith?“, fragte Severus, während er sich auszog.

    „Komischer Kauz.“, meinte Lucius. „Und ziemlich jung für seinen Posten.“

    „Ich schätze es ist nicht sonderlich schwer in der Armee Major zu werden.“

    „Warum?“, fragte Lucius verdutzt.

    „Du weißt nicht, wie hoch sein Bodycount ist.“

    „Die befördern einen sicher nicht ausschließlich nach Abschüssen.“, sagte Lucius.

    „Da würde ich mich aber nicht drauf verlassen.“ Severus schlüpfte unter seine Decke.

    „Denkst du, er ist schlimmer als Greed?“ Auch Lucius legte sich ins Bett.

    Er nahm seine Brille ab und zog die Decke hoch.

    „Ich schätze, das schafft nur noch Voldemort!“, sagte Severus und bekam diese unbedachten Worte sofort mit Zischlauten und einem, ihn an den Kopf geschmetterten Kissen quittiert.

    „Nicht hier!“, sagte Lucius böse.

    „Ist ja schon gut, dann eben Du-weißt-schon-wer.“

    Sie wussten beide, dass es selbst für Slytherins gefährlich war den Dunklen Lord beim Namen zu nennen. Es war in den Kriegsjahren zum Markenzeichen des Phönixordens geworden ihren Gegner nicht durch ein Pseudonym zu mystifizieren. Aus irgendeinem Grund hatte Severus es sich angewöhnt den Namen zu sagen. Vielleicht lag es daran, dass seine Mutter ihn auch immer gesagt hatte. Sie hatte ihn gesagt und jetzt war sie tot …
    Nein, diesen Zusammenhang durfte er auf gar keinen Fall herstellen – oder doch?

    Du hast nie herausgefunden, warum sie ermordet wurde. Vielleicht war sie im Orden? Denk nach! Warum hat sich Dumbledore immer so um dich gesorgt?

    Das ist doch völliger Quatsch! Sie war NIE im Orden.

    Woher weißt du das so genau? Weil Tobias es nicht mitgekriegt hat? Komm schon, der war doch manchmal so blau, dass er nicht einmal mitkriegte, wenn er neben das Klo kotzte …

    Severus ließ sich diese Theorie durch den Kopf gehen. Es war nicht unmöglich, aber, ehrlich gesagt, glaubte er nicht daran. Seine Mutter war nicht im Orden und Dumbledore war nur so sorgsam, weil er einen seiner begabtesten Schüler nicht verlieren wollte. Punkt! Aus! Ende! Schluss! Finito! Genug der wilden Theorien!

    Severus drehte sich auf die Seite und schloss die Augen – doch dieser verfluchte Gedanke wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen und verfolgte ihn noch in seinen Träumen.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 26: Ein unerwarteter Verbündeter

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:46

    Kaum, dass die ersten Sonnenstrahlen den Boden berührten erwachte auch Severus Snape aus seinem unruhigen Schlaf. Die absurde Theorie, die sein Kopf am Vorabend ausgebrütet hatte, und die Sorge um Lily ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.

    Leise zog er sich an und schlich sich aus dem Jungenschlafsaal. Im Gemeinschaftsraum war niemand auszumachen. Er wollte gerade den Weg ins Schloss einschlagen, als ihm etwas Seltsames auffiel. Leonidas saß auf dem Kaminsims und hatte einen Brief im Schnabel. Hastig nahm er seiner Hauseule die Nachricht ab. Er entfaltete den Brief und las ihn.

    Hallo Severus,
    ich weiß nicht, ob du diesen Brief erhalten wirst, aber ich hoffe es, da am Montag dein erster Schultag ist. Ich möchte mich für das Entschuldigen, was vorgefallen ist. Es tut mir aufrichtig leid und ich wollte nicht, dass du gehst.

    Ich weiß, dass die Situation kompliziert ist und du mich für das hasst, was ich getan habe. Ich möchte dir versichern, dass ich nur dein Bestes wollte. Jedoch bin ich mir mittlerweile im Klaren, dass ich wohl den falschen Weg eingeschlagen habe, um dir das zu zeigen.
    Ich wünsche mir nichts mehr, als das du mir vergibst – für alles.

    Ich weiß, dass es zu spät ist, um noch etwas rückgängig zu machen. Ich weiß auch, dass du da draußen ein völlig anderes Leben lebst.
    Obwohl ich dein Vater bin kann ich dir nicht befehlen nach Hause zurück zu kommen, aber ich möchte dich darum bitten, denn ich liebe dich. Und ich will dich nicht so verlieren wie ich deine Mutter verloren habe.

    In Liebe,
    dein Vater Tobias

    Severus blickte einige Augenblicke schweigend auf das Papier, knüllte es schließlich zusammen und warf es ins Feuer. Er wollte ihm nicht verzeihen, egal wie viel er seinem Vater auch bedeutete. Er konnte ihm nicht verzeihen.

    Severus nahm Leonidas und trug ihn hinaus. Die alte Eule ließ es sich nervös uhuend gefallen. Er ging in einen der oberen Flure und setzte den Vogel aufs Fensterbrett.
    „Sei nicht böse, aber es muss so sein. Flieg nach Hause und komm nie wieder.“, sagte Severus leise zu Leonidas, öffnete das Fenster und entließ ihn in die Freiheit. Er sah ihm nach, wie er gen Horizont davonflog. Ein jäher Anfall von Wut überkam ihn und er trat mit dem Fuß gegen die Wand.

    „Verficktes Arschloch!“ Er stemmte sich mit den Händen gegen das Fensterbrett und schüttelte den Kopf.

    „Das kannst du laut sagen!“, rief plötzlich jemand hinter ihm.

    Severus wirbelte herum und sah sich James Potter und Sirius Black gegenüber. Die Beiden warfen ihm höchst feindselige Blicke zu.

    „Ich sagte doch, dass wir uns wieder sehen werden.“, sagte James. „Ich bring dich um.“

    „Dürfte ich vorher noch erfahren wofür?“, fragte Severus und versuchte dabei lässig zu klingen.

    Langsam tasteten sich seine Finger zu seinen Hosentaschen vor und …
    Verflucht, wo war sein Zauberstab? Hatte er ihn etwa im Jungenschlafsaal vergessen? Oh, wie peinlich!

    „Wegen Leuten wie dir haben sie sich Lily geschnappt!“

    James packte ihn am Kragen.

    „VERFLUCHTER, SCHEISS TODESSER!“

    Die Faust des Gryffindors krachte ihm ins Gesicht. Und gleich daraufhin noch einmal. Severus’ Nase knackte fürchterlich und Blut spritzte aus ihr. Der Schmerz lähmte ihn und als Potter ihn losließ rutschte er mit weichen Knien an der Wand hinab. Severus griff mit der Hand an seine Nase und betrachtete geistesabwesend das Blut, das sich auf seiner Handfläche sammelte.

    „Seid ihr euch so sicher, den Richtigen zur Rechenschaft zu ziehen?“

    Severus begann leise zu lachen. Der Schmerz und das Blut waren jetzt unwesentlich.

    Als Antwort auf seine Frage erntete er einen Fußtritt Potters.

    „DU SCHWEIN!“ James packte ihn und zog seinen Zauberstab.

    „NEIN!“, schrie Sirius plötzlich.

    Es war seine er erste Reaktion seit ihrem gemeinsamen Auftauchen.

    „Tu das nicht!“

    „WAS?“

    James wandte sich nun mit einer Mischung aus Enttäuschung und Ungläubigkeit an seinen Freund.

    „Damit kommst du niemals durch.“

    „Verdammt, Tatze, du hast gesagt, du würdest mir helfen ihn kalt zu machen! Das Schwein hat es verdient!“

    „Dafür werden sie uns beide umbringen, wenn nicht gar Schlimmeres!“

    Black war ungewöhnlich nervös. Er schien die Nerven zu verlieren.

    Während die beiden ihre Grundsatzdiskussion abhielten spürte Severus wie ihm das Blut in den Rachen lief und bei ihm einen Brechreiz hervorrief. Schließlich ballte er seine blutige Hand zu einer Faust und donnerte sie Potter gegen die Schläfe. Der Gryffindor fiel zur Seite und ließ dabei seinen Zauberstab fallen. Severus sprang auf und krallte sich den fremden Zauberstab.

    „LEVICORPUS!“

    Der Zauber traf Black und schleuderte ihn gegen die nächste Wand, wo er augenblicklich zusammenbrach. Severus trat James in die Magengrube.

    „Du bist hier das Schwein, nicht ich!“, sagte er. „Und ich bin dir keinerlei Rechenschaft schuldig.“

    Severus warf Potters Zauberstab zu Boden und ging davon. Dieser Idiot und sein Freund wussten doch gar nicht, auf wen sie eigentlich Wut hatten. Sie brauchten nur jemanden, den sie verantwortlich machen konnten. Und wer würde sich da besser eigenen als der stinkende Schnifulus?

    Severus bog ins nächste Klo ein und wusch sich das Blut ab. Seine Nase schmerzte noch, blutete aber wenigstens nicht mehr.

    Er dachte genauso an Lily wie diese gryffindorischen Mistköter! Er wusste, dass er sie finden musste, obwohl sich das schwierig, wenn nicht gar gefährlich, gestalten würde.

    Severus verließ das Klo und ging zurück in den Gemeinschaftsraum der Slytherins.

    „Was ist denn mit dir passiert?“, entfuhr es Lucius, der gerade aus den Waschräumen kam.

    „Ich hatte eine Begegnung mit der dritten Art.“, sagte Severus.

    Lucius jedoch verstand nur Bahnhof.

    „Black und Potter.“, sagte er, um seinem Freund auf die Sprünge zu helfen.

    „Haben die dich so zugerichtet?“

    Der ist heute aber ganz schnell, was?

    „Was denkst du denn?“ Es kam ihm aggressiver über die Lippen als beabsichtigt.

    „Schon gut, du musst nicht gleich wieder durchdrehen!“, sagte Lucius. „Willst du es Slughorn melden?“

    „Das ist was Persönliches.“, sagte Severus und fing einen Blick des absoluten Unverständnisses auf. „Persönlicher als sonst.“

    „Aber …“

    „Nein, das ist meine Sache, klar? Das geht weder Slughorn noch sonstjemanden etwas an.“, sagte Severus.

    „Ist ja gut!“ Lucius schien die plötzliche Strenge seines Freundes zu irritieren.

    Severus ging an ihm vorbei, zurück und den Jungenschlafsaal. Und es war wie er vermutet hatte! Da lag er! Sein Zauberstab! Auf dem Nachttisch! Bereit zum zuschlagen! Und das würde er. Wenn nicht gegen Potter und seine Lakaien, dann gegen die Todesser.

    Er steckte ihn in seine Hosentasche und verließ den Gemeinschaftsraum ungeachtet der verwirrten und neugierigen Blicke seiner Mitschüler. Severus’ Weg führte ihn auf die Mauern von Hogwarts. Von hier aus konnte man die Verteidigungsanlagen der Todesser am Besten überblicken. Den gesamten Vormittag verbrachte er damit die Schlossmauer abzulaufen und sich den Aufbau der Anlage zu verinnerlichen. Gräben, Wälle, Pfähle – Greed hatte das Schloss von allen Seiten gegen einen Frontalangriff gesichert. Die auf den Zinnen postierten Späher würden bei dem kleinsten Anzeichen von Ärger Alarm schlagen und dann würden einige hundert Todesser innerhalb von Minuten ihre Posten besetzen.

    Hogwarts war eine uneinnehmbare Festung. Sollte Dumbledore das Schloss je zurückfordern, dann würde es in einem Gemetzel enden. Severus musste kein General sein, um das zu wissen. Es war eher eine Frage der Logik.

    Doch entdeckte er nichts, was auf ein Gefangenenlager hinwies. Wo hatten sie bloß die Muggelstämmigen hingebracht? Vielleicht nach Askaban? Das war gutmöglich. Getötet? Das war noch viel wahrscheinlicher.
    Resigniert ließ er sich an der Mauer hinabsinken.
    War sie so gestorben? Wie diese armen Schweine in Malfoy Manor?

    Wo bist du? , fragte er sich verzweifelt.

    Wohl wissend, dass nicht die Liebe ihn trieb, sondern die Verantwortung. Sie hatten sich unter furchtbaren Worten voneinander getrennt. Er wusste, dass er das nie wieder gut machen konnte, doch war Lily über fünf Jahre seine beste Freundin gewesen. Er hatte sie anders geliebt als Jennifer, dennoch hatte er sie geliebt. Und er konnte sie nicht einfach im stich lassen. Er wollte sie nicht einfach sterben lassen!

    „Was machst du hier?“, riss ihn plötzlich eine grobe Stimme aus den Gedanken.

    Severus sah auf. Neben ihm stand ein Todesser. Er gehörte zu den Wachen, die das Schloss sicherten. Das sah Severus sofort, denn die Schlosswächter waren leichter bewaffnet und trugen eine einfache, schwarze Robe, die ihre Unformen und Waffen überdeckte. Anders als für die Todesser draußen, vor dem Schloss, war in ihrem Dienstplan keine Schlacht vorgesehen.

    „Ich mache nur einen Spaziergang.“, sagte Severus.

    „Schön, aber dann such’ dir eine andere Route. Die Mauern sind kein Ort für Schüler.“

    „Wie Sie meinen.“ Severus erhob sich.

    „Du siehst aus, als hättest du dich geprügelt.“, bemerkte der Todesser.

    „Kennen Sie die verschwindenden Treppenstufen im Schloss? Bin doch tatsächlich in eine reingelatscht und habe mir was aufgeschlagen.“

    „Hmm.“, machte der Todesser. „Dann geh wenigstens in den Krankenflügel. Ich will nicht daran schuld sein, wenn du dir was zugezogen hast.“

    „Ja, Sir.“, sagte Severus und ging in Richtung des Krankenflügels davon.

    Als er schließlich dort ankam und die entsetzten Blicke von Madam Pomfrey auffing tischte er ihr ebenfalls die Treppengeschichte auf.

    „Wo geraten Sie da bloß ständig rein?“, sagte sie, während sie seine gebrochene Nase in Augenschein nahm.

    „Ich bin mit dem falschen Bein aufgestanden.“, sagte Severus und wusste, dass da durchaus was dran war.

    „Was Sie nicht sagen.“

    Pomfrey drückte ihm einen Becher mit Skelewachs in die Hand. Er kippte den Inhalt auf Ex hinunter, um möglichst wenig von diesem widerlichen Zeug zu schmecken.

    „Und kommen Sie mir dieses Schuljahr ja nicht wieder!“

    „Man soll nichts versprechen, was man nicht auch halten kann.“, gab Severus zu bedenken.

    Dafür erntete er einen Blick der Marke „Superstreng“ und zuckte entschuldigend mit den Schultern.

    Severus verabschiedete sich von der Krankenschwester und ging an diesem Tag nun schon das dritte Mal innerhalb weniger Stunden zurück in den Jungenschlaafsaal, wo er sich saubere Sachen anzog.
    Ob das einfach nicht sein Tag war?

    „Alles klar bei dir?“, fragte Regulus als Severus den Gemeinschaftsraum wieder betrat.

    „Ja, wieso?“ Er ließ sich in einen Sessel fallen.

    „Du siehst nur so gestresst aus.“

    Ach was?! Mir wurde die nur Nase gebrochen, ich habe mich vor Potter blamiert und bin den halben Tag auf der verdammten Schlossmauer herumgerannt! Pah, ich seh’ doch nicht gestresst aus!

    „Wirklich? Woher das bloß kommen mag?“, meinte Severus, ohne sich die geringste Mühe zu geben den beißenden Sarkasmus zu unterdrücken.

    „Ach ja, ich soll dir das hier geben.“, sagte Regulus und drückte ihm einen Zettel in die Hand. „Ist von diesem Graysmith. Das hat er allen Siebentklässlern ausgeteilt. Er meinte ich sollte ihn an dich weitergeben.“

    Es reichte ein Blick auf das Papier, um zu wissen, um was es sich handelte. Das war das Einzugsschreiben der Armee. Sie würden ihn kurz vor den Prüfungen der Musterung unterziehen.

    Er sah zu Regulus und es widerte ihn an, was er sah. Der Junge freute sich wie ein Schneekönig! Der kleine Black hätte sich wohl am Liebsten jetzt schon mustern lassen. Und das hätte er wirklich tun können. Das Mindestalter für die Armee – oder wie sie sich selbst nannten; das British Magical Marine Corps. – war sechzehn Jahre. Aber wahrscheinlich wollte er erst noch seinen Abschluss machen.

    „Na fein.“, sagte Severus und faltete das Schreiben zusammen.

    „Dann geht es bald los.“, meinte Regulus aufgeregt.

    „Geht dein Bruder zur Armee?“

    Regulus’ Freude erlosch augenblicklich.

    „Er sagte …“ Der junge Black trat näher an ihn heran und senkte die Stimme. „Er sagte, dass er dem Orden beitreten werde. Das ist doch verrückt. Der Orden ist tot. Dumbledore ist weg. Mein Vater hätte ihm am Liebsten bis zu Schulbeginn in den Keller gesperrt.“

    „Dann ist er mutiger, als ich dachte.“, gab Severus zu.

    „Er ist wahnsinnig! Das ist reiner Selbstmord! Ich wette das war Potters Idee.“

    „Könnte sein.“ Severus hielt es nicht für unwahrscheinlich, dass Potter auf derartiges kam.

    „Weißt du, was Sirius dann gemacht hat?“, erzählte Regulus aufgeregt. „Er ist von Daheim abgehauen! Dieser dämliche Vollidiot! Meine Eltern waren außer sich. Sie haben ihn aus unserem Stammbaum gesprengt.“

    Welch vorzügliche Methode mit Abweichlern umzugehen. Man sprengt sie einfach!

    „Gehst du deshalb zur Armee?“, fragte Severus gerade heraus.

    Regulus schwieg jedoch betreten. Da hatte er wohl den Nagel auf dem Kopf getroffen. Wahrscheinlich hatte der Junge sich einfach so lange eingeredet, dass er unbedingt zum Militär wollte bis er es selbst glaubte.

    „Welche Wahl bleibt uns denn?“, fragte Regulus und wurde noch leiser. „Selbst wenn ich nur den Grunddienst absolvieren würde hätten sie das Recht …“

    „… dich für Kriegszwecke erneut einzuziehen. Ich weiß.“, vollendete Severus den Satz. „Ich kannte mal einen Jungen, der wollte aus dem Kreislauf ausbrechen.“

    „Was ist mit ihm passiert?“, fragte Regulus.

    „Nachdem sie ihn halbtot geprügelt haben ist er eines Nachts aus Hogwarts geflohen. Keine Ahnung, ob er das Ganze überlebt hat.“

    „Hast du ihn gekannt?“

    Severus zögerte.

    „Nein.“, sagte er schließlich. „Kaum zumindest. Er war eine Klasse über mir.“

    Severus steckte das Schreiben in seine Hosentasche und beschloss sich das Wochenende über in seinen Büchern zu vergraben.

    Der Schulleiter versammelte am Abend vor dem eigentlichen Schulbeginn die Lehrer von Hogwarts. Sie saßen im Lehrerzimmer und beobachteten Greed aufmerksam. Einzig Minervas Augen huschten immer wieder zu Graysmith. Diesem jungen, engagierten Offizier, der es geschafft hatte sie von ihren Posten zu verdrängen. Allerdings war das nur eine Frage der Zeit gewesen, schließlich hatte sie dem Schulleiter von Anfang an das Leben schwer gemacht. Mit einem treuen Todesser neben sich hatte es dieser Widerling Greed sicher viel einfacher seine Pläne durchzusetzen.

    „Nun, ich freue mich, dass sie alle bei vollster Gesundheit wieder ihren Dienst antreten konnten.“, sagte Greed zur Eröffnung.

    Minerva wusste, dass er es mit keiner Silbe ernst meinte und dazu brauchte sie nicht einmal Legilimentik. Der General machte sich nicht einmal die Mühe ein ordentliches Pokerface aufzusetzen. Für ihn waren sie allesamt Ungeziefer. Das hätte selbst ein Blinder bemerkt.

    „Unseren neuen Kollegen kennen sie ja bereits.“

    Greed deutete auf Graysmith, welcher ihnen freundlich zunickte.

    „Darf ich fragen welches Fach der stellvertretende Direktor unterrichten wird?“, fragte Slughorn.

    „Verteidigung gegen die Dunklen Künste.“, gab Graysmith zurück.

    „W-w-wie bitte?“, quiekte Professor Trademark völlig von der Rolle. „Und was mache ich ab jetzt? Mit Holkery das Klo wischen, oder wie?“

    „Keine schlechte Idee.“, krächze Professor Tayman, der sogleich einen tödlichen Blick von Trademark erntete.

    „Nun, da Sie es erwähnen, Professor …“, sagte Greed freundlich, viel zu freundlich. „Ich sehe mich gezwungen einige Stellen in der Lehrerschaft zu streichen.“

    „S-sie w-wollen mich f-feuern!?“ Trademark erbleichte.

    „Haben Sie irgendein Problem damit?“, fragte Greed.

    „Ob ich …?“

    Minerva warf ihrem Kollegen einen warnenden Blick zu. Der gute Trady war gerade dabei sich sein Grab zu schaufeln.

    „Nein … nein, natürlich nicht, Herr Direktor.“

    „Dann sind wir uns ja einig.“, antwortete Greed kalt. „Des weiterem verfüge ich, dass sich ab jetzt mein Stellvertreter um die Anliegen unserer Schüler und Lehrer kümmert.“

    „Und Sie, Sir?“, fragte Slughorn.

    „Falls es Ihnen entgangen ist, ich habe noch eine Armee und einen Krieg zu führen. Da haben die sicherlich sehr dringenden Anliegen pubertierender Kinder keinen rechten Platz.“

    Minervas größter Wunsch war es diesem Bastard seinen dreckigen Todesserhals umzudrehen, aber sie fürchtete das musste warten.

    „Das wäre soweit alles.“

    Einige Minuten nach diesem Gespräch saßen Horace Slughorn, Minerva McGonagall und Ferdinand Trademark in den privaten Räumlichkeiten der Hauslehrerin von Gryffindor und tranken Tee. Minerva hatte den Raum mit Antispionagebannen belegt und hoffte sie würden halten.

    „Kann man sich das vorstellen?“, zeterte Trademark. „Dieser Mistkerl schmeißt mich raus und setzt an meiner Stelle diesen dämlichen Grünschnabel ein!“

    „Das gehört vermutlich zum Plan.“, sagte Slughorn bitter.

    „Und was habe ich getan, dass er gerade mich rausschmeißt? Ich habe mich stets bedeckt gehalten, was meine persönliche Meinung zu diesem System angeht. Selbst zu Albus’ Zeiten. Minerva hätte er genauso gut feuern können!“, schimpfte Trademark. „Natürlich, nichts gegen Sie, meine Liebe.“, fügte er schnell hinzu.

    „Mich zu feuern wäre gefährlich gewesen. Greed weiß das.“, sagte Minerva. „Wahrscheinlich ahnt er, dass ich selbst nach seiner Enthebung noch mit Albus’ paktiert habe.“

    „Warum hat er uns dann nicht getötet?“, fragte Trademark. „Dieses Schwein hat doch sonst auch alles und jeden umgebracht, bei dem er auch nur den geringsten Verdacht hatte.“

    „Sollte er glauben, dass ich noch Kontakt zum Orden habe, dann denkt Greed vielleicht, dass ich ihn zu Dumbledore führe. Ich bin für ihn im Augenblick lebendig mehr wert als tot.“

    „Hoffen wir, dass Sie sich diesen Zustand erhalten.“, sagte Trademark.

    „Greed wird uns am Ende sowieso alle umbringen.“, sagte Slughorn düster und kippte seinen Tee hinter.

    „Horace … sagen Sie so etwas nicht.“

    Auch Minerva war verzweifelt, doch sie hatte noch Hoffnung diesen Wahnsinn heil zu überstehen.

    „Aber ich sage es!“ Slughorn stellte seine Tasse auf dem Tischchen zwischen ihnen ab. „Der plant doch uns alle auszurangieren. Ferdinand sieht er vielleicht nicht als große Gefahr an und lässt ihn gehen, aber was ist mit uns? Wenn er anfängt uns durch seine Todesser zu ersetzen sind wir tot.“

    Minerva wusste, dass es ab jetzt jeden Tag so weit kommen konnte. Deshalb war es umso wichtiger Greed in dem Glauben zu lassen, dass sie mehr wussten, als es tatsächlich der Fall war. Sollte Greed jedoch der Verdacht beschleichen, dass sie ihn hintergingen oder sie nicht mehr wertvoll für seine Pläne waren, dann hätte Horace Recht: Dann waren sie tot. Dann waren sie alle tot!

    Am Morgen des ersten Schultags herrschte eine wahrhaft gedrückte Stimmung. Eine Atmosphäre in der die alten Feindschaften zwischen den Häusern mehr denn je zu spüren waren. Severus Snape fühlte die Blicke der Gryffindors förmlich im Nacken. Während des Frühstücks sah er zum Tisch ebenjener hinüber und stellte fest, dass mindestens ein Drittel der Schüler fehlten. Unter den Fehlenden war auch Remus Lupin, der Werwolf, an den Black und Potter ihn verfüttern wollten. Wahrscheinlich war er schlau genug gewesen das Weite zu suchen.

    Severus aß in Ruhe auf und versuchte den offenen Hass, der ihm und den anderen Slytherins entgegengebracht wurde zu ignorieren. Als könnten sie irgendetwas dafür, dass die Regierung ihre Verwandten, Bekannten und Freunde verschleppte!

    Schließlich erhob er sich und ging in den Unterricht. In der ersten Stunde stand Verteidigung gegen die Dunklen Künste an. Er ließ sich auf einem einsamen Platz an der Wandreihe nieder.

    „Guten Morgen.“, begrüßte Victor Graysmith die Klasse und schloss die Zimmertür hinter sich.

    Severus und seine Mitschüler blickten den Offizier verwirrt an. Greed hatte in seiner Eröffnungsrede keinen neuen Lehrer erwähnt. Und wo zum Teufel war der gute Trady abgeblieben?

    „Setzt euch.“, sagte er, kaum, dass er am Lehrerpult angekommen war. „Wie ihr seht ist der gute Professor Trademark heute nicht anwesend.“

    „Wieso?“, rief jemand rein.

    „Weil der Direktor die Entlassung des Professors angeordnet hat.“ Durch die Reihen der Gryffindors ging empörtes Gemurmel. „Mehr kann ich euch dazu auch nicht sagen, denn ich habe es auch erst gestern Abend erfahren.“

    Graysmith zog seine Robe aus und hing sie über seinen Stuhl. Darunter trug er überraschender Weise keine Uniform, sondern ein schlichtes, schwarzes Tweedjackett unter welches er wiederum einen braunen Baumwollpullover sowie Hemd und Krawatte gezogen hatte.

    „Ich bin über die Situation mindestens so überrascht wie ihr, deshalb sollten wir versuchen das Beste daraus zu machen.“, sagte Graysmith und setzte sich hinter den Schreibtisch. „Da ich ab jetzt euer Lehrer bin wäre es ganz gut zu wissen bei welchem Thema ihr stehen geblieben seid.“

    „Unverzeihliche Flüche, Sir.“, antwortete ein Ravenclaw in der ersten Reihe prompt.

    „Ah ja.“, machte Graysmith. „Könnt ihr mir sagen, was ihr bereits darüber wisst?“

    Einige Arme hoben sich zögernd in die Luft. Niemand schien wirklich wild darauf zu sein dieses Thema mit einem Todesser durchzunehmen. Nicht einmal linientreue Slytherins zog es unbedingt in dieses Themengebiet.

    „Ja?“

    „Es gibt drei Stück.“, antwortete ein blonder Hufflepuff. „Den Imperius, den Cruciatus und den Avada Kedavra.“

    „Richtig.“, sagte Graysmith. „Und kann mir jemand die Wirkungsweisen und Gegenmaßnahmen dieser Flüche erläutern?“

    Konsequentes Schweigen folgte. Während die einen aus Unwissendheit schwiegen taten es andere aus Angst. Severus hingegen hatte keine Lust die Antwort zu liefern und abermals seine Klassenkameraden davon zu überzeugen, dass er bestens über die Dunklen Künste bescheid wusste.

    „Niemand?“, fragte Graysmith und runzelte die Stirn. „Ich reise niemanden den Kopf ab, wenn er es mir falsch erklärt.“ Er ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen.
    „Was ist mit dir?“ Graysmith deutete auf Severus. „Wie heißt du?“

    „Severus Snape, Sir.“, antwortete er irritiert, weil sein Lehrer ausgerechnet ihn aufrief.

    Vielleicht hatte er nicht so eingeschüchtert gewirkt wie die anderen. Er zögerte, doch dann ratterte er einfach die Schulbuchdefinition herunter.

    „Der Imperius wird angewandt, um einem Individuum den eigenen Willen aufzuzwingen. Ihm kann nur widerstanden werden, wenn man einen entschlossenen und gefestigten Geist besitzt. Der Cruciatus hingegen verursacht ausschließlich Schmerzen. Der Fluch wurde früher vom Militär und der Polizeigarde eingesetzt, um Gegner kampfunfähig zu machen. Allerdings wurde er zusätzlich in zahlreichen Verhören als Folterinstrument gebraucht. Diesen Fluch kann man durch einen starken Schildzauber von sich selbst ablenken oder gar absorbieren.

    Der Avada Kedavra ist der Todesfluch. Da er den üblichen Grundlagen der Fluch-Gegenfluch-Struktur entbehrt gibt es keinen bekannten Bann, Fluch oder Zauber, der ihn abwehren könnte. Wenn einem jemand damit kommt sollte man schnell die Beine in die Hand nehmen.“

    Graysmith sah ihn überrascht an. Auch seine Klassenkameraden wechselten Blicke.

    „Der muss es ja wissen!“, hörte er Potter halblaut sagen.
    „So ausführlich habe ich das nicht mehr gehört, seit meiner Zeit auf der Militärakademie.“, stellte Graysmith fest. „Das hast du aber aus keinem unserer Schulbücher, oder?“

    Severus schwieg sich darüber aus.

    „Eine Frage, Sir?“, meldete sich Black plötzlich zu Wort.

    „Ja?“

    „Rechtlich gesehen sind diese Flüche seit Ende des 19. Jahrhunderts verboten. Warum darf sie dann das Militär anwenden?“

    „Eine gute Frage. Die Sache ist die, dass bestimmte Institutionen und Organisationen von diesem Verbot ausgenommen sind. Dazu gehört das Marine Corps. , Teile der Polizeigarde und natürlich die dem Dunklen Lord direkt unterstellte Leibgarde.“

    „Aber …!“, wollte Black ihn unterbrechen.

    „Falls Sie jetzt dem bekannten Irrtum anheim fallen, dass das Militär eine schier unbegrenzte Lizenz zum Töten habe, dann muss ich Sie hier korrigieren. Als Rekrut leisten sie vor ihrem Grunddienst einen Eid, der besagt, dass Sie die Waffe nur gegen Feinde des Volkes und der Freiheit erheben dürfen. Militärgesetzbuch der Konventionen zur Kriegsführung der Magierschaften von Großbritannien; Paragraph 1, Artikel 1, Absatz B. Lesen Sie es nach, wenn Sie wollen.“

    Severus erstaunte dieser Mann immer wieder. Graysmith hielt offenbar große Stücke auf den Armeekodex und viel weniger von den Parolen der Todesser. Zudem erwies sich der Unterricht des Offiziers als unerwartet interessant. Anders als Trademark nahm Graysmith auch die rechtlichen Grundlagen durch auf denen die Verteidigungsmagie beruhte. Zudem erklärte er ihnen, wann ein so genannter „Verteidigungsfall“ vorlag.

    „Was ist der Unterschied zwischen Angriff und Verteidigung?“, fragte Graysmith in den Raum hinein. „Und was viel wichtiger ist, auf welcher Justizgrundlage stehen diese? Euer Zauberstab ist nicht nur ein Werkzeug. Er ist euer verlängerter Arm; Instrument und Waffe zugleich. Es ist nicht rechtens ihn einzusetzen wie man gerade Lust und Laune hat. Ich weiß, dass man das als Teenager nicht immer versteht. Ich selbst habe, während meiner Zeit in Hogwarts, meinem Haus mehr als genug Minuspunkte eingebracht, weil ich dazu neigte meinen Mitschülern gern mal den einen oder anderen Fluch hinterher zu jagen.“

    Einige Schüler lachten.

    „In welchem Haus waren Sie?“, fragte plötzlich jemand.

    „Ich war ein Ravenclaw – und wahrscheinlich der Undisziplinierteste, den das Haus je hatte.“

    Graysmith begann zu lächeln, als würde er sich gerade an etwas erinnern.

    „Die Verteidigungs- und Kampfzauber, die ihr hier lernt solltet ihr wirklich mit Bedacht einsetzen. Leichtfertig mit eurer Magie umzugehen bedeutet leichtfertig mit allem umzugehen; mit eurem Leben, euren Mitmenschen, eurem Denken.“

    Der letzte Zusatz irritierte Severus. Das ausgerechnet ein Todesser vor ihnen von leichtfertigen Denkweisen sprach war schon außergewöhnlich, wenn nicht gar gefährlich – auf eine Art, die ihm sehr gefiel.

    „Und in einem richtigen Kampf würde euch Leichtfertigkeit das Leben kosten. Ein mittelmäßiger Magier kann, wenn er seinen Kopf und die von ihm beherrschten Zauber richtig einsetzt einem guten Magier durchaus das Wasser reichen. Es geht nicht darum, wer den Colt am schnellsten zieht, sondern darum wer ihn am intelligentesten einsetzt. Bloße Stärke wird Erfahrung und Ausdauer niemals übertrumpfen können, merkt euch das.“

    „Wie meinen Sie das?“, fragte Potter.

    „Nun, nehmen wir einmal an du würdest einen Zauber beherrschen, der eine Stadt wie London innerhalb von Sekunden in Schutt und Asche legt. Würde dich das zu einem mächtigeren Magier machen als mich?“, fragte Graysmith.

    Potter schwieg. Er schien angestrengt zu überlegen.

    „Ja.“, sagte James schließlich.

    „Genau da liegt der Hund begraben.“, bemerkte Graysmith lächelnd. „Nur, weil du eine schreckliche Waffe in den Händen hältst und sie einsetzen kannst heißt das noch lange nicht, dass du dadurch deinem Gegner überlegen bist. Überlegenheit ist keine Sache der Waffenstärke, sondern des Denkens. Wenn du versuchst in einem Kampf mit bloßer Gewalt dein Gegenüber niederzustrecken wird das nicht gelingen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er dich trotzdem tötet oder ihr euch schließlich gegenseitig umbringt ist weiterhin vorhanden. Man kämpft immer zuerst mit dem Kopf und erst danach mit dem Herzen.“

    Es läutete zur Pause.

    „Okay, das war’s. Ich möchte, dass ihr mir morgen sagt, wann ein Kampf als Angriff gilt und wann als Verteidigung. Buch, Seite 28.“

    Severus packte seine Sachen ein und ging aus dem Zimmer. Im Flur gesellte sich Lucius zu ihm.

    „Meine Güte, hast du so etwas schon mal erlebt?“, sagte sein Freund völlig baff. „Der Typ scheint es drauf zu haben, was?“

    „Er ist Major, falls du dich erinnerst.“, meinte Severus lapidar.

    „Ja, aber bei Trady haben wir immer nur die Flüche gelernt, aber nie etwas zur Taktik.“

    „Wenn du mich fragst hatte es unser Trady auch nie so sehr mit der praktischen Erfahrung.“

    Und da war sich Severus absolut sicher. Hätte jemand Trademark mit echten Flüchen beschossen, dann hätte er sich wohl instinktiv im nächsten Erdloch verkrochen. Ganz davon abgesehen verlor der übernervöse Professor schon bei den Trockenübungen im Klassenzimmer gern mal den Kopf. Auf einem echten Schlachtfeld war der Gute sicherlich nie gewesen. Nein, Trademark war ein Bücherwurm, kein Mann der Praxis. Das überließ er dann doch lieber den echten Soldaten.

    Auf einmal rempelte ihn jemand heftig von der Seite an und er stürzte auf Lucius, woraufhin sie beiden beinah hinfielen. Es war Potter. Dieser drehte sich im Gehen um und zeigte Severus erst den Mittelfinger, um anschließend mit diesem von links nach rechts über seine Kehle zu fahren.

    „Was hat der denn schon wieder für ein Problem?“, fragte Lucius.

    „Wahrscheinlich das Selbe wie immer.“, sagte Severus.

    Scheinbar hatte Graysmiths Unterricht den Wichser zu frischen Taten ermutigt. Na schön, wenn Potter Krieg wollte, dann konnte er welchen haben!

    Am Abend saß Minerva McGonnagal in ihren privaten Räumen bei einer Tasse Tee, Keksen und ihrer täglichen H.-G.-Wells-Lektüre. Es klopfte plötzlich. Zögernd sah sie auf. Sie erwartete niemanden. Zur Sicherheit überprüfte sie nochmals die Schutzbanne, die sie um ihre Gemächer aufgebaut hatte. Sie hielten, zeigen allerdings auch keine Anzeichen, dass sich jemand an ihnen zuschaffen machte. Sollte das dennoch so sein, dann blieben ihr nur Minuten, wenn nicht gar Sekunden bis die Zauber fielen.

    Es klopfte erneut.

    Trotz ihrer Befürchtungen erhob sie sich und ging zur Tür. Wäre Greed ihr auf den Fersen, dann hätte er die massive Eichentür wohl schon längst aufgesprengt.

    Sie entriegelte das Schloss. Obwohl sie wusste, dass es im Falle eines Falles nicht viel nützen würde verschloss sie ihre Räume nicht nur auf magischem Wege.

    Minerva öffnete die Tür und erblickte jemanden, den sie nicht erwartet hätte.

    „Darf ich eintreten?“, fragte Victor Graysmith.

    Minerva musste sich eingestehen, dass er ohne seine Todesserkluft sogar ganz charmant aussah. Sie nickte und der junge Offizier trat ein.

    „Was führt Sie um diese Zeit zu mir, wenn ich fragen darf?“

    „Ein persönliches Anliegen.“, sagte Graysmith knapp.

    „So? Und das wäre?“

    Graysmith trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

    „Ist der Raum auch wirklich abhörsicher?“

    „Woher …?“ Minerva verschlug es die Sprache.

    „Sie sind geschickt darin Abwehrflüche anzubringen, das muss ich Ihnen lassen. Wenn man weiß wonach man suchen muss sieht man allerdings schnell, dass sie ihre Gemächer mit Bannzaubern behangen haben, wie einen Weihnachtsbaum.“

    „Was wollen Sie?“, fragte Minerva erneut.

    Das es dieser junge Magier geschafft hatte ihr auf die Schliche zu kommen war überhaupt nicht gut.

    „Ich weiß, dass Sie noch Kontakt zu Dumbledore haben.“, sagte Graysmith.

    „Hat Greed Ihnen das erzählt, um mich auszuquetschen?“

    „Nein, da bin ich ganz allein drauf gekommen. Jemand, der seine Räumlichkeiten so schützt wie Sie, meine Liebe, ist entweder paranoid oder er hat etwas zu verbergen.“

    „Und was sagt Ihnen, dass ich immer noch mit Dumbledore verkehre?“, fragte Minerva.

    „Sie waren seine rechte Hand, als er hier noch Schulleiter war.“

    „Was wollen Sie, Graysmith?“, fragte Minerva noch einmal.

    Dieses Mal schwang allerdings eine gewisse ärgerliche Ungeduld in ihrer Stimme mit.

    „Darf ich mich setzen? Das könnte eine längere Geschichte werden.“, sagte er und sie setzten sich in die Sessel vor dem Kamin.

    „Wissen Sie, warum Greed mich auf Ihren Posten gesetzt hat?“

    Minerva schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf.

    „Die Sache ist die, dass ich dem General suspekt bin … durch meine Haltung gewissen Dingen gegenüber.“, erklärte Graysmith in aller Ruhe. „Ich … ich bin seit meinem siebzehnten Lebensjahr nun schon Soldat. In diesen acht Jahren habe ich viel Schlimmes gesehen. Und nicht wenige Dinge, die ich sah und tat sind mit meinem Gewissen unvereinbar.“

    „Sie sind Soldat, Victor. Damit müssen Sie selbst fertig werden.“, entgegnete Minerva kalt.

    War er etwa zu ihr gekommen, um sich über die Kriegsverbrechen der Todesser auszuweinen?

    „Ich habe einen Eid geleistet! Einen Eid, den junge Männer immer noch leisten, wenn sie ihren Dienst antreten! So gelobe ich dieses Land und seine Bewohner vor Feinden des Volkes und der Freiheit mit meinem Leben zu verteidigen.“

    Minerva lehnte sich zurück. Dieser junge Offizier plante doch nicht das, wovon sie glaubte, dass er es plante?

    „Ich bin Soldat, kein Mörder.“, sagte Graysmith energisch. „Würden Sie wollen, dass sich Ihre Kinder später einmal an Sie erinnern, als jemanden, der zahllose Unschuldige tötete anstatt sich gegen den wahren Feind zu wenden?“

    „Haben Sie denn überhaupt Kinder?“, fragte Minerva.

    „Zwei, kleine Töchter.“, antwortete Graysmith.

    Er blickte für einen Augenblick nachdenklich auf seine Hände hinab.

    „Sagen Sie Dumbledore, dass ich ihm mit 150 Männern zur Seite stehen werde, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.“

    „Woher wollen Sie wissen, dass Dumbledore noch lebt und kämpft?“, fragte Minerva und musterte ihr Gegenüber.

    Sie musste aufpassen, was sie ihm erzählte. Selbst, wenn Graysmith es ernst meinte, konnte sich das Ganze als Finte für eine Falle entpuppen.

    „Die Gerüchte eilen ihm voraus. Wir wissen, dass er sich im Osten formiert. Aber glauben Sie mir, eher macht der Dunkle Lord die Sowjetunion dem Erdboden gleich, als zuzulassen, dass sich die Magierclans unter einem Banner gegen ihn vereinen. Sollte Dumbledore aber tatsächlich schaffen, was die Gerüchte vermuten lassen. Sollte er hierher zurückkommen und das Land für das Volk zurückfordern, dann werden ich und meine Männer fest auf seiner Seite stehen.“

    „Glauben Sie denn, dass Sie überhaupt so lange leben?“, fragte Minerva.

    „Ich muss es zumindest versuchen. Hören Sie, wir müssen der Welt zeigen, dass wir nicht alle so sind wie Er!“

    Es stand außer Frage, wen Graysmith mit „Er“ meinte. Ihn, den Dunklen Lord.

    „Es gibt noch genug Männer da draußen, die ihre Ehre behalten haben, während andere es vorzogen sich wie reulose Hunde von einem Wahnsinnigen zu einem Genozid überreden zu lassen.“

    „Sind Sie sicher, dass Sie einen Aufstand wagen wollen?“, fragte Minerva.

    „Absolut. Sie wissen so gut wie ich, dass die Menschen sich noch vor dem Ende entscheiden müssen, wem sie dienen: Dem Volk oder einem Psychopathen, der uns alle in den Untergang treiben wird?“

    Minerva sah ihr Gegenüber abschätzend an. Er hatte Mut, das musste man ihm lassen.

    „Ich werde sehen, was ich tun kann.“, sagte sie unbestimmt.

    In Graysmiths Gesicht spiegelte sich sogleich bittere Enttäuschung wieder.

    „Das ist alles, Major.“

    Der junge Mann nickte und erhob sich.

    „Ich bitte Sie nur mir und meinen Männern die Chance zum Kämpfen zu geben.“, sagte Graysmith leise. „Wir kämpfen gegen den gleichen Feind.“

    „Ich sagte, dass ich sehen werde, was ich tun kann und jetzt …!“

    Minerva deutete in Richtung der Tür. Graysmith nickte ihr bedauernd zu und verschwand schließlich aus ihren Gemächern.

    Sie saß einige Minuten schweigend da und dachte nach. Dieser junge Offizier war mutig und entschlossen. 150 Männer – das waren nicht unbedingt wenig. Doch würden sie ihm am Ende auch alle folgen? Oder würden sie den Schwanz einziehen, wenn es daran ging sich gegen ihre Kameraden zu wenden? Und ja, er hatte Recht, wenn er sagte, dass sie nicht alle wie Voldemort waren. Man musste die Menschen nur ermutigen sich ihrer Familien wegen für das Volk und gegen den Dunklen Lord zu entscheiden. Doch solange die Leute zu viel Angst vor seiner Rache hatten würden sie keinen Finger rühren, um sein Regime zu stürzten.

    Dumbledore würde das alles sicherlich interessieren. Immerhin konnten sie jeden Mann gebrauchen, der auf ihrer Seite stand. Und Stellung beziehen – auch hier lag Graysmith richtig – würden sie noch vor Ende dieses Krieges. Sie alle mussten sich entscheiden, wo ihr Platz war.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 27: Ein ungewisser Pakt

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:47

    In den nächsten Wochen erreichte die Feindschaft zwischen Severus Snape und James Potter ihren absoluten Höhepunkt. Immer öfter fielen sie ohne ersichtlichen Grund übereinander her. Sicher, sie hatten sich schon immer gehasst, doch wurde ihnen nun das eigentliche Motiv dieses Zwists stetig klarer vor Augen. Es ging um Lily. Schon in ihrem ersten Jahr ging es um sie. Und nun war sie fort, mit all den anderen. Unerreichbar für sie beide.

    Wen es mehr um den Verstand brachte, dass sie nichts für sie tun konnten? Ihn oder James? Tatsächlich hatte er Potter noch nie so aufgekratzt und aggressiv erlebt. Der Gryffindor war sonst immer mit Freude auf ihn losgegangen. Sonst wollte er ihn immer nur eins auswischen, ihn vor der Schule lächerlich machen. Sie hatten sich schon öfter geprügelt, doch noch nie mit so viel inbrünstigem Hass. Lily hatte sie beide immer gebremst, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie hatten sich offen den Krieg erklärt und weder die Gryffindors noch die Slytherins konnten ihn ignorieren.

    Bis Mitte Oktober schafften sie es ihren Häusern eine gar phänomenale Zahl an Punkten abzuziehen und immer wieder gemeinsam im Krankenflügel zu landen, wo es dann eifrig weiterging. Wahrscheinlich hatte die gute Madam Pomfrey in ihrem Leben noch nie so viele obszöne Schmähungen durch ihre geheiligten Hallen klingen hören, wie in jenen Tagen, an denen sie James und Severus wegen ihrer Fehde verarzten musste.

    Schließlich riss auch den Hauslehrern der Geduldsfaden und die beiden wurden zu einer Unterredung geladen, an der neben den Professoren Slughorn und McGonnagal auch Graysmith als stellvertretender Direktor teilnahm.
    Severus und Potter standen sich gegenüber und blickten sich mit der größtmöglichen Verachtung an. Wären McGonnagal und Slughorn nicht anwesend gewesen, dann hätten sich die beiden wohl einmal mehr zügellos die Fresse poliert.

    Es dauerte fast eine halbe Stunde bis Graysmith endlich in den Raum eintrat. Sie saßen an diesem Nachmittag in Graysmiths Büro. Es war das ehemalige Büro von Professor Trademark neben den Unterrichtsräumen für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Die Schränke und Vitrinen waren wie üblich voller Anschauungsmaterialien und der Schreibtisch quoll vor Papierkram über. Zudem fiel auf, dass Graysmith eine ziemlich unordentliche Ader hatte. Die meisten Lehrer hielten ihre Büros geradezu klinisch rein oder verpassten ihnen einen gutbürgerlichen Touch. Für Graysmith war dieser Raum offenbar nur das, als was er konzipiert war: Eine Arbeitsstätte. Und es machte ihn offenbar nichts aus, wenn andere sein Chaos sahen.

    „Entschuldigen Sie die Verspätung. Ich musste noch ein paar Dinge mit dem Schulleiter klären.“, sagte Graysmith und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, wo er sogleich damit begann seine Papiere zu einem Haufen zusammen zu schieben.

    „Nun, Mr Potter und Mr Snape, ich denke, Sie wissen warum Sie hier sind?“, sagte Graysmith.

    James und Severus ließen sich zu keiner Aussage diesbezüglich hinreißen.

    „Ihr beider Verhalten ist, um mich klar auszudrücken, unter der Würde dieser Schule. Und wie es scheint bringen die üblichen Disziplinarmaßnahmen Ihnen gegenüber auch nichts mehr. Nicht zuletzt, weil Sie an den Strafarbeiten nur teilnehmen, wie Sie gerade Lust und Laune haben.“

    Graysmith sah die beiden, jungen Männer durchdringend an, doch sie reagierten nicht. Severus und James starrten die Wand an und vermieden jede Art des Augenkontakts mit Greeds Stellvertreter.

    „Nun, da Sie beide offensichtlich irgendein tiefgehendes Problem miteinander haben, wäre es jetzt vielleicht der richtige Augenblick mich und Ihre Hauslehrer darüber aufzuklären.“

    Severus und Potter blickten Graysmith an, jedoch wollte keiner von beiden das Thema anschneiden.

    „Wollen oder können Sie es mir nicht sagen?“, hackte Graysmith nach.

    „Er ist ein Wichser!“, platzte Potter los.

    „Er ist ein Wichser? Verstehe, und was sind Sie?“, fragte Graysmith. James antwortete nicht. „Und Sie, Snape, denken Sie das Selbe von ihm?“

    „Ja, Sir.“, sagte Severus wahrheitsgemäß.

    „Und warum sind Sie beide gottverdammte Wichser?“
    Graysmith lehnte sich zurück. „Ihr geht aufeinander los wie tollwütige Köter. Ich hoffe, ihr habt keine Tollwut, sonst müsste ich euch erschießen lassen.“

    Severus wusste nicht so recht, ob sein Lehrer es als Scherz meinte oder ernsthaft.

    „Nun gut, Professor Slughorn, Professor McGonagall ich bitte Sie das Büro zu verlassen.“

    Die beiden Hauslehrer sahen Graysmith an, als sei er verrückt geworden.

    „Keine Angst, Sie bekommen Ihre Schüler in einem Stück wieder.“, sagte Graysmith, woraufhin Slughorn und McGonagall zögernd den Raum verließen.

    „Und jetzt zu euch; was habt Ihr für ein dämliches Problem miteinander? Ich kann Euch nicht weiter so herumtoben lassen. Und irgendwann würde der Fall sicherlich vor General Greed publik. Ich schätze, ich muss Euch nicht erzählen, was dann wohl passieren würde.“

    Severus und James sahen sich an. Diese Geschichte vor einem Offizier der Todesser auszubreiten wäre ebensolcher Selbstmord gewesen, wie es Greed persönlich zu erzählen.

    „Was ist?“, fragte Graysmith.

    „Er ist ein Wichser.“, wiederholte Potter.

    „Oh, vielen Dank, ich schätze, das wissen wir jetzt alle.“, kommentierte Graysmiths die Bemerkung trocken. „Eines sage ich Ihnen, Sie kommen hier nicht eher weg, bevor ich eine zufrieden stellende Antwort habe.“

    „Es geht um ein Mädchen.“, überwand sich Severus schließlich.

    „Und wer ist Sie?“, fragte Graysmith.

    „Sie ist nicht mehr hier. Ihre Kameraden haben sie mitgenommen, als sie die Muggelstämmigen von den anderen getrennt haben.“, erklärte Severus.

    Potter schwieg, dennoch spürte er dessen Nervosität.

    „Das beantwortet meine Frage nicht.“, sagte Graysmith. „Wer ist Sie?“

    „Lily Evans.“, antwortete Severus.

    „Verstehe.“

    Graysmith lehnte sich nun nach vorn und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Schreibtisch.

    „Hört zu, es ist mir scheißegal, dass ihr einer Muggelstämmigen hinterschaut, aber es kann verdammt noch mal nicht sein, dass ihr euch wegen ihr aufführt wie die Irren!“

    „Wissen Sie, wo sie ist?“, konnte sich Potter nicht zurückhalten.

    Warum konnte dieser Volldepp nicht einfach die Fresse halten? Wusste er nicht in welche Lage er sie brachte?

    „Selbst wenn ich es wüsste dürfte ich es euch nicht sagen. Theoretisch dürfte ich nicht einmal diese Unterhaltung mit euch führen! Sollte ich spitz kriegen, dass ihr irgendjemanden außerhalb dieses Büros davon erzählt habt, dann könnt ihr euch auf was gefasst machen! Ein Rauswurf sollte dann wohl eure geringste Sorge sein!“

    „Ja, Sir.“, antworteten Severus und James kleinlaut.

    „Und sollte ich mitbekommen, dass ihr euch wegen diesem Mädchen auch nur noch einmal schief angesehen habt, dann sorge ich dafür, dass ihr dieses Schloss von oben bis unten schrubbt bis ich mich in den Steinplatten spiegeln kann, ist – das – klar?!“

    „Ja, Sir.“, antworteten sie und wurden immer kleiner.

    „Gut, und jetzt raus hier! Ich will euch hier nie wieder sehen, es sei denn, es betrifft meinen Unterricht!“, sagte Graysmith ausdrücklich.

    Sie nickten eifrig und verschwanden aus dem Büro. Geradezu mickrig kamen sie sich vor, als sie an ihren Hauslehrern vorbei in den Flur bogen.

    Eines musste man Graysmith lassen; seine militärische Autorität wusste er auch als Lehrer bestens einzusetzen.

    Severus blieb stehen und sah Potter hinterher. Es ging ihnen um das Selbe und doch hatten sie verschiedene Ziele. James wollte seine Lily, seine Freundin, zurück. Severus wollte einfach nur, dass sie nicht tot war, dass sie lebte und er wollte sie nicht für immer verlieren. War das auch eine Art der Liebe? Sich verpflichtet zu fühlen?

    Er hatte keinen Schimmer.

    Resigniert schlug er den Weg auf die Ländereien ein. Severus ging an den Verteidigungsanlagen vorbei und sah in die Gesichter der erschöpften und angespannten Männer. Die Todesser; einige von ihnen lagen in den Gräben oder hinter Wällen und schliefen, lasen in einem Buch oder redeten ausgelassen mit ihren Kameraden. Andere hingegen hielten Wache und langweilten sich auf ihren Posten.

    Waren sie wirklich alle wie Greed? Machte ihnen das Töten Spaß? Oder packte Severus nur die Angst davor, dass diese Männer allesamt Menschen waren? Die Angst davor, dass sie nicht die furchtbaren Monster waren, zu denen sie die Propaganda des Phönixordens werden ließ? Und doch dienten sie dem Dunklen Lord. Oder waren sie bloß Sklaven, die er ohne Bedenken in den Tod trieb?
    Ja, Severus fürchtete sich vor der Armee. Er fürchtete sich vor dem, was der Dienst womöglich aus ihm machen würde.

    „He, Junge, bist du eingeschlafen?“, rief plötzlich einer der Todesser zu ihm hinüber.

    Severus schreckte zusammen und sah zu einem Mann, der einige Meter neben ihm kauerte. Er rauchte und saß auf seinem Stahlhelm. Die Helme der Todesser unterschieden sich kaum von denen der Muggel, außer, dass sie mit Schutzbannen belegt waren. Die Uniform sah auch nicht sehr viel anders aus, als die eines Muggelmarines, nur, dass sie eben schwarz war. Der durch die vielen Füße aufgewühlte Staub klebte an ihr.

    „Doch nicht eingepennt, was?“, sagte der Todesser.

    Er war noch jung. Vielleicht Achtzehn oder Neunzehn. Sein Gesicht war zerschrammt, dreckig und müde. Die Haare waren, wie bei den Todessern üblich, kurz geschoren.

    „N-nein, natürlich nicht.“, antwortete Severus.

    „Würde hier nicht zu lange rumstehen. Bei der Hitze und dem Staub verklebt es einem ruckzuck die Nase. Dann musst du den ganzen Dreck rausrotzen und am Ende dauert es keine Viertelstunde und der Mist ist wieder drin.“

    „Werd’s mir merken.“, meinte Severus darauf.

    „He, hast du Kippen? Das hier ist meine Letzte und Wachtdienst schieben ohne Kippen ist verdammt scheiße.“

    Severus zögerte.

    „Greed wird euch doch wohl nicht die Kippen verboten haben? Dann wäre er ein größerer Unmensch, als ich dachte.“

    „Nein, nein. Rauchst du Marlbaro?“

    „Ist mir mittlerweile scheißegal. Hauptsache es ist Nikotin drin.“

    Severus kramte seine halbvolle Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche und gab sie dem jungen Soldaten.

    „Danke, Alter, du rettest mir das Leben. In dem Saftladen hier kriegt man ja nicht mal ’ne heiße Schokolade geschweige denn Tabak, der auch welcher ist.“

    Severus sah zu wie der Todesser die Packung Marlbaros nahm und in die Tasche seine Uniform steckte. Zum Glück gab es am Bahnhof von Hogsmead einen Magier der unter der Hand Muggeltabak verkaufte. Von dem wussten die Todesser offenbar nichts, sonst wäre der Typ jetzt wahrscheinlich Millionär.

    „Kann ich dich was fragen?“, sagte Severus.

    Er wusste, dass es riskant war, aber er musste es wissen.

    „Klar doch.“

    „Was habt ihr mit den Muggelstämmigen gemacht?“

    „Üble Geschichte, Mann. Greed wollte, dass die armen Schweine ihm die Verteidigung aufbauen. Wir sollten dafür sorgen, dass sie arbeiten. Es war echt zum Kotzen. Die Meisten der Jüngeren haben in den ersten, paar Wochen den Löffel abgegeben. Unterernährung, Krankheiten und so’n Scheiß. Greed hat sie behandelt wie Tiere. Einige hat er selbst umgebracht und andere sollten als Abschreckung sterben.“

    Severus zog sich der Magen zusammen.

    „Er wollte, dass wir sie pfählen. Ich hab das nicht fertig gebracht. Einige von denen waren noch nicht mal richtig tot, als wir damit angefangen haben. Die haben dann immer noch stundenlang geschrieen und ihre Innereien rausgekotzt, wenn die Jungs mit der Arbeit begonnen haben. Und gestunken hat das! Die Leichen sind in der Sonne verwest. Glaub mir, den Geruch kriegst du in 100 Jahren nicht wieder los!“

    „H-hat jemand überlebt?“, fragte Severus zögernd.

    „Nich’ viele. Und die haben wir für das Massengrab im Wald abgestellt. Wenn ich du wäre würde ich da aber nicht hingehen.“

    „Wieso nicht?“, fragte Severus.

    „Ist Ekelhaft. Die haben die Leichen in die Grube reingehauen, aber wir brauchten den Dreck für die Anlage hier. Jetzt fressen da die Tiere dran rum und über den Gestank will ich gar nicht reden!“

    „Und die Gefangenen?“, fragte Severus.

    „Die sind noch hier. Greed hat sie in den Kerker gesperrt.
    Tz, als würden die noch abhauen können.“

    „Wie meinst du das?“, fragte Severus.

    „Die sehen nicht besser aus, als die Leichen. Unterernährt, können kaum auf allen Vieren kriechen. Wäre Greed nicht so ’ne Drecksau hätte er denen den Gnadenschuss verpasst.“

    Severus nickte.

    „War’n da Kumpels von dir dabei?“

    Severus schüttelte energisch den Kopf. Er drehte sich um und ging davon.

    „Danke, für die Kippen!“, rief ihn der Todesser noch hinterher, doch er hörte es nicht mehr.

    Severus rannte in Richtung des Waldes. Der Verbotene Wald war groß, doch schon nachdem er ein kurzes Stück in dessen Inneres zurückgelegt hatte roch er wovon der junge Soldat gesprochen hatte. Der Verwesungsgestank war bestialisch und je näher er der Stelle kam, an denen sie die Muggelstämmigen „gelagert“ hatten desto schlimmer wurde es.

    Severus begann zu würgen. Ob er es bis zum Grab schaffen würde, ohne zu kotzen?

    Schließlich zog er sich den Pullover über die Nase.
    Mit jedem Schritt, den ihn seine Füße näher an die Stelle brachten, wurde er unsicherer, ob er tun könne, was er sich vorgenommen hatte. Der Geruch wurde immer unerträglicher und hielt sich Nase und Mund zu.

    Als er endlich am Grab ankam konnte er sich nicht mehr beherrschen und übergab sich. Die Leichen in der Grube sahen genauso aus, wie der junge Todesser gesagt hatte. Zu großen Teilen von Vögeln und Raubtieren angefressen verwesten sie da nun schon seit Wochen. Die meisten Leichen waren kaum noch zu identifizieren.

    Severus wandte sich ab und verließ den Wald. Seine einzige Hoffnung bestand jetzt in den Muggelstämmigen im Kerker. Sollte Lily noch am Leben sein, dann war sie dort.

    Er bahnte sich seinen Weg zurück ins Schloss und machte sich auf den Weg in die Kerker. Sicher würden einige Todesser die Zellen bewachen. Sobald er einmal wusste, wo man die Muggelstämmigen festhielt konnte er sich einen Plan überlegen, aber alleine würde er es nicht schaffen. Wer wäre wohl bereit seinen Hals für dreckige Schlammblüter zu riskieren?

    Sofort fielen ihm Potter und Black ein.

    „Halt!“, sagte ein rüstungsbewehrter Todesser.

    Er hielt vor einem der stillgelegten Klassenzimmer Wache. Die Zimmer waren durch die Feuchtigkeit der Kerker schon vor Jahren mürbe geworden. Dumbledore hatte sie schließen lassen, da Wasser aus dem Erdboden immerzu eindrang. Die Natur forderte ihren Tribut an das Schloss.

    „Ja, Sir?“, sagte Severus.

    „Dieser Teil der Kerker ist für Schüler verboten.“

    „Seit wann?“, fragte Severus.

    „Willst du mich verarschen, Junge? Das steht schon seit Anfang des Jahres in der Schulordnung!“, zeterte der Todesser. „Und jetzt verschwinde!“

    Severus machte kehrt und ging die Kerkertreppe wieder nach oben. Auf dem Gipfel ebenjener Treppe erwartete ihn Graysmith, der mit vor der Brust verschränkten Armen auf ihn herab sah.

    „Was hast du dort unten zu suchen?“, fragte er barsch.

    „Ich …“

    „Komm mit!“ Graysmith sagte es leise, aber dennoch sehr ausdrücklich.

    Severus folgte ihm in sein Büro. Unsicherheit machte sich in ihm breit. Hatte er etwas gemerkt? Ahnte er etwas von seinem waghalsigen Unterfangen?

    „Setz dich!“ Severus folgte dem Befehl sofort. „Unglaublich, da rede ich mir vor knapp einer Stunde noch den Mund fusselig, dass ich dich hier nie wieder sehen will und dann …“

    „Ich habe nichts getan.“, wandte Severus ein.

    „Du warst beim Massengrab und jetzt spazierst in den Kerkern herum, die Schülern eigentlich untersagt sind.“, sagte Graysmith mit eiserner Strenge.

    „Woher …?“

    „Ich habe meine Quellen. Und du solltest vorsichtiger werden bei dem, was du tust.“

    Wie bitte?

    Graysmith lehnte sich zurück. Er wirkte nun traurig, ja, fast schon verbittert, wie er da vor ihm saß.

    „Willst du was trinken?“

    Severus blickte seinen Lehrer mit vollkommener Verwirrung an.

    „Was?“

    „Du warst auf der Suche nach ihr, hab ich Recht?“, sagte Graysmith und beugte sich nach vorn. „Und ich weiß, dass sie nicht unter den Leichen ist.“

    „Sie lebt?“, fragte Severus.

    Eigentlich war es überflüssig, aber er wollte irgendetwas sagen damit er hier nicht die ganze Zeit nur rumsaß.

    „Du warst ihr sehr nahe gekommen, aber allein wirst du sie nicht retten können. Selbst wenn du die Wachen ausknockst und in die Zellen kommst, dann … Die meisten Muggelstämmigen sind zu erschöpft, um zu arbeiten. Greed behält sie nur hier, um seine Launen an ihnen auszulassen.“

    „Wie?“, fragte Severus reflexartig, obwohl er es eigentlich lieber nicht wissen wollte.

    „Ich schätze, es ist für unser beider Gemüt nicht unbedingt förderlich, wenn ich dir das erzähle.“

    „Foltert er sie?“

    Graysmith schwieg sich darüber aus und Severus’ Phantasie malte sich unnennbare Gräuel aus, die Greed seinen Opfern antun könnte.

    „Melden Sie mich?“, fragte Severus, der wusste, dass er seinem Gegenüber nichts vormachen konnte.

    „Warum sollte ich? Du hast nichts Unrechtes getan. Ich verstehe, was dich antreibt dieses Mädchen zu finden, aber du kannst ihr nicht helfen.“, sagte Graysmith.

    „Ich nicht.“, stimmte Severus ihm widerwillig zu.

    „Du nicht, genau.“ Graysmith hielt kurz inne. „Aber ich.“

    Er glaubte nicht, was er da hörte.

    „Sie … Warum?“

    „Sagen wir einfach, dass ich mit Greed noch ein Hühnchen zu rupfen habe.“ Graysmith erhob sich und schritt nachdenklich durch den Raum. „Das bleibt aber unter uns, verstanden? Solltest du das Verlangen verspüren es Mr Potter mitzuteilen, dann werde ich dir nicht helfen.“

    „Was wollen Sie tun?“, fragte Severus.

    „Ich habe die Befugnisse, um Gefangene verlegen zu lassen, aber ich kann nicht alle retten.“

    Severus nickte. Er verstand das. Graysmith könnte einen Häftling ohne weitere Probleme verlegen lassen, aber nicht alle. Das wäre zu auffällig.

    „Sie hassen sie, oder?“, fragte Severus unvermittelt.

    „Ich habe meine Gründe ebenso wie du deinen, schätze ich.“, sagte Graysmith.

    „Woher weiß ich, dass Sie ihr Wort halten?“ Severus wusste, dass er sterben würde, wenn dieser Mann ihn anlog.

    „Das weißt du nicht, ebenso wenig wie ich.“, sagte Graysmith nüchtern.

    „Na schön, nehmen wir an Sie halten ihr Wort und Greed erfährt nie etwas davon, wohin bringen Sie Lily dann?“

    „Weit genug weg, damit sie disapparieren kann.“, sagte Graysmith.

    „Wenn es soweit ist, können Sie ihr etwas von mir sagen?“, fragte Severus. Sein Gegenüber nickte. „Sagen Sie ihr, dass es mir Leid tut. Alles tut mir leid.“

    „Du liebst Sie, oder?“

    Severus schwieg. Ja, ein Teil von ihm liebte sie noch, aber ein anderer hätte ihm am Liebsten das Herz aus der Brust gerissen und dafür gesorgt, dass Lily Evans nie wieder in seinen Gedanken auftauchte.

    Er erhob sich und gab Graysmith die Hand.

    „Wenn Sie das tun, dann stehe ich ewig in Ihrer Schuld.“

    „Nein, tust du nicht.“, sagte Graysmith. „Ich werde nur alles unternehmen, um so viele Menschen wie möglich vor diesem Wahnsinn zu bewahren.“

    Severus nickte. Er wusste, was sein Gegenüber meinte. Graysmith wollte nicht zusehen, wie Voldemort und seine Schlächter unzählige Menschen ermordeten. Und er würde so viele retten wie möglich.

    „Ich danke Ihnen.“, sagte Severus und wandte sich um und verließ das Büro.

    Die Zeiger der Standuhr im Büro des Schulleiters bewegten sich bereits auf Mitternacht zu, als Maximus Greed auch seine Arbeit als beendet ansehen konnte. Sich um die Schule und seine Truppen zu kümmern war in letzten Wochen mühselig geworden. Und alles nur wegen diesem Graysmith! Er demoralisierte seine Männer und stachelte sie auf, doch wusste er auch, dass er nicht einfach einen seiner Offiziere töten konnte – so gern er das auch getan hätte. Graysmith war ein elender Separatist! Ihn in die Schule zu verbannen würde ihm zwar nicht auf ewig Ruhe verschaffen, aber so konnte ihn besser überwachen.

    Maximus erhob sich, zog seine Robe und das Jackett aus und hing diese über den Stuhl. Er ging zur Vitrine, in welcher das Schwert Godric Gryffindors lag. Ein wundervoll gearbeiteter, rubinbesetzter Einhänder, der einst den Kobolden gehört hatte. Die Waffe eines Eroberers und das war Gryffindor ohne Zweifel. Maximus beteiligte sich nicht am Kampf der Häuser von Hogwarts. Ihm war ihre Zugehörigkeit gleichgültig solange sie dem einen, wahren Herren über die Zaubererschaften ewige Treue schworen. Er selbst war während seiner Schulzeit ebenfalls ein Gryffindor gewesen. Schon damals wusste er, dass er es zu mehr bringen würde, als jene, die in das Haus eingeteilt wurden und nicht mehr zustande brachten, als die gryffindorischen Tugenden nachzuquasseln: Mut, Tapferkeit, Ritterlichkeit!

    All diese Tugenden hatte Maximus in sich vereint. Er war wie Gryffindor selbst geworden: Ein Eroberer, ein Feldherr, der keine Gnade für seine Feinde kannte. Mit diesem Abschaum, der den wahren Herren dieser Welt entgegentrat, konnte man nicht anders verfahren.
    Er nahm das Schwert aus der Vitrine und wog es in der Hand. Es lag ungewöhnlich leicht in der Hand. Maximus schwang es umher. Dieses Schwert fühlte sich an, als wäre es ein Teil seines Selbst. Sehr wahrscheinlich hatten ihm die Kobolde Magie eingeflößt, um es mit dem Körper desjenigen zu verknüpfen, der es gerade führte. Zu gern hätte er gewusst, wie viele Unwürdige dieses einzigartige Schwert mit ihrem Blut getränkt hatten. Wahrlich, Gryffindor hatte viele Kriege geführt und nicht wenige Männer selbst getötet. Die Waffe eines Helden!
    Es klopfte an der Tür und Maximus legte das Schwert zurück.

    „Herein!“, rief er. Es trat ein voll gerüsteter Offizier ein.

    Seinen Helm trug er unter dem Arm. Er verbeugte sich vor dem Schulleiter.

    „General Greed, das Heer ist formiert und bereit.“

    „Sehr gut, rücken Sie sofort aus und … keine Gefangenen.“, sagte Maximus. „Erstatten Sie mir regelmäßig Bericht.“

    „Jawohl, Sir.“ Der Offizier salutierte vor ihm und verschwand sogleich wieder durch die Tür.

    Heute Nacht würden die kläglichen Reste des Phönixordens ihr Ende finden. Und er hoffte, seine Feinde würden nicht allzu rasch ihren Tod finden.

    Severus Snape konnte einfach nicht schlafen. Das Gespräch mit Graysmith hatte ihn aufgewühlt. Es nagte eine grausame Ungewissheit an ihm. Was, wenn der Todesser sein Wort nicht hielt? Was, wenn er ihn verriet? Gleichzeitig wusste er jedoch, dass er keine Wahl hatte. Er musste Graysmith vertrauen, denn allein würde er Lily wohl nicht retten können. Dennoch überlegte er sich einen alternativen Plan, falls der Offizier es sich anders überlegte.

    Severus zog an seiner Zigarette. Er saß auf der Toilette der Gemeinschaftsräume. Um diese Zeit schliefen die meisten Schüler, doch er wollte es nicht riskieren mit den Kippen im Gemeinschaftsraum erwischt zu werden.

    Slughorn würde ihm ansonsten kräftig die Leviten lesen!
    Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er steckte die Hand in seine Hosentasche und holte Jennifers Glücksbringer heraus; die Halskette mit dem indischen Tigerzahn. Ob er hielt, was er versprach?

    Severus steckte sich die Zigarrete in den Mund und hing sich die Kette um. Schaden konnte es wohl kaum.
    Seine Gedanken waren wirr, ebenso wie seine Gefühle. Lily, Jennifer, die Angst vor einem Verrat Graysmiths ...

    All das wirbelte in seinem Kopf herum, wie die Schneeflocken in einem Sturm. Er konnte nicht klar denken, sondern nur hoffen und darauf vertrauen, dass das Nikotin ihn irgendwann beruhigte. Aber danach sah es im Moment nicht aus.

    Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand.
    Hilflosigkeit übermannte ihn, so wie damals als seine Mutter gestorben war. Es war die Selbe nagende Hilflosigkeit. Er spürte wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete und er mit sich kämpfen musste, um nicht in Tränen auszubrechen. Doch diesen Kampf konnte er nicht gewinnen. Leise weinte er vor sich hin und wünschte er könnte irgendetwas tun, außer zu warten.

    Das Warten! Es raubte ihm den Verstand! Ein Teil von ihm wäre am Liebsten losgezogen und hätte sich den Weg in den Kerker freigekämpft, doch sein gesunder Menschenverstand hielt ihn zurück! Er hielt ihn zurück und es zerriss ihm das Herz, die Seele oder was auch immer diesen Schmerz verursachte.

    Severus warf die brennende Zigarette ins Klo, spülte und er verließ die Toilette.

    Auf ein Neues! , dachte er, doch er glaubte kaum, dass er Schlaf finden würde.

    Nicht, wenn ihn seine Gedanken und Gefühle wach hielten. So, wie sie es immer taten.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 28: Gefallene Brüder

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:48

    Der Morgen graute bereits als dutzende Trupps schwer bewaffneter Todesser genau auf ihre Zielkoordinaten apparierten. Sie hatten durch Spähtrupps und Informanten innerhalb des Phönixordens die genaue Position des Ordenshauptquartiers in den Bergen gefunden. Die Phönixkrieger operierten über ein weit verzweigtes Höhlensystem im Umland von Hogwarts.
    Die Todesser schlugen von Norden, Süden und Osten zu. Die westlichen Höhlenzugänge endeten an einer Klippe, die einige hundert Meter in die Tiefe führte.

    Der Gefechtsplan sah vor die Höhlen einzunehmen und die verbleibenden Kämpfer des Ordens zur Klippe zu treiben. General Greed selbst erteilte den Befehl keine Gefangenen zu machen – auch nicht zu Vernehmungszwecken. Sollten sich Ordensmitglieder ihren Truppen ergeben waren diese sofort zu liquidieren.
    Die Todesser bewegten sich in ihren schweren Kampfmonturen zwar nur verhältnismäßig langsam voran, doch war ihre Kampfkraft unbestritten.

    Colonel James McGregor hatte den Oberbefehl über den Einsatz und war bei der Gruppe, die von Süden her angriff. Er setzte sich den Helm auf und zog die Schutzbrille über die Augen.

    „AUSRÜCKEN!“, rief er und seine Männer formierten und nährten sich dem südlichen Eingang.

    Dort erwartete sie bereits ein Empfangskomitee. Die Phönixkrieger hatten sich Sturmhauben übergezogen und trugen grüne Tarnkleidung. Sie hatten bereits auf sie gelauert und zündeten sofort die Lunten an ihren Molotowcocktails an, um diese sogleich ihren rüstungsbewehrten Gegnern entgegenzuschleudern.

    „DECKUNG!“, schrie McGregor und feuerte selbst einige Flüche auf die Männer ab.

    Zwei, drei, vier Molowtows wurden durch die Luft geschleudert und verfehlten nur knapp seine Männer. Als sie auf dem Boden aufschlugen entzündete sich das Benzin in ihnen und versperrte ihnen den Weg. Sie schienen es mehr darauf angelegt zu haben, ihnen den Zugang zu versperren, als sie wirklich zu treffen. Die Feinde zogen sich ins Höhleninnere zurück, während sie Flüche auf sie abfeuerten und weitere Cocktails nach ihnen warfen. Die Flüche prallten den Rüstungen der Todesser ab, während die Brandbomben Bäume und Büsche in lodernde Flammen hüllten.

    „VORRÜCKEN!“, schrie McGregor und die Todesser hechteten durch die Flammen vor ihnen.

    Die fliehenden Kämpfer schleuderten ihnen immer noch Cocktails entgegen, die an den Höhlenwänden zerschellten und ihr brennendes Gemisch aus Benzin und Öl im Umkreis verteilten. Seine Männer feuerten auf die Gegner. Einer von ihnen wurde von einem Todesfluch im Kopf getroffen und fiel sofort leblos zu Boden.

    Die Todesser beschleunigten ihre Schritte so schnell, wie es ihre Rüstungen zuließen. Sie folgten dem Tunnel. Das Trampeln der schweren Stiefel und das Klappern der Rüstungen hallten als tausendfaches Echo durch den Berg. Schließlich kam das Ende des Tunnels in Sicht.

    „Vorsichtig das Gebiet säubern!“, ermahnte McGregor seine Männer, doch als diese in die nächste, größere Höhle ausschwärmen wollten wurde die Luft von dem Donnern eines Maschinengewehrs durchschnitten.

    Unter der Erde hämmerten die Salven um ein vielfaches Lauter gegen das Trommelfell als dies normal der Fall war. Einer seiner Männer wurde mehrfach getroffen. Die großkalibrigen Patronen durchschlugen sofort die Rüstung und den Helm des Mannes. Der Kopf wurde von der Wucht des Einschlages von seinen Schultern gerissen und der leblose Leib des Todessers fiel scheppernd zu Boden.

    „RÜCKZUG!“, schrie McGregor sofort. Ihre Rüstungen waren auf Kämpfe gegen Magie ausgelegt.

    Den Waffen der Muggel konnten sie hingegen nur wenig entgegensetzen. Frontal konnten sie nicht hineinstürmen. Er zog eine der Fluchbomben von seinem Gürtel, entsicherte sie und warf sie in Richtung des Schützen.
    Der anschließende Knall und das Schweigen des MGs verrieten, dass er Erfolg gehabt haben musste. McGregor lehnte sich ein wenig nach vorn, um in die Höhle zu spähen. Der Kämpfer am MG lag leblos auf dem Boden, doch er verpasste ihm aus der Entfernung sicherheitshalber einen Kontrollschuss in den Kopf. Denn nur, weil er auf dem Boden lag hieß das noch lange nicht, dass er tot war.

    Mit einem Handzeichen bedeutete McGregor seinem Zug weiter vorzurücken. Sie sicherten die Höhle. Aus einigen Nebengängen tauchten immer wieder Phönixkrieger auf, die allesamt mit Gewehren bewaffnet waren. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Kalaschnikows.

    Offenbar stimmten ihre Informationen, dass Dumbledore die Sowjets für sich gewinnen konnte – oder zumindest einen Teil der sowjetischen Magierclans, die den Orden mit Waffen belieferten. Es war allgemein bekannt, dass die Russen Muggelwaffen ihren eigenen Zauberstäben bevorzugten. Narren allesamt!

    McGregor zog einen Lageplan aus seiner Hosentasche. Wenn ihre Informationen stimmten befanden sich die meisten Kämpfer in den Nordöstlichen Höhlen. Dort würden sie dann mit allen drei Trupps zusammentreffen und den Restwiderstand eliminieren.

    „Augen aufhalten und weiter!“, sagte McGregor und sie rückten in Richtung Nordosten vor.

    Sie trafen in den Tunneln nur auf leichten Widerstand, wenn überhaupt. Es verwunderte ihn sehr, dass der Orden hier so wenige Männer stationiert hatte. Obendrein griffen sie ihn und seine Männer nicht einmal ernsthaft an: Sie schossen absichtlich daneben und zogen sich ganz offensichtlich immer tiefer in den Berg zurück. Genau dorthin, wo er sie haben wollte.

    Doch etwas war faul! McGregor fühlte es. Das roch verdammt nach einer Falle, einem feigen Hinterhalt. Ihm stand es allerdings nicht zu General Greeds Befehle anzuzweifeln. Wer zweifelte war nicht besser als das Gesindel, welches sie zur Strecke brachten.

    Und so folgten sie den Phönixkriegern ins Innere des Berges. Sie töteten jeden, den sie finden konnten und stiegen über ihre Leichen.

    McGregor war unruhig und er spürte, dass auch seine Männer von Nervosität gepackt wurden. Sie alle fühlten, dass sie sich in eine Sackgasse begaben. Doch McGregor brach den Einsatz nicht ab. Die Strafe, die ihn und seine Männer für Befehlsverweigerung erwartete war weitaus schlimmer als der Tod.

    Schließlich führte ihr Weg durch einen schmalen Tunnel, der in eine große Höhle mündete.

    „Augen aufhalten!“, sagte McGregor, bevor sie weiter vorrückten.

    „McGregor?“, rief jemand von der anderen Seite.

    „Ja?“

    „Squall hier! Habt ihr Fenix’ Team gesehen?“

    Eine Gruppe Todesser kam auf ihn zu. Sie trugen ebenfalls allesamt Rüstungen. Ihr Gruppenführer Jamie Squall war ein dünner, dafür ungemein flinker Mann. McGregor wusste, dass er früher eine Spähereinheit geleitet hatte.

    „Nein, was ist los?“

    „Die Schlammblüter scheinen ausgeflogen zu sein. Hab seit fast zwei Meilen keinen mehr vor den Zauberstab gekriegt.“

    McGregor hielt inne. Tatsächlich war ihr Widerstand bis hier hin immer geringer geworden. Noch seltsamer war jedoch, dass sie in der Höhle hier keinerlei Utensilien fanden.

    „Habt ihr irgendetwas Interessantes gefunden?“

    „Nein, keine Papiere, keine Waffen, nicht mal ihr Klopapier haben die hier gelassen. Wurde offenbar alles schon unlängst geräumt.“

    „Und warum haben sie dann Männer hier gelassen?“, fragte McGregor.

    „Keine Ahnung, vielleicht gehörten die zur Nachhut der Evakuierung.“

    Er nickte und zog seinen Zauberstab.

    „Expacto Patronum!“ Sogleich manifestierte sich aus silbernem Rauch ein riesiger Wolf.

    „Suche Fenix.“, sagte McGregor zu seinem Patronus und sogleich verschwand der Wolf in den Tiefen der Höhlen. „Sichert die Umgebung! Wir müssen sicher sein, dass niemand überlebt hat.“

    Die beiden Gruppen teilten sich auf und durchsuchten die riesige Höhle.

    Nach einigen Minuten kehrte McGregors Patronus zurück und er saugte die Informationen, die dieser besaß in sich auf. Der Wolf verblasste und unter einem Windzug verschwand die silberne Gestalt. McGregor hingegen brüllte innerlich auf, als die Schreie der Gefallenen in seinen Ohren erklangen.

    „ACHTUNG! KAMPFBEREITSCHAFT HERSTELLEN!!!“, schrie McGregor und sofort formierten sich die beiden Gruppen.

    Die Dunkelheit der Höhlen schwieg. Sie hörten nichts außer ihren eigenen Atem und das Klopfen ihrer Herzen.

    „Langsamer Rückzug.“, sagte McGregor leise.

    Die Gruppe bewegte sich mit erhobenen Zauberstäben und formiert langsam rückwärts. In Richtung des Höhlenausgangs.

    Doch plötzlich zerriss der Schrei einer seiner Männer die Luft. Blut spritzte und er ging getroffen zu Boden. Der Schütze jedoch war nirgends auszumachen.

    „Verdammt! RÜCKZUG! RÜCKZUG!“, schrie McGregor.

    Die Todesser rannten geschlossen zurück. Wieder brach einer seiner Männer zusammen.

    Der Typ musste einen Schalldämpfer benutzen. Anders konnte sich es McGregor nicht erklären.

    Lumos Solem! Der Zauber hallte in seinem Verstand wieder und sogleich schoss eine riesige Kugel aus gleißendem Licht aus der Spitze seines Zauberstabs. Sie erhellte die gesamte Höhle in einen blendenden, weißem Licht.

    Der Schütze hockte am anderen Ende der Höhle auf einem Vorsprung. Doch es war kein Phönixkrieger. Das erkannte McGregor sofort. Zwar trug auch er Tarnkleidung und Sturmmaske, aber um seinen Kopf hatte er ein grünes Stirnband gewickelt. Auf diesem waren goldene, arabische Buchstaben zu sehen.
    McGregor erstarrte für eine Sekunde. Ein Krieger Sharad Akams. Das konnte unmöglich sein!

    „FEUER! ERSCHIESST IHN!“, schrie er und schoss einen Fluch auf den Assassinen ab.

    Dieser sprang mit animalischer Leichtigkeit von seinem Aussichtspunkt und raste durch die Höhle. McGregor hechtete ihm instinktiv hinterher. Der Assassine rannte in Richtung der Klippe. Dort würde er sein blaues Wunder erleben – insofern er nicht sprang. Bei den Sharad-Akamern musste man schließlich mit allem rechnen!
    McGregors Truppe war hinter ihm, als plötzlich eine ohrenbetäubende Explosion die Höhle erschütterte. Die Wände und die Decke bekamen Risse und stürzten innerhalb von Sekunden auf die Todesser herab. Riesige Gesteinsbrocken begraben die Männer lebendig unter sich.
    Nur McGregor schaffte es noch sich rechtzeitig durch den Tunnel nach vorn zu retten. Das Sonnenlicht blendete ihn für einen Augenblick, als er auf das Kliff hinaus trat. Die Staubwolke aus dem Inneren der Höhle begleitete ihn und nahm ihm für einen Moment die Luft zum Atmen.
    McGregor sah sich um. Der Assassine hatte sich verflüchtigt. Oder lauerte er nur auf ihn?

    Er war völlig allein. Allein an jener Stelle, wo sie doch den Phönixorden erledigen wollten. Welch Ironie! Eine grausame Ironie.

    Wenn er Pech hatte, dann lauerten hier noch mehr Männer Akams. James McGregor war niemand, der sich so einfach geschlagen gab, doch war selbst ihm klar, dass er in einer ausweglosen Situation steckte. Entweder er Kämpfte und starb dabei oder er ergab sich – und das Wohlwollen seiner Feinde würde entscheiden, ob er leben oder sterben würde. Wie man es auch drehte und wendete; der Tod war ihm so gut wie gewiss. Und die Chance, dass die Assassinen ihn gefangen nahmen, anstatt ihn hinzurichten war verschwindend gering.
    McGregor setzte seinen Helm ab, wobei sein kurzes, braunes Haar zum Vorschein kam. Sein Gesicht war rau und hart. Das Gesicht eines Soldaten, der zu lange im Krieg gedient hatte.

    „ICH BIN HIER!“, schrie McGregor und breitete die Arme aus. „KOMMT UND HOLT MICH!“

    Er beobachtete den steilen Hang über sich, doch auf dem kahlen, uralten Gestein bewegte sich nichts. Der Wald schwieg.

    McGregor befestigte seinen Helm an seinem Gürtel und kletterte Mühsam den Hang hinauf. Seine Kampfausrüstung wog schwer auf seinen Schultern. Sie war immerhin auch nicht für Klettertouren konzipiert worden. Doch er wollte so schnell wie möglich von dieser Klippe weg. Und so quälte er sich diesen Hang hinauf, der bis auf spitze Felskanten und die knorrigen Wurzeln längst vergangener Bäume kaum Halt bot.

    Als er schließlich oben ankam wurde er bereits von einer Gruppe erwartet. Es handelte sich um Phönixkrieger und Assassinen. Also stimmten die Gerüchte! Dumbledore hatte sich mit Sharad Akam verbündet. Das war schlecht, sehr schlecht sogar.

    McGregor hob die Hände.

    „Nicht schießen! Ich ergebe mich!“, rief er ihnen zu, als sie schon ihre Gewehre auf ihn richteten.

    Einer der Männer trug ebenfalls Tarnkleidung, doch anstatt der Sturmhaube hatte er sich eine Baseballmütze und eine Sonnenbrille aufgesetzt.

    „Auf die Knie!“, sagte der Mann und kam auf ihn zu.

    „Nein, wartet! Ich ergebe mich! Hier!“

    McGregor zog seinen Zauberstab und warf ihn demonstrativ zu Boden.

    „Auf die Knie, hab ich gesagt!“

    Der Mann schlug ihm mit dem Schaft seines Gewehres in die Seite. McGregor stürzte zu Boden. Dank der Rüstung hatte der Schlag nicht so geschmerzt, wie das normalerweise der Fall gewesen wäre.

    Der Mann packte sein Kinn und musterte ihn sehr genau.

    „Sieh einer an.“, sagte er leise. „Wen haben wir denn da.“

    Er wandte sich seinen Männern zu, wobei er McGregor wie einen Köter am Genick packte.

    „Darf ich vorstellen? James McGregor, Oberkommandeur des 66. Batallions und Rechte Hand von unserem geliebten General Greed!“

    Er versuchte sich zu erklären, woher sein Gegenüber ihn kannte. Nicht einmal die Stimme des Manns weckte bei ihm Erinnerungen.

    Einer der Assassinen erwiderte etwas auf Arabisch. McGregor kannte nur die Geschichten über die Sharad-Akamer, aber er sprach ihre Sprache nicht. Durch die obere Führungsriege geisterten schon lange Gerüchte darüber, dass Sharad Akam, wenn er einen Krieg haben wollte, ihn auch gewinnen könnte. Voldemort selbst hatte vor wenigen Tagen angeordnet, dass die militärischen Aktivitäten der Todesser sich ab sofort auf ihre Grenzen konzentrieren sollten, sobald der Phönixorden ausgelöscht war.

    „Nein, dort unten lebt keiner mehr. Aber vielleicht verrät uns unser Freund ja einige seiner Geheimnisse.“

    „Lieber sterbe ich!“, sagte McGregor.

    „Das lässt sich einrichten.“, meinte der Mann und schlug ihm mit dem Schaft seines Gewehres ins Gesicht.

    McGregor fiel zur Seite und blieb bewusstlos liegen.

    „Schöne Träume, wünsche ich.“

    Als James McGregor erwachte hatte man ihm seine Rüstung und den Zauberstab abgenommen. Seine Arme und Hände waren mit einer Eisenkette gefesselt worden, welche an einem Haken an einem Dachbalken befestigt worden war. Als er sich umsah bemerkte er, dass er sich auf einem Heuboden befand. Ganz sicher waren sie nicht mehr in der Nähe von Hogwarts.

    Schließlich öffnete sich eine Bodentür und drei Männer stiegen über einer Leiter hinauf. Einen von ihnen erkannte McGregor als denjenigen, der ihn ausgeknockt hatte. Allerdings trug er jetzt Jeans und Pullover. Sein Gesicht war ausgezehrt und er hatte tiefe Augenringe. Er trug eine Brille und hatte einen Dreitagebart. Sein schwarzes Haar war wild, unzähmbar und reichte ihm nur knapp bis zu den Ohren.

    Die beiden Männer, die ihn begleiteten waren Assassinen.
    „Ich sehe, Sie sind erwacht.“, sagte sein Gegenüber.
    „Wer sind Sie?“, fragte McGregor. Dieses Gesicht, diese Stimme … in seinem Gedächtnis regte sich eine vage Erinnerung, doch er konnte einfach nicht bestimmen zu wem es gehörte.

    „Sie erinnern sich nicht mehr an mich? Das überrascht mich, um ehrlich zu sein. Ich bin Cain Hanks. Der Oberkommandant des Phönixordens in Großbritannien – mittlerweile. Aber vielleicht erinnern Sie sich ja an meinen Bruder Marc, den ihr Freund Greed bei der Einnahme von Hogwarts wie ein Tier abgeschlachtet hat.“

    Jetzt wusste McGregor, wieso ihm dieser Mann so bekannt vorkam. Er hatte einen Zwillingsbruder. Und ja, Greed hatte ihn umgebracht – auf bestialische Art und Weise.

    „Was wollen Sie? Rache? Warum gehen Sie dann nicht nach Hogwarts und schnappen sich Greed?“, fragte McGregor.

    „Es geht mir nicht um Rache. Selbst wenn ich Erfolg hätte, dann würde das meinen Bruder auch nicht wieder lebendig machen.“ Cain trat näher an ihn heran. „Ich will Informationen.“

    McGregor begann zu lachen.

    „Und warum sollte ich die Ihnen geben? Am Ende werden Sie mich ohnehin umbringen. Also warum sollte ich meine Männer verraten?“

    „Weil Sie genau wissen, dass Sie mit Ihrer Mission versagt haben. Greed duldet kein Versagen. Würden Sie lebend zu ihm zurückkehren, dann wäre Ihnen der Tod ebenso gewiss.“

    „Und wenn schon? Ihr habt meine Männer getötet. Mich hält man mittlerweile vielleicht auch für tot. Der General wird euch Subversive bis ans Ende der Welt verfolgen und euch alle umbringen!“

    „Wie rührend.“, bemerkte Cain lapidar. „Ich hätte tatsächlich beinahe Angst bekommen.“

    „Der Orden ist am Ende! Ihr habt ja nicht einmal mehr genug Männer und müsst euch sogar schon mit Assassinen einlassen.“ McGregor nickte in Richtung von Cains Leibwachen.

    „Überheblichkeit wird Ihnen und Ihren Freunden im Ministerium eines Tages das Genick brechen.“ Cain schwieg einige Sekunden. „Also nehme ich an, dass Sie nicht kooperieren?“

    McGregor spuckte seinem Gegenüber ins Gesicht. Cain wischte sich den Speichel mit abschätziger Miene von der Wange.

    „Ich vermute, dass war ein endgültiges Nein?“ Der Phönixkrieger atmete tief. „Wie Sie wollen.“

    Cain nickte in Richtung der Assassinen. Diese Schritten unverzüglich auf McGregor zu. Einer von ihnen bildete mit der rechten Hand eine Faust, die er blitzschnell wieder öffnete und eine hiebartige Bewegung in Richtung McGregors ausführte. Die Ketten um seine Arme lösten sich und fiel erschöpft zu Boden. Noch bevor er sich aufrappeln könnte packten ihn die beiden Männer an den Armen und schleiften ihn zur Leiter und stießen ihn grob nach unten. McGregor fiel fast drei Meter nach unten und schlug hart auf. Da er kopfüber nach unten gestoßen wurde hatte er versucht sich instinktiv mit den Armen abzufangen, doch ein lautes Knacken und ein stechender Schmerz in seinem linken Ellenbogen zeugten von einem Bruch. Er lag da und stöhnte schmerzerfüllt, aber schon kurz darauf hatten ihn die Assassinen wieder an den Armen gepackt. McGregor schrie erbärmlich auf, als sie ihn an seinem gebrochenen Arm fortschleiften. Die Schmerzen steigerten sich ins Unerträgliche bis die Sharad-Akamer ihn endlich wieder los ließen und auf einen Stuhl bugsierten.

    McGregor nahm durch den trüben Schleier der Qualen seine Umgebung nur unwirklich war. Jedoch reichte es, um festzustellen, dass es sich um eine Art Verhörraum handelte. Der Boden und die Wände waren mit Laken behangen worden, auf denen die verblassten Spuren eingetrockneten Blutes zu erkennen waren.

    McGregor fiel nach vorn und versuchte sich auf seinem gesunden Arm aufzustützen. Der gebrochene Ellenbogen wurde bereits dick und hing unnatürlich schlapp herunter.
    Cain holte sich einen weiteren Stuhl heran und setzte sich ihm gegenüber. Er nahm den Kopf des Todessers in seine Hände.

    „Ich will Informationen über die Verteidigung von Hogwarts und Greeds Truppenstärke.“

    McGregor schüttelte den Kopf.

    „Und Sie werden mir diese Informationen geben, James.“

    „Niemals!“, erwiderte er unter Tränen. Die Schmerzen in seinem Arm brachten ihn um den Verstand, doch er durfte nicht zum Verräter werden. Egal, was sie ihm antun würden, er durfte es nicht sagen! Dabei dachte er weniger an sich und seine Männer, sondern an seine eigene Familie. Die Folter, die seine Frau und seine Kinder durch die Hand Greeds aushalten müssten wäre nichts im Vergleich zu seiner jetzigen Misere. Und McGregor wusste, dass es nur einen Weg gab, wie er seine Familie retten konnte: Er selbst musste bei diesem Verhör sterben. Er musste als Kriegsheld, als Idealist sterben.

    „Euch sag’ ich gar nichts!“, rief McGregor hasserfüllt aus.

    Cain lehnte sich zurück und musterte sein Gegenüber aufmerksam.

    „Ich möchte das nicht tun.“, sagte er ruhig. „Denken Sie nach. Wir könnten Sie und, wenn Sie es wollen, auch ihre Familie ins Exil bringen und sie beschützen.“

    „Das ich nicht lache! Ihr … ihr wollt mich beschützen? Ihr könnt doch noch nicht einmal euch selbst beschützen!“, rief McGregor unter Tränen. „Ihr seid verdammte Separatisten! Scheinheilige, denen wir diesen Krieg überhaupt erst zu verdanken haben! Ihr versprecht den Leuten Freiheit und Schutz, aber ihr könnt ihn überhaupt nicht gewährleisten!“

    „Wir müssten Sie natürlich unter ständiger Bewachung nach Sharad Akam bringen. Sie wären am Leben.“, fuhr Cain besonnen fort.

    „Und wofür? Um als Gefangener unter Magiern zu leben, die uns noch mehr verabscheuen als wir sie und uns am Liebsten eigenhändig umbringen würden? Reizendes Angebot! Darauf verzichte ich gern!“

    Cain erhob sich.

    „Ich sehe, Sie haben ihre Wahl bereits getroffen. Schade, aber unabänderbar.“

    Sein Gegenüber ging zu einer Kiste, die an der Wand stand, holte einen Hammer daraus hervor und setzte sich wieder auf seinen Platz. Cain legte den Hammer auf McGregors Schulter.

    „Ich hoffe Sie haben Verständnis dafür, dass wir keine Magie benutzen können.“

    „Macht das denn einen Unterschied?“, fragte McGregor.

    Jegliche Gefühle schienen aus seinem Verstand zu weichen. Er wusste, dass es nur noch das hier geben würde. Die Folter und den folgenden Tod. Es gab kein Entkommen, keine Hoffnung.

    McGregor wusste, dass er niemals zu seiner Familie zurückkehren würde, dass er niemals mehr die Zärtlichkeiten seiner Frau entgegennehmen könnte und, dass er seine Kinder nie wieder in den Arm nehmen würde. All das machte ihm die Versäumnisse seines Lebens bewusst. Stunden vor seinem Tod wurden ihm all seine Fehler vor Augen geführt.

    Und obwohl es vielleicht menschlich gewesen wäre in Tränen auszubrechen und sich selbst für seine Taten zu verdammen schwieg er. Der Hass und die Tränen von vorhin schienen plötzlich ausgelöscht. An ihre Stelle trat nun eine fast schon beängstigende Gelassenheit.

    Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte: Der Tod war ein unausweichliches Ereignis. Und er würde nicht vor ihm kriechen. Nein, er würde erhobenen Hauptes aus dieser Welt gehen. So wie es dem Kriegshelden und Idealisten gebührte.

    Wurde ein Soldat im Feld getötet so erhielt die Familie die Hundemarken des Gefallenen und einen Brief in dem stand, wie tapfer der Mann, Vater oder Sohn gegen den Feind gekämpft habe, bevor er sein Leben verlor. Doch sagte dies nie etwas über die wahren Umstände des Todes aus. War der Soldat aufrecht in der Schlacht gestorben? Oder wurde er zum Opfer eines Heckenschützen, einer Sprengfalle oder starb er nach stundenlanger Folter durch den Feind? War er im Angesicht des Gevatter Tod stehend auf diesen zugegangen oder kniete er vor dem Sensenmann und bettelte in den letzten Augenblicken seines Lebens verzweifelt um einen kleinen Aufschub?

    All diese Fragen blieben für die Hinterbliebenen eines Gefallenen oft für immer offen. Man konnte nur hoffen den Hergang des Todes von einem Kameraden des Gefallenen zu erfahren oder – sollte dies nicht möglich sein – darauf hoffen, dass der Soldat so tapfer war, wie es das Schreiben propagierte.

    Auch Magier kannten die Symbolik durch die sie von den Gefallenen in ihren eigenen Familien erfuhren. Nur, dass es bei ihnen zur Tradition gehörte neben den Hundemarken und dem Brief, der von der Tapferkeit des Soldaten zeugte, noch den zerbrochenen Zauberstab hinzuzufügen. Ein Zauberstab, der über Jahrzehnte hinweg als Fixierungsmittel für die Quelle der magischen Macht diente, nahm immer Teile der Persönlichkeit des betreffenden Magiers auf. Es war das letzte Überbleibsel seiner Seele im Diesseits. Ihn zu zerbrechen bedeutete der Seele des Gefallenen die letzte, ewige Ruhe zu gewähren und alle Teile seines Ichs vom Diesseits ins Jenseits hinüber zu geleiten. Es war die Erlösung von der irdischen Existenz.

    Wer als Soldat ins Feld zog wusste, dass dies am Ende seines Weges stand. Der Tod klopfte jeden von ihnen freundschaftlich auf die Schulter, während er die Sense wetzte, um sich bald einen der Kameraden zu holen. War man hingegen selbst an der Reihe so lag es einzig an einem selbst, wie man dem Gevatter entgegentrat.

    James McGregor war ein Mann gewesen, der dem Tod schon oft ins Auge geblickt hatte und während seines qualvollen Todes nicht einmal vor ihm zu kuschen suchte.
    Seine Leiche und die seiner Männer wurden nach einigen Tagen von einem Spähtrupp gefunden. Während seine Kameraden vom Stein erschlagen und verschüttet wurden hatte man McGregor lange gequält. Die Spuren der langen Folter wollte selbst jemand wie Maximus Greed dessen Frau und Kindern nicht zumuten. Es war eine Sache einen Separatisten so zuzurichten und sie zur Schau zu stellen. Eine völlig andere die eigenen Landsmänner derart verstümmelt vorzufinden. Denn in der Armee waren sie allesamt mehr als Kameraden: Sie waren Brüder!

    Und James war für Maximus nicht nur sein Vize gewesen, sondern auch ein guter Freund. Nachdem er von seinem Tod erfahren hatte war er zu dessen Frau Kathrina appariert und hatte ihr die Nachricht persönlich überbracht. Sie sparte nicht an Tränen, um ihren Mann. Glücklicherweise waren James’ Kinder noch zu klein, um Ausmaß der Tragödie sofort zu begreifen. Er hatte einen dreijährigen Sohn und eine einjährige Tochter.

    Maximus bemühte sich darum Kathrina zu trösten und zu beruhigen. James war ein guter Soldat gewesen und er war stets mit erhobenem Haupt in die Schlacht gezogen. Dreimal war er in Gefangenschaft geraten und jedes Mal hatte man ihn gefoltert. Nur dieses eine Mal hatte er dem Tod nicht von Schippe springen können. Das war ihr Berufsrisiko, welches sie jeder Zeit einholen konnte.

    Doch Maximus trauerte weniger tränenreich um James wie dessen Frau. Natürlich war das auch für ihn ein herber Schlag, doch er stieß lieber auf die siegreichen Toten an. Früher oder später würden sie alle in die Hallen Vallhallas einziehen – wo Krieger, wie sie, ewig lebten.
    Wenige Tage später gab es ein Begräbnis mit militärischen Ehren. Sie setzten James auf dem Magierfriedhof in der Nähe von Edinburgh bei. Äußerlich unterschied sich der Friedhof nicht von einem Muggel-Friedhof, mit der Ausnahme, dass hier hauptsächlich Reinblüter und auch einige Halbblüter begraben wurden.
    Der Tag der Beerdigung war ein trüber, aber dennoch seltsam warmer Tag. Die schwarz gekleidete Prozession, die über den gepflasterten Weg des Friedhofs schritt, bestand aus fast fünfzig Leuten und wurde von fünf Mitgliedern der Magischen Garde angeführt. Sie waren in schwarze Gewänder gekleidet und die hatten sich einzig ihre Brustpanzer und Helme angelegt. Vier Mann trugen James’ Sarg. Der fünfte Mann ging voraus und trug das Banner der Garde: Das Dunkle Mal, welches golden auf schwarzen Leinen aufgenäht worden war und von einer kreisförmigen Schlange umrahmt wurde, welche sich in den eigenen Schwanz biss.

    Maximus ging an der Seite seiner Frau und des Priesters hinter ihnen her. James hatte sich immer eine katholische Beisetzung gewünscht.

    Hinter ihm liefen Kathrina und ihre Kinder. Maximus wagte es nicht sich umzudrehen, doch drang ihr leises, unterdrücktes Schluchzen dennoch zu ihm vor.

    Unwillkürlich nahm er die Hand seiner Frau und sah zu Boden.

    Als sie das vorgesehene Grab erreichten ging der Bannerträger zur Front des Grabes und salutierte dort stramm, während seine Kameraden den Sarg hinab ließen. Die Anwesenden versammelten sich um die Stätte. Die Gardisten traten schließlich zurück und ließen dem Priester den Vortritt. Während der Zeremonie schweiften Maximus Gedanken ab. Er dachte daran wie er und James sich kennen gelernt hatten. Es war auf einer Werbungsveranstaltung der Marines im Sommer ’56 gewesen. Sie stammten beide aus eher bescheidenen Verhältnissen, doch ihre Väter waren beide beim Corps gewesen. Anders als James hatte Maximus seinen alten Herren nie gekannt. Er war im Kampf gegen die deutschen Faschisten gefallen. Die Magierschaften hatten im Weltkrieg mit all ihrer Kraft an der Seite der Muggel gekämpft. Auch wenn ihr Blutstatus sie trennte so waren sie im Herzen doch alle Briten. Und als Briten war es ihre Pflicht gewesen die Nazis mit all ihrer Macht zurückzuschlagen und ihnen das Fürchten zu lehren.

    Doch damals waren es völlig andere Zeiten gewesen. Zeiten in denen du schief angesehen wurdest, wenn du andere nach ihrem Blutstatus gefragt hast. Das war Tabu. Dennoch konnte er sich gut daran erinnern, wie er als Kind von anderen deshalb herumgeschubst wurde.

    „Blaublütiger!“, hatten sie ihn immer genannt. Oder „Dinosaurier“, weil es von den Reinblütern damals wie heute nur noch wenige gab. Die Schlamm- und Halbblütigen hatten sich oft weit aus dem Fenster gelehnt, wenn es darum ging ihre dummen Scherze und Anmaßungen von sich zu geben.

    Doch heute war Maximus mit dem herumschubsen dran. Er hatte diese Proletariatsmagier in seiner Kindheit hassen gelernt. Und bereits in Hogwarts hatte er ihnen gezeigt, dass sie es bereuen würden, wenn sie sich mit ihm anlegten. Nur Dumbledore war nie sonderlich begeistert davon gewesen! Dumbledore, dieser Muggelfreund! Damals war er sein Hauslehrer gewesen. Ein parteiischer Mistkerl war er, aber auch ein guter Mentor, um ehrlich zu sein.

    Der Dienst in der Armee war zu dieser Zeit der einzige Weg gewesen, um diesen Muggelbefürwörtern und ihren ewigen Reden zu entkommen. Hier wurde man nicht permanent als „Dinosaurier“ bezeichnet, nur, weil man einen aristokratischen Stammbaum aufwies. Und wenn schon? Seiner Familie hatte dieser Stand nichts genützt. Bis heute schickte er einen Teil seines Soldes seiner Mutter damit sie nicht auf der Straße saß. Stets hatten diese verfluchten Schlammblüter versucht ihnen noch das letzte Bisschen an Würde zu nehmen, was sie besaßen.
    Und heute bekamen sie die Zeche dafür!

    Der Priester endete und die plötzliche Stille riss Maximus aus seinen Gedanken. Er ließ die Hand seiner Frau los und trat nach vorn. Für einen Augenblick stand er nur schweigend da, wissend, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch entschied er sofort, dass derartige Worte am Grab seines Freundes nicht angebracht waren. Und so griff er in die Innentasche seines Jacketts und holte James’ Zauberstab heraus.

    „Möge er in Frieden ruhen.“ Er zerbrach diesen geräuschvoll in zwei Teile, die er sogleich in die Grube warf.

    Nach der Beisetzung fand sich die Prozession auf dem Anwesen der McGregors ein. Dieses war bei weitem nicht so prunkvoll wie das der Malfoys, sondern stellte vielmehr eine Art provinziale Residenz dar. Diese bestand aus einem großen Landhaus und einem Stückchen eingezäunten Feldes. Das Totenmahl fand im Festsaal im Erdgeschoss statt. Die Räumlichkeiten waren allesamt im bäuerlichen Stil gehalten und einfach ausgestattet.
    Prachtvoller Prunk fehlte völlig. Das alte Parkett knarrte bedrohlich unter Maximus Füßen, als er eintrat. An den Wänden hingen nur wenige Bilder und diese stammten aus dem Jahrhunderte alten Familienbesitz der McGregors. Sie zeigten überwiegend Landschaftspanoramen und hiesige Tiere.

    Im Saal war eine große Tafel gedenkt worden. Maximus nahm in der Mitte zusammen mit seiner Frau Platz. Zu seiner Rechten ließ sich Abraxas mit seiner Frau nieder und zu seiner Linken Kathrina mit ihren Kindern. Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. Sie weinte nicht mehr, sah dafür aber auch niemandem mehr direkt in die Augen. Die anderen Anwesenden waren Familienmitglieder und Militärangehörige, die den McGregors nahe standen. Er beachtete sie nicht näher.

    Als sie sich alle versammelt hatten erhob sich Maximus. Alle Augen waren auf ihn gerichtet.

    „Ich möchte gern einige Worte über James McGregor sagen. Zu allererst war er für mich einer der besten Freunde, die ich je hatte. Ein aufrichtiger und mutiger Mann – in jeder Lebenslage. James war ein außerordentlicher Mensch und Soldat. Er hat sich nie ergeben. Nie! Selbst, wenn die Lage aussichtslos erschien hat er alles gegeben. Wir haben mit James einen unserer Besten verloren.“ Maximus griff nach seinem Weinglas, woraufhin sich alle Anwesenden erhoben und ebenfalls feierlich ihre Gläser erhoben. „Heil unserem gefallenen Bruder James McGregor!“

    „HEIL!“, rief die Menge feierlich aus und trank aus.

    Maximus setzte sich wieder. Die gesamte Feierlichkeit über blieb er recht einsilbig. Er wollte kein Mitleid. Und er wollte nicht darüber reden wie heldenhaft James’ Opfer war – denn das war es nicht.

    Sie hatten ihn und drei weitere Züge seiner besten Einheiten abgeschlachtet. Seine Gedanken kreisten an diesem Abend immerzu um dieses Ereignis und erzeugten in ihm Wut, Hass, aber auch Trauer. Keine Frage, sie befanden sich im Krieg. Und dieser erforderte nun mal Opfer. Es war beileibe nicht das erste Mal, dass er einen guten Freund durch die Hand der Schlammblüter verlor. Und doch war es dieses Mal anders. Der Tod von James hatte ihn mehr getroffen als er es erwartet hätte.

    Schließlich erhob Maximus sich und ging nach draußen. Vor der Haustür atmete er tief, fast einwenig erleichtert durch. Die Nacht war ruhig und klar. Die sommerliche Schwüle verflüchtigte sich langsam und wich einer erfrischenden Kühle.

    Er griff in die Innentasche seines Jacketts, holte ein Päckchen Zigarillos heraus und steckte sich eine an.
    „Na, alter Freund, sind dir die Erinnerungen zuwider?“, sagte plötzlich eine bekannte Stimme hinter ihm.

    Maximus wandte sich um und erblickte Abraxas in der Tür. Er antwortete nicht.

    „Was ist los, Max?“

    „Mir geht eine Sache nicht aus dem Kopf. Wie konnten sie unsere Leute in so eine Falle locken?“

    „Nun, ich will nicht anmaßend wirken, aber ich schätze deine Truppe ist nicht sauber.“

    Maximus stimmte ihm im Gedanken zu. Es gab Männer unter seinem Befehl, die ihren eigenen Kameraden ohne zu zögern ein Messer zwischen die Rippen jagen würden.

    „An wen hast du dabei gedacht?“

    „Was ist mit deinem ewigen Liebling Victor Graysmith?“, fragte Abraxas.

    „Der ist in der Tat ein Krisenherd ohne gleichen. Leider kann ich ihn nicht ohne Aufsehen liquidieren lassen. Sein Beliebtheitsgrad unter den Männern verhindert das.“

    „Was würde passieren, wenn ihm zufällig etwas zustößt? Einen Unfall kann die Truppe wohl kaum auf dich abwälzen.“

    Maximus begann grimmig zu lächeln. Solche Pläne gefielen ihm schon immer. Vor allem, wenn es darum ging einen Freund zu rächen.

    „Wie gut, dass es in Hogwarts nicht gerade ungefährlich ist. Wäre ja nicht das erste Mal, dass sich dort jemand aus Versehen den Hals bricht.“, sagte Maximus und zog an seinem Zigarillo.

    „Wirklich ein unfassbares Glück.“, stimmte Abraxas zu.

    Die beiden lachten leise und schlossen sich schließlich wieder der Gesellschaft im Haus an. Maximus Laune besserte sich bei dem Gedanken an Graysmiths Tod sichtlich.

    „Was ist passiert?“, fragte seine Frau schließlich, die ihren Mann in den letzten Tagen nie so fröhlich gesehen hatte.

    „Mir ist nur etwas klar geworden, mehr nicht.“, sagte er zu ihr und küsste sie sanft auf die Wange. „Etwas sehr wichtiges.“

    „Was?“, fragte sie.

    „Etwas Berufliches.“, sagte Maximus woraufhin sie kein Wort mehr darüber verlor.

    Sie wusste, dass sie sich nicht in seine Angelegenheiten einzumischen hatte.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 29: Verdächtige Aktivitäten

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:49

    Was tun, wenn einen die Ausweglosigkeit der eigenen Existenz auf Gedeih und Verderb einholte?

    Severus Snape saß mit seinen Hausaufgaben abgeschieden von den anderen Schülern im Gemeinschaftsraum. Schon seit Tagen dachte er über den Handel mit Graysmith nach und er fühlte sich einfach nur hilflos. Und immer, wenn er sich dieser Hilflosigkeit bewusst wurde schien ihm sein Leben aussichtslos, ja, beinah von einer verstörenden Enge.
    Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er sich einfach seinen Zauberstab geschnappt und wäre in die Kerker gestürmt.

    Sein Verstand hielt ihn jedoch ab, weshalb sein Herz diesen verfluchte. Er wollte bei Lily sein. Er wollte endlich sehen, ob es ihr gut ging. Doch diese ewige Warterei brachte ihn um den Verstand!

    „Hey, Sev!“, hörte Severus Lucius plötzlich sagen. Er war zu ihm gekommen – Hand in Hand mit Narzissa. „Willst du mit rauskommen?“

    „Wohin raus?“

    „Na raus eben. Etwas spazieren gehen.“, entgegnete Lucius.

    „Nein, ich habe noch zutun, außerdem seid ihr bestimmt ohne mich besser dran.“

    Lucius ließ sich allerdings nicht davonjagen! Er verschränkte die Arme und beugte sich zu seinem Freund vor.

    „Du kommst gefälligst mit!“

    Severus, der die ganze Zeit an seinem Aufsatz geschrieben hatte sah Lucius mit großen Augen an. Er verstand die Welt nicht mehr! Normalerweise ließ der junge Malfoy sich mit sämtlichen Ausreden abspeisen und jetzt …? Jetzt dachte er wieder an Außerirdische, die den Körper seines Freundes übernommen hatten – so wie bei „Die Körperfresser kommen“!

    Auch Narzissa sah ihn fordernd an.

    „Habe ich jemanden umgebracht, ohne es zu wissen?“, fragte Severus.

    „Nein, aber du musst mal wieder unter Leute! Du versauerst, wenn du ständig nur bis zu den Ohren in deinen Hausaufgaben steckst.“

    „Mach’ ich gar nicht!“, konterte Severus.

    „Machst du wohl! Du bist schließlich noch launiger als sonst!“

    Severus warf das Handtuch! Lucius würde wahrscheinlich keine Ruhe geben, bevor sein Freund ihn nicht begleitete. Und so erhob er sich und sie gingen mit dem Strom der anderen Schüler in Richtung Hogsmade. Greed gewährte Schülern mittlerweile wieder sich halbwegs frei zu bewegen. Einzig das Gelände um die Befestigungsanlagen war nach wie vor Tabu.

    Während sie ins Dorf hinab gingen redeten sie über Gott und die Welt. Severus versuchte dabei eine nicht ganz so finstere Miene aufzulegen, denn das heitere Sommerwetter besserte seine Laune nicht im Geringsten. Sie schlenderten eine ganze Weile durch die Straßen und Geschäfte des Dorfes bis sie schließlich in den „Drei Besen“ einkehrten. Severus hätte den „Eberkopf“ mehr bevorzugt, weil es dort in der Regel ruhiger zuging und die Gefahr bestimmten Gryffindors über den Weg zu laufen nahezu Null war.

    Anders als Aberforths Entablisment waren die „Drei Besen“ geräumig, hell und vor allem sauber. Hier trafen sich fast alle Schüler aus allen Klassen und in der Regel war es schwer einen Sitzplatz zu bekommen. Es herrschte dichtes Gedränge und durch die vielen Schüler eine alles andere als gemäßigte Lautstärke. Severus war das Gasthaus immer sehr unangenehm, doch er wollte sich nicht mit Lucius darüber streiten. Und so kämpften sie sich durch die Schülerscharen zu drei, freien Plätzen an einem Tisch an denen noch einige Gryffindors saßen. Severus wollte Lucius schon am Ärmel seines Pullovers zupfen und fragen, ob er denn wisse, was er tue als aus der Menge unvermittelt Potter und Black auftauchten.

    „Was macht ihr denn hier?“, rief James Potter über den Lärm hinweg.

    Severus zuckte völlig unschuldig mit den Schultern – was ja auch der Wahrheit entsprach. Gäbe es gleich eine Massenschlägerei wäre wenigstens ausnahmsweise Mal Lucius daran schuld!

    „Nur einen Schluck trinken, und ihr?“, fragte Lucius gelassen.

    „Ebenfalls. Wir sitzen hier!“, entgegenete Black.

    „Weggegangen, Platz gefangen.“, rutschte es Severus raus.

    „Wisst ihr, wir hätten uns auch mit euch unterhalten, aber da ihr schon wieder den dicken markiert wird das wohl nichts.“, meinte Narzissa.

    Black warf seiner jüngeren Schwester einen stechenden Blick zu, bevor er kleinbei gab.

    „Na los, Krone, wir wollten uns ohnehin mit Moony und Wurmschwanz vor der Heulenden Hütte treffen.“

    „Und was macht unser Silberallergiker denn so? Unschuldige, kleine Kinder fressen?“, konnte es sich Severus nicht verkneifen, wofür ihn Lucius promp gegen das Schienbein trat.

    „Wohl eher kleine Todesser! Habe gehört die sollen um diese Jahreszeit besonders gut schmecken!“, giftete Potter, bevor er mit Black im Schlepptau abzog.

    „Dass du ihn auch immer provozieren musst!“, tadelte Narzissa Severus.

    „Ich hab doch gar nichts gemacht.“, gab er kleinlaut zurück.

    Komischer Weise machte es ihn stets viel mehr etwas aus, wenn Zissia ihm etwas Vorhielt, als wenn Lucius das tat.

    Sie ließen sich nieder und bestellten drei Butterbier. Normalerweise war er ja stärkeres gewöhnt, aber anders als Aberforth achtete Rosmerta penibel auf das Alter ihrer Gäste.

    Severus ließ den Blick durch die Kneipe schweifen und entdeckte jemanden, den er nicht hier zu sehen erwartet hätte: Victor Graysmith.

    Er saß ihnen gegenüber, etwa drei Tische entfernt. Graysmith entdeckte Severus schließlich auch, nickte ihm zu und wank kaum merklich in seine Richtung.

    „Entschuldigt mich einen Augenblick.“, sagte Severus zu Lucius und tat zunächst so als würde er den Weg zur Toilette einschlagen. Erst als er sicher war, dass seine Freunde miteinander beschäftigt waren ging er auf Graysmith zu.

    „Guten Tag, Sir.“, begrüßte Severus ihn.

    „Setz dich.“, sagte Graysmith fordernd.

    Langsam ließ sich Severus nieder.

    „Ich habe einen Weg für sie gefunden.“ Graysmith nickte kurz in Richtung der Tür. Dort standen zwei Todesser in Rüstung. „Der General lässt mich ab jetzt nicht mehr aus den Augen. Ich kann sie heute wegschaffen. Willst du dich von ihr verabschieden?“

    Severus wusste nicht, was er sagen sollte. Das kam so … plötzlich. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Und er wusste nicht, ob er Lily gegenübertreten könne. Ihr in Augen schauen und ihr sagen, dass ihm alles so schrecklich leid tat.

    „Und?“, hakte Graysmith nach.

    „Ich …“ Und in diesem Augenblick wusste er, dass er es nicht aushalten würde ihr in Augen zu sehen. Zu sehen, wie Greed sie zugerichtet hatte. „Nein, Sir. Das würde auffallen.“

    Graysmith nickte ihm zu.

    „Trinken wir noch ein Bier zusammen?“, fragte er schließlich. Tatsächlich war es weniger eine Frage, sondern vielmehr eine Aufforderung.

    Graysmith erhob sich und ging mit Severus zurück zu ihrem Tisch. Auf dem Weg fasste er noch ein unbenutztes, herrenloses Butterbier ab.

    „Ist das die fröhliche Runde?“, fragte Graysmith und zog sich einen leeren Stuhl heran.

    „Professor …“, sagte Narzissa.

    „Heute nicht, Ms Black.“, sagte Graysmith und öffnete lässig seine Butterbierflasche.

    Severus beobachtete ihn und fragte sich wie viel davon wohl gespielt war und was nicht.

    „Und was beehrt uns dann mit Ihrer Anwesendheit?“, fragte Nazissa.

    „Muss ein Lehrer einen Grund haben, um sich mit seinen Schülern zu unterhalten?“, konterte Graysmith. „Außerdem schmeckt das Bier besser, wenn man es in einer gemütlichen Runde trinkt.“

    „Darf ich Sie etwas fragen, Sir?“, meldete sich Lucius zu Wort.

    „Natürlich.“

    „Ich habe gehört in den Streitkräften gäbe es einen Defizit an Verwaltungskräften.“

    „In der Tat ist der bürokratische Sektor in den letzten Monaten etwas ausgedürrt.“, antwortete Graysmith.

    „Darf ich fragen warum?“

    „Sagen wir es so: Selbst ein Bürokrat muss in der Armee im Umgang mit dem Zauberstab geübt sein. Wer das nicht ist stirbt schnell.“ Graysmith stützte sich auf den Tisch auf und blickte Lucius eindringlich an. „Denk’ bloß nicht, dass du von der Front verschont bleibst, nur weil du dich für einen Schreibtischjob bewirbst.“

    „Entschuldigen Sie mir diese dumme Frage.“, sagte Lucius und blickte verlegen drein.

    „Glauben sie denn, dass es zum Krieg kommen wird?“, fragte Narzissa.

    „Wir sind schon lange im Krieg.“, sagte Graysmith leise. Er wirkte plötzlich sichtlich verbittert. „Und ja, früher oder später werden wir gen Osten marschieren.“

    Unbehagliche Stille breitete sich am Tisch aus. Selbst die Gryffindors, die sie bis jetzt nicht beachtet hatten schwiegen bedrückt.

    „Trinkt euer Bier aus.“, meinte Graysmith daraufhin nur und verabschiedete sich von ihnen. Ganz offensichtlich hatten sie ein Thema berührt auf das er mehr als nur empfindlich reagierte. Oder er bemerkte, dass er zu viel gesagt hatte. Offiziell gab es keinen Krieg mit dem ewigen Feind im Osten: Sharad Akam.

    Nein, sie lebten im Kalten Krieg voreinander. Man blockierte sich, drohte immer wieder mit den unmöglichsten Dingen, aber Grunde hatten weder Voldemort noch Akam wirklich vor ihre Streitkräfte zu mobilisieren. Es war ein Krieg der Ideologien, normalerweise.

    Severus jedoch beschlich das Gefühl, dass die Gerüchte nicht länger Gerüchte sein könnten. Dumbledore hatte sich mit den Assassinen verbündet. Das änderte die Situation natürlich radikal. Insofern hatte Graysmith Recht: Über kurz oder lang würde es Krieg geben.

    Diese Gewissheit versaute ihm irgendwie den restlichen Tag.

    ---------------------------

    Am Abend des selben Tages klopfte es an der Tür von Minerva McGonagalls Privaträumen. Sie öffnete unverzüglich und vor ihr standen Horace Slughorn in der Begleitung von Victor Graysmith.

    „Kommen Sie herein.“, sagte Minerva und hielt den beiden Herren die Tür auf.

    Sie ließen sich auf der kleinen Couch vor dem Kamin nieder. Minerva setzte sich ihnen gegenüber in ihren geliebten Sessel.

    „Ich habe alles vorbereitet. Die Wachen wurden für heute Nacht ausgetauscht.“, erklärte Graysmith ohne Umschweife.

    „Wie viele können Sie rausholen?“, fragte Minerva.

    „Maximal vier. Die anderen sind zu schwach. Sie würden die Reise niemals lebend überstehen. Und wenn ich ehrlich bin, Minerva, dann wären Sie gut damit beraten ihnen den Gnadenschuss zu verpassen.“

    „Ihr Todesser!“, brauste Slughorn plötzlich auf. „Leben zählen für euch nichts.“

    „Da liegen Sie falsch, Professor, aber ich riskiere nicht Kopf und Kragen, um anschließend Leichen mit mir herum zu schleppen. Und ich finde sie sollten lieber mit Würde sterben.“

    Slughorn wollte schon zum Gegenschlag ausholen, als Minerva ihn bremste. Sie war beileibe nicht mit allem einverstanden, worauf sie sich mit Graysmith in den letzten Tagen geeinigt hatte, doch sie brauchte jetzt keine ideologische Diskussion. Das raubte nur wertvolle Zeit.

    „Wen können Sie mitnehmen?“, fragte sie.

    „Henry Augtilliac, Lily Evans, Felix Dawson und Jerry Owsen.”

    “Gut.” Minerva nickte.

    “Tun Sie mir einen Gefallen?“, fragte Graysmith und zog einen zusammengefalteten Zettel aus der Innentasche seines Jacketts. „Falls ich nicht zurückkehre müssen Sie meine Männer mobilisieren. Hier sind alle Namen von Militärangehörigen und Todessern, die auch nach meinem Tod noch hinter mir stehen werden. Sie müssen benachrichtigt werden!“

    „Glauben Sie, dass Sie sterben werden?“, fragte Minerva.

    „Greed lässt mich beschatten und ich bin mir ziemlich sicher, dass er plant mich aus dem Weg zu räumen. Es gibt kaum Männer wie mich, die ihn überlebten. Wenn Greed sich vorgenommen hat jemanden umzubringen, dann gelingt ihm das meist auch.“

    Minerva nahm die Liste entgegen und studierte sie einige Augenblicke. Die meisten Namen sagten ihr nichts. Wahrscheinlich waren es einfache Soldaten, die sich auflehnten. Hier und da konnte sie jedoch auch große Namen ausmachen. Generäle und sponsoren der Todesser.

    Sie musste zugeben; Graysmith verstand es zu rekrutieren.

    „Machen wir uns auf den Weg. Das ist die einzige Chance, die wir haben … die ich habe.“ Graysmith erhob sich.

    Minerva und Horace taten es ihm nach. Sie folgten Graysmith zum Eingang des Gryffindorturms. Die Fette Dame schlummerte in ihrem Portait vor sich hin.

    „Was tun Sie da?“, fragte Slughorn, doch Graysmith beachtete ihn nicht. Er schien etwas an der Wand zu suchen oder abzuzählen. Schließlich zog er seinen Zauberstab und tippte damit vier Mal an den Rahmen des Torbogens zum Gemeinschaftsraum. Wie von Geisterhand schoben sich die Ziegel beiseite und offenbarten einen schmalen Gang.

    „Ich fürchte, Sie werden sich schmal machen müssen, Professor Slughorn. Nach Ihnen.“, sagte Graysmith und ließ den beiden Lehrern den Vortritt. „Ich muss den Gang von innen versiegeln.“

    Die drei zwängten sich in den schmalen Gang und Graysmith versiegelte die Tür. Die Steine rückten sofort wieder an ihren ursprünglichen Platz zurück.

    „Lumos.“, sprachen sie allesamt und erhellten so den finsteren Gang.

    „Immer vorwärts.“, sagte Graysmith.

    „Diesen Geheimgang kenne ich noch gar nicht.“, meinte Minerva und sah sich interessiert um.

    „Das ist kein Geheimgang. Gehen Sie zum Ende des Weges, dann werden Sie es sehen.“

    Minerva wusste nicht, was das zu Bedeuten hatte, doch sie gehorschte. Sie folgte dem finsteren Gang bis sich am Ende ein merkwürdiger grüner Schimmer regte. Je näher sie kamen desto heller wurde er. Schließlich schienen die Mauern von diesem hell leuchtendem Etwas aufgezehrt zu werden. Sie wanden sich merkwürdig bis der Weg abbrach. Die Ziegel verloren sich in diese grün-grelle Ewigkeit, die Raum und Zeit auszufüllen schien.

    „Graysmith, was zum Teufel ist das?“, rief Slughorn halb entsetzt, halb fasziniert.

    „Ein Dimensionsbruch.“, antwortete er gelassen.

    „Davon habe ich bis jetzt nur gelesen, aber ich hätte niemals geglaubt, dass sie wirklich existieren.“, sagte Minerva.

    „Doch, das tun sie und unsere Welt ist voll davon. Ich war einige Jahre in der militärischen Forschung im Ministerium tätig.“

    „Sie sind ein Unsäglicher?“, fragte Slughorn.

    „Ich bevorzuge zwar den Begriff Mitarbeiter der Universität für experimentelle Magiewissenschaften, aber ja, ich habe für die Mysteriumsabteilung gearbeitet. Ich und meine Forschungsgruppe haben uns auf Dimensionsbrüche spezialisiert. Ein einzigartiges Phänomen in der Magie. Wir wollten sie unterwerfen, damit sie uns an den Ort brachten zu dem wir wollten und nicht umgekehrt. Leider mussten wir feststellen, dass sie eine Persönlichkeit besitzen und zuweilen doch etwas launisch sind.“

    „Und wohin führt dieser Dimensionsbruch hier?“, fragte Minerva.

    „Überall und nirgendwo hin. Eigentlich soll er uns in den Kerker bringen, aber wie gesagt; manchmal sind sie etwas launisch, unsere Dimensionsverschiebungen. Stellen Sie es sich wie schwarzes Loch vor, das von einem Ende des Universums zum anderen führt. Allerdings weiß man trotzdem nie hundertprozentig wo man am Ende rauskommt.“ Graysmith wandte sich zu seinen Begleitern um. „Na, wer will zuerst?“

    „Klingt nicht besonders prickelnd, um ehrlich zu sein.“, wandte Slughorn ein.

    “Glauben Sie mir, das ist tausend Mal sicherer als apparieren. Hier kann man sich wenigstens nicht in seine Moleküle auflösen. Außerdem sind sie mit normalen, magischen Suchmethoden unaufspürbar. Zudem hinterlässt man keine magischen Rückstände, die verfolgt werden könnten. Und von einem Ende zum anderen vergeht quasi keine Zeit. Man wird 1:1 an den Ausgang übertragen.“

    „Zeit ist relativ.“, bemerkte Slughorn.

    „Professor, ich bin mir ziemlich sicher Einstein hätte diese Dimensionsbrüche geliebt.“, meinte Graysmith. „Nun denn, springen Sie!“

    „Mir gefällt das nicht! Minerva, was ist, wenn er uns so umbringen will?“

    „Gehen Sie voraus, Victor.“, sagte Minerva fordernd.

    „Tja, irgendwie dachte ich mir, dass wir auf dieses klitzekleine Hindernis stoßen. Nun … es tut mir leid.“

    „Was?“, fragten Minerva und Slughorn synchron.

    „Das!“ Graysmith peitschte mit seinem Zauberstab in ihre Richtung und die beiden Professoren wurden in den Bruch fortgeschleudert.

    Sie schienen völlig schwerelos und ihre Körper wurden von dem grellen, grünen Licht verschlungen. Ein Moment der Dunkelheit folgte und sie fielen nach unten, direkt auf den wasserüberfluteten, moosbewachsenen Boden eines dunklen Gewölbes.

    Minerva spuckte hektisch aus. Das Wasser schmeckte genauso vermodert wie die Fundamente es waren. Sie half ihrem Kollegen auf, der sich noch ganz verwirrt umsah.

    Graysmith tauchte aus dem nichts auf und landete elegant auf den Füßen.

    „Kommen Sie.“, sagte er, ohne so Recht auf seine Begleiter zu achten.

    „Er hätte uns zumindest vorwarnen können!“, grollte Slughorn und sprach auf sich und Minerva einen Trocknungszauber.

    „Vielleicht hätten Sie mich, der sich bemüht Ihrer Sache dienlich zu sein, nicht schon wieder des Mordes bezichtigen sollen?“, warf Graysmith mit unverholenem Sarkasmus ein.

    Ohne weitere Kommentare folgten Minerva und ihr Kollege ihm schließlich durch die Kerker zu einer massiven Tür, vor der zwei rüstungsbewehrte Wächter standen. Sie salutierten, als sie Graysmith erkannten.

    „Irgendwelche Veränderungen?“, fragte er seine Männer.

    „Der General war vor einer halben Stunde hier, Sir. Er hat fünf der Gefangenen mitgenommen.“

    „Wen?“, fragte Graysmith beunruhigt.

    „Moment …“ Der Todesser zog ein Klemmbrett hervor und studierte die Liste darauf. „Brandon, Jale, McFord, Truseman und Gilbert. Totgeweihte, Sir. Er sagte er bräuchte sie zu Studienzwecken.“

    „Öffnen Sie die Tür. Wir machen weiter wie vereinbart.“, antwortete Graysmith.

    „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Minerva ihn leise.

    „Das erkläre ich Ihnen später.“, wimmelte er sie unverzüglich ab.

    Der Todesser entriegelte die Tür mit einem Wink seines Zauberstabs, öffnete sie und trat zusammen mit Graysmith ein. Einige Augenblicke später traten sie mit vier zerschrammten Jugendlichen heraus. Sie trugen zerschlisse Pullover und Jeans. Ihre Gesichter waren ausgezehrt und von Schlägen gezeichnet.

    Greed ist ein Monster!, dachte Minerva angeekelt.

    „Gute Jagd, Sir.“, verabschiedete sich der Todesser von ihnen und verriegelte die Tür erneut.

    „Euch auch, meine Brüder.“ Graysmith umarmte die beiden Männer und klopfte ihnen kameradschaftlich auf die Schultern.

    „Los geht’s!“, sagte Graysmith. „Ihr vier, bleibt immer dicht bei uns. Ich gehe vorran. Minerva in die Mitte, Horace als Schlussmann.“

    Und so verschwanden sie in der Dunkelheit der unteren Kerker. Sie marschierten an den gammelnden, gefluteten Klassenzimmern vorbei ans Ende des Flurs, wo ein großes Eisengitter in den Boden eingelassen war.

    „Wingardium Leviosa.“, flüsterte Graysmith und das schwere Gitter erhob sich federleicht in die Luft. „Rein da. Wir nehmen den Weg durch die Unterwelt.“

    Ohne Wenn und Aber kletterten alle beteiligten hinab in die stinkende Welt der Fäkalien von Hogwarts. Graysmith schloss sich als letzter an und ließ das Gitter schließlich kaum hörbar wieder auf seine ursprüngliche Position zurückgleiten.

    „Ich vermute nach dieser Aktion brauchen wir allesamt ein ausgiebiges Bad.“, bemerkte Slughorn.

    „Das ist der sicherste Weg.“, sagte Graysmith und sprach den Lumos. „Der Tunnel endet auf der anderen Seite Sees im Wald. Von dort aus sind es nur noch ein paar hundert Meter bis zur Appariergrenze.“

    Im Gänsemarsch liefen sie den jüngst trocken gelegten Abwasserkanal entlang. Der Boden jedoch war noch mit schlammartigen Fäkalrückständen überzogen und auch die Wände des Kanals berührten sie nur im Notfall.

    „Nun, Victor, erklären Sie mir bitte, was ihr Freund mit Studienzwecken meinte?“, fragte Minerva.

    „Ich nehme an, der Name Wladislaw Itaschenkow sagt Ihnen etwas?“

    „Doch nicht etwa der Wladislaw Itaschenkow?“, fragte Slughorn. „Der Meister der Alchemie in Prag?“

    „Sie kennen ihn?“, sagte Minerva erstaunt.

    „Ich kenne seinen Ruf! Von Ethik- oder Moralgrenzen hat der wohl noch nie etwas gehört! Er ist bekannt dafür, dass er Forschungen für die Todesser betreibt. Kostenlos. Im Gegenzug beliefern sie ihn mit allem, was er begehrt. Es gehen schon lange Gerüchte um, dass er Experimente am Menschen betreibt.“

    „Greed hatte keine Verwendung für die Muggelstämmigen, die die Errichtung der Verteidigung überlebten. So bot er ihm seine Dienste an. Er hat Ihre Schüler wie Vieh verkauft.“, sagte Graysmith.

    „Was ist mit denen geschehen, die bei Itaschenkow gelandet sind?“, fragte Minerva.

    „Keine Ahnung, aber ich schätze, wenn sie gestorben sind, dann war das noch ein glückliches Schicksal.“, sagte Graysmith.

    Sie schwiegen bedrückt und folgten dem Tunnel. Erst als sie am Horizont den trüben Schein der Nacht wahrnahmen und das Brausen des Windes zu hören war wurde ihre Laune deutlich besser.

    Der Ausgang war ebenfalls durch ein Gitter versperrt. Graysmith hebelte es durch einen weiteren Schwebezauber aus und sie traten ins Freie.

    Die Schüler sahen über den See zum Schloss. Ihre Blicke waren wehmütig, aber zugleich ehrleichtert.

    „Lily!“, rief jemand aus dem Gebüsch.

    Sie wandten sich blitzartig um und erblickten eine Gruppe von bewaffneten Männern. Minerva erschrak als sie bemerkte, dass es sich nicht nur um Leute vom Orden handelte, sondern auch Schüler unter ihnen waren, von denen sie dachte sie lägen in ihren Betten.

    „Potter! Black! Lupin! Pettigrew! Erklären Sie mir das!“, sagte Minerva außer sich vor Zorn.

    „Wir sind der Einladung von Mr Graysmith gefolgt, Madam.“, antwortete Lupin höflich wie immer.

    „Victor, Sie haben kein Recht sie zu so etwas anzustiften!“

    „Ich habe sie nicht angestiftet.“, verteidigte sich Graysmith. „Sie haben sich selbst dazu angestiftet. Ich habe lediglich dafür gesorgt, dass sie unbemerkt und in einem Stück hierher gelangen.“

    „Sie hätten es Ihnen verbieten müssen!“

    „Ich bin zwar ihr Lehrer, aber ich kann ihnen nicht verbieten für ihre Freiheit zu kämpfen, auch, wenn das bedeudet, dass sie die Schule vorzeitig abbrechen.“

    „Mr Potter, wenn ihre Eltern …“, wandte sich Minerva wieder an Potter.

    „Bei allem Respekt, Professor, aber wir sind Volljährig. Und ich schätze, wir leben außerhalb von Hogwarts länger als unter den Fittischen unseres Schulleiters.“

    „Tja, Professor, da kann man wohl nichts machen, was?“, meinte Black reichlich vorlaut.

    „Glauben Sie mir, Mr Black, wären Sie nicht hier, sondern noch in Hogwarts, dann würde ich Ihnen für diesen unangebrachten Kommentar 100 Jahre Nachsitzen aufbrummen!“, grollte Minerva.

    „Auf was warten wir hier eigentlich?“, meldete sich Slughorn schließlich zu Wort.

    „Auf unser Signal.“, antwortete Graysmith und sah in Richtung des Schlosses.

    „Was für ein …?“, wollte Minerva ansetzen, doch die Antwort folgte in Form eines markerschütternden Knalls. Die Wucht der Explosion riss einen Teil des Verteidigungswalls auseinander.

    „Los jetzt! Lauft!“, trieb Graysmith sie an. „Das beschäftigt sie sicher eine ganze Zeit lang.“

    Sie rannten allesamt so schnell wie es das Dickischt zuließ auf die Appariergrenze zu.

    „Jetzt zum vereinbarten Punkt!“, sagte Graysmith. „Horace, Minerva, Sie sollten mit uns kommen. Momentan können Sie ohnehin nicht zurück ins Schloss.“

    „Und mit welchem Alibi?“, wollte Slughorn wissen.

    „Einem todsicheren.“, antwortete Graysmith.

    Sogleich apparierten sie und nichts als die aufgewirbelten Blätter zeugten von ihrem Verschwinden.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 30: Stille Nacht

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:49

    Als die gewaltige Explosion die nächtliche Stille in und um Hogwarts wie ein Paukenschlag zerriss schien es als hätte jemand den Hebel an einer Maschine betätigt. Die Erschütterungen und Schreie waren bis hinunter in die Kerker zu spüren. Jeder fühlte, dass etwas Furchtbares geschehen war.

    Instinktiv rafften die Schüler aller Häuser ihre Sachen zusammen und versammelten sich in ihren Gemeinschaftsräumen. Sie erwarteten dort Anweisungen von ihren Hauslehrern zu bekommen, was zutun sei. Doch die Hauslehrer waren nicht zugegen, ebenso wie einige ihrer Schüler.

    Es dauerte keine halbe Stunde bis die Todesser in den Gemeinschaftsräumen auftauchten. Je ein Offizier mit zwei Schlosswächtern im Schlepptau. Sie riefen jeden einzeln auf und vermerkten die Anwesendheit aller Schüler.

    Währenddessen wurden die Todesser mit Fragen bombardiert, die sie selbst nicht beantworten konnten oder durften.

    „Was ist passiert? Wird Hogwarts angegriffen? Wo ist Professor Slughorn?“

    „Hören Sie, wir können diesbezüglich keine Auskunft geben. Bleiben Sie hier und verhalten Sie sich ruhig. Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit!“

    „Was soll der Quatsch? Ihr müsst doch wissen, was passiert ist?!“, riefen einige Schüler zornig.

    „Ich kann darüber keine Auskunft geben!“, wiederholte der Offizier energisch.

    „Können oder wollen Sie nicht!?“

    Der Offizier schwieg kurz und wechselte Blicke mit seinen Begleitern. Sie wussten, dass sie klar in der Unterzahl waren. Sollten sich die Schüler dazu entschließen sie zu überwinden und selbst nach dem rechten zu sehen, dann mussten sie beiseite treten und den Mob ziehen lassen. Das wiederrum käme Selbstmord gleich, wenn man bedachte wem sie unterstanden.

    „Dieser Befehl kommt von ganz oben! Sollte einer von Ihnen dieser Anordnung zuwider handeln müssen sie alle mit härtester Bestrafung rechnen!“, rief der Offizier und wurde einmal mehr von wütenden Zwischenrufen unterbrochen, was dazu führte, dass beide Parteien dazu übergingen sich anzuschreien.

    „DAS IST DOCH BULLSHIT!“

    „ICH MACHE DIE BEFEHLE NICHT! ICH FÜHRE SIE NUR AUS! UND JETZT KOMMEN SIE ALLE WIEDER RUNTER!!!“

    Severus beobachtete die Szenerie verschlafen aus seiner Sitzecke und stützte sich auf die Knie. Es war noch mitten in der Nacht und er hätte am Liebsten weitergeschlafen. Er hatte keinen blassen Schimmer, was eigentlich los war. Überhaupt keinen.
    Während sich ein Teil seiner Mitschüler noch heftig mit den Todessern über das Wie und Warum stritt kam Lucius auf ihn zu, der eine reichlich eingeschüchterte Narzissa an seiner Hand führte. Er setzte sich mit ihr neben Severus.

    „Hast du eine Idee, was da los ist?“, fragte Lucius. „Für mich klang das nach einer Explosion.“

    „Frag mich bloß nicht.“, meinte Severus.

    „Was ist los, Sev? So viel habt ihr doch gar nicht getrunken!“, meinte Narzissa leider nicht unironisch.

    Severus hätte ihr am liebsten eine gescheuert. Bevor sie zurück ins Schloss sind hatten er und Lucius noch einiges gekippt. Wahrlich Rosmertas Butterbier war alles andere als hochprozentig und man musste schon einige Flaschen trinken, um überhaupt betrunken zu werden. Und nun rächte sich der Alkohol mit dem schlimmsten Kater aller Zeiten. Das sonst so harmlose Butterbier hatte seine durchaus katastrophale Wirkung offenbart.

    Severus wank gegenüber Narzissa ab. Und so warteten sie wieder einmal auf eine „offizielle Bestätigung“ von irgendetwas. Er bekam allerdings Magenkrämpfe, wenn er – insofern es sein Kater zuließ – daran dachte, dass Graysmiths Aktion gescheitert sein könnte und der Offizier nun zusammen mit Lily irgendwo im Wald verscharrt wurde. Immerhin war er beschattet worden. Und plötzlich hatte Severus Schuldgefühle. Was wenn es allein seine Schuld war, wenn sie getötet wurden?

    Nein, an so etwas durfte er nicht denken! Nicht er hatte Menschen in den Tod geschickt! Nicht er hielt diesen Ort besetzt. Nicht er hatte ein Heer um sich gescharrt, welches nach geltendem Kriegsrecht dazu befugt war eigenmächtig, beim geringsten Verdacht auf Seperatismus das Todesurteil zu vollstrecken. Nein, nicht er war für die gewalttätigen Auswüchse der Todesser verantwortlich. Nicht er, sondern Greed.

    Nach rund einer Stunde tauchte Professor Foleman im Gemeinschaftsraum der Slytherins auf. Er war ein kräftiger, jedoch nicht korpulenter Mann Mitte Vierzig und er sah ähnlich verschlafen aus wie seine Schüler. Sein kurzes, schwarzes Haar stand ihm in alle Richtung ab. Er trug einen dunkelblauen Morgenmantel und dazu unpassende neongrüne Pantoffeln. Foleman war der Hauslehrer von Hufflepuff und unterrichtete Arithmatik.

    Er tauschte einige Worte mit den Todessern und wandte sich schließlich an die Schüler.

    „Ruhe! Ich bitte um Ruhe!“ Seine kräftige, rauhe Stimme schallte durch den Raum und wenige Sekunden später verstummten alle Anwesenden.

    „Sir, was ist geschehen?“, fragte sofort jemand.

    „Kommt Zeit, kommt Rat.“, antwortete Foleman kurz angebunden. „Sie begeben sich wieder in ihre Schlafsäle und bleiben dort. General Greed hat ein komplettes Ausgangsverbot für die nächsten 73 Stunden angeordnet. Versuchen Sie zu schlafen. Morgen früh wird der Direktor mit einer Stellungnahme vor die Schule treten. Bis dahin bleiben Sie hier. Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit. Für den Augenblick wird Lieutenant Havester die Kontrolle übernehmen.“

    Foleman deudete auf den Offizier. „Sie werden seinen Anweisungen folgen und Fragen an ihn richten. Das wäre es für den Moment.“ Der Professor gähnte herzhaft und verließ den Raum.

    „Okay …“, sagte der Offizier. „Ihr habt den Mann gehört. Zurück in eure Schlafsäle!“ Einige Schüler warfen ihm rebellische Blicke zu. „Tut, was ich sage und wir kommen gut miteinander aus. Wenn nicht, dann ist das euer Bier.“

    Nur langsam löste sich die Versammlung im Gemeinschaftsraum auf. Im Schlafsaal jedoch war nicht an Ruhe zu denken. Zwar lagen sie alle in ihren Betten, doch wurde noch lebhaft miteinander geredet.

    Einzig Severus lag still da und hatte sich die Bettdecke über den Kopf gezogen. Sein Kater war keineswegs harmloser geworden.

    ---------------------------

    Der nächste Morgen begann beunruhigend normal. Wie immer standen die Schüler von Hogwarts zwischen sechs und sieben Uhr auf, um sich gegen halb acht in der Großen Halle zum Frühstück einzufinden.

    Was dort jedoch jedem sofort auffiel war wie sehr die Reihen über Nacht gelichtet worden waren. Am Lehrertisch saß einzig Greed auf dem thronartigen Stuhl des Schulleiters, umringt von seiner Leibwache. Sein Blick schweifte durch die Halle und verweilte immer wieder bei den klaffenden Lücken an den Haustischen.

    Niemand wusste, was in der Nacht geschehen war und so breitete sie sich abermals unter den Schülern aus; diese allesbeherrschende Angst vor dem was kommen mochte. Auch Severus wurde von dieser Angst beherrscht. Er hatte das Gefühl, dass Hogwarts von alles und jedem verlassen wurde. Die Schule war seit Greeds Auftauchen zu einem dunklen und gottlosen Ort geworden und Severus fürchtete, dass diese Entwicklung noch lange nicht an ihr Ende gelangt war.

    Während des Frühstücks herrschte eine erdrückende Stille bis sich Greed endlich erhob und vor sie trat.

    „Ich bitte um eure Aufmerksamkeit!“, rief der Schulleiter als müsse er irgendjemanden zur Ordnung rufen. Die meisten Schüler waren viel zu verängstigt, um auch nur einen Mucks von sich zu geben. „Ich weiß, dass viele von euch sicherlich mit Sorge auf die Ereignisse der letzten Nacht zurückblicken und zu Recht fragen, was geschehen ist.“

    Greed machte eine wirkungsvolle Pause, um seine Worte verklingen zu lassen.

    „Hogwarts wurde Opfer eines heimtückigen Angriffs des Orden des Phönix. Unsere glorreichen Truppen konnten diese brutale Attacke auf diese Einrichtung jedoch erfolgreich zurückschlagen. Die Attentäter bekamen dabei Hilfe von Innen; von Schülern wie Lehrern gleichermaßen! Diese Spione haben uns nicht nur angegriffen! Nein, sie haben uns verraten! Glaubt mir, wenn ich euch sage, dass keiner dieser Separatisten ungeschoren davon kommen wird! Wir werden sie aufspüren und sie einer nach dem anderen zur Strecke bringen! Ihr habt mein Wort!“ Greed machte eine ausschweifende Geste und klopfte sich mit der Faus auf die Brust.

    „Des Weiteren möchte ich euch zu höchster Achtsamkeit aufrufen! Jede verdächtige Aktivität muss umgehend gemeldet werden! Wer schweigt, Speratisten hilft oder sie versteckt macht sich des Hochverrats schuldig und wird genauso hart bestraft wie ein Separatist selbst!“

    Greed wartete die Reaktion der Schüler ab, doch niemand erhob das Wort.

    „Nun, da das geklärt ist, möchte ich noch einige Veränderungen im Kollegium bekannt machen. Da die Professoren McGonnagal, Slughorn und Graysmith zusammen mit den Separatisten geflohen sind werden Professor Foleman und Tayman vorerst die Angelegenheiten der Häuser übernehmen. Professor Foleman für Ravenclaw und Slytherin und Professor Tayman für Hufflepuff und Gryffindor.“

    Severus war irgendwie für einen Augenblick glücklich nicht Tayman als Hauslehrer bekommen zu haben. Der alte Kräuterkundler war ohnehin schlecht auf ihn zu sprechen, weil er „ständig alles wisse und mit seiner Besserwisserei den Unterricht störe“. Ganz zu schweigen davon, dass Tayman Slughorn hasste und es ihm daher ein Vergnügen bereitete dessen Lieblingsschüler zu quälen.

    „Bis Ersatz für die weggefallenen Kollegen gefunden ist werden die Fächer Verwandlung, Zaubertränke und Verteidigung gegen die Dunklen Künste ausfallen!“

    Entrüstung machte sich auf den Gesichern aller Fünft- und Siebenklässler breit.

    „Aber Sir!“, rief jemand hinein. „Unsere Prüfungen!“

    „Tja, Ladies and Gentelman dann werden sie wohl etwas mehr in ihre Bücher schauen und sich weniger auf erklärungswütige Rektoren verlassen müssen.“, antwortete Greed kalt.
    Er setzte sich wieder an seinen Platz als sei nichts gewesen. Und obwohl die Aufmüpfigkeit einigen Schülern im Gesicht stand schwiegen sie. Niemand wollte schließlich bei einem Verhör enden.

    So aßen sie in gespielter Ruhe und gingen anschließend wieder in ihre Quartiere. Der Unterricht würde spärlich werden ohne die drei großen Hauptfächer. Nachmittags hatten sie zwei Stunden Kräuterkunde bei Tayman und am Abend Astronomie bei „Professor Mercure“. Eigentlich hieß der arme Mann ja Marrellius Croft und war von Dumbledore einst nicht einmal in den Rang eines Professors erhoben worden, weil er ihn angeblich aus Askaban geholt hatte, um eine Art Gefallen einzulösen. „Professor Mercure“ nannten ihn die Schüler eigentlich nur, weil Mr Croft Stunden darauf verwenden konnte über die Sterne und allen voran Merkur zu schwärmen.

    Auch die weiteren Wochentage sahen nicht besser aus. Vormittags Pflege Magischer Geschöpfe, dann gen Nachmittag wieder etwas Käuterkunde. Durch die Ausgangssperren konnten sie sich nicht einmal die überschüssige Zeit auf dem Gelände verbringen. Bis Greed seine neuen Lehrer gefunden hatte würden hier wahrscheinlich alle einen Koller bekommen und dem Wahnsinn verfallen.

    „Wie sollen wir unsere Prüfung schaffen?“, jammerte Lucius zum tausendsten Mal als sie auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum waren. „In einem Dreivierteljahr haben wir Abschlussprüfung! Aber niemanden, der mit uns den Stoff durchgeht!“

    „Bis zum Sommer hat Greed doch bestimmt jemanden gefunden.“, antwortete Severus.

    „Ja, wahrscheinlich einen Folterknecht.“

    „Wenn dann müsste er schon drei Folterknechte finden.“, warf Severus ein.

    „Mann, konnten die nicht noch bis Sommer warten bevor sie hier alles in die Luft jagen?!“

    Severus konnte die Frustration seines Freundes ja verstehen, aber wenn er wieder einmal den restlichen Tag darauf verwenden wollte ihm die Ohren vollzuheulen würde er vermutlich noch zum Mörder werden.

    Glücklicher Weise vertiefte sich Lucius im Gemeinschaftsraum in ein Gespräch mit Narzissa.
    Severus ließ sich in einen der Sessel fallen und atmete tief.

    Was zum Teufel sollte er tun? Hier sitzen bleiben und sich langweilen? Sich wieder in seine Bücher vergraben? Sich mal wieder in Selbstmitleid und Verschwörungstheorien ertränken? Oder gleich wieder ins Bett gehen und bis zum Unterricht schlafen?
    Die Antwort folgte auf dem Fuße.

    „Sev.“ Es war Narzissa. Hand in Hand mit Lucius, der etwas verschämt drein sah. „Wir haben uns etwas überlegt …“

    Severus bleckte die Zähne in grausiger Erwartung. Wenn die gute Zissia schon so anfing …

    „Und zwar wegen der Prüfung. Du bist doch Klassenbester und ich und Lu und noch ein paar andere haben uns überlegt was wäre, wenn du uns etwas beibringt. Du bist ja ohnehin immer im Stoff voraus.“

    Severus starrte die beiden an als seien sie verrückt geworden. Jetzt schon? Die ersten Anzeichen des Kollers und des nahenden Wahnsinns? Das ging ja alles viel schneller als er dachte.

    „Nur damit ich euch richtig verstanden habe; ihr wollt, dass ich euch unterrichte? Als Lehrer?“

    Narzissia nickte. Lucius hingegen hielt sich so dezent zurück wie es nur ein Malfoy tun konnte. Das heißt, er blieb im Hintergrund und tat so als sei er stumm und taub und am besten auch gleich noch blind.

    „Das ist nicht euer ernst?“ Severus bemerkte gar nicht wie er aufsprang. „Ich … ich … ich …! Nein, das kann ich nicht machen!“

    „Wieso nicht?“, fragte Narzissa mit ihrer üblichen Hartnäckigkeit. Oh, dieser verdammte blacksche Dickschädel!

    „Wieso nicht?! Vielleicht weil ich der böse, grausame Schwarzmagier bin, der nachts Erstklässler frisst und ihre Kuscheltiere in blutrünstigen, satanischen Ritualen opfert?“

    „Bitte erspar mir deinen Sarkasmus, Severus!“ Narzissa verschränkte die Arme.

    „Außerdem, wie denkt ihr euch das? Wir haben eine totale Ausgangssperre falls es euch noch nicht aufgefallen sein sollte. Wie soll ich da irgendjemanden etwas beibringen?! Ganz davon abgesehen verlangt die Aufgabe eines Lehrers dann doch mehr Sensibilät als ich aufbieten kann.“

    „Es ist auch deine Prüfung!“ Narzissa trat näher an ihn heran und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Dabei fiel ihm das erste Mal so richtig auf, dass sie ihn tatsächlich um einige Zentimeter überragte.

    Severus begann hysterisch zu lachen. Das war alles so bizarr. Greed pferchte sie ein, drohte ihnen mit einem qualvollen Tod und trotzdem galten ihre einzigen Sorgen ihren Zensuren?

    „Lucius, jetzt sag doch auch mal was!“, forderte Severus seinen Freund auf. Lucius jedoch wurde immer kleiner, immer tauber, immer stummer und war wohl auch bereits einer vollendeten Blindheit anheim gefallen, was im Endeffekt bedeutete, dass er sich zunehmend in Luft verwandelte und Narzissa liebend gern den Vortritt ließ.

    „Narzissa …“ Severus versuchte sich zu Sammeln. „… ich bitte dich, das kannst du nicht von mir verlangen. Und wie soll das funktionieren? Ich kann hier niemanden unterrichten. Dazu braucht man Material, Equipment, Lehrräume! Mal ganz davon abgesehen, dass ihr nur für euch sprecht. Habt ihr mal die anderen gefragt, was die davon halten?“

    „Dieses Mal verkriechst du dich nicht in deinem Mäuseloch, Snape!“, sagte Narzissa. Severus blieb der Mund offen stehen.

    Wie bitte?!

    „Ich habe mit einigen Leuten aus der 7. Klasse gesprochen. Wir haben alle Angst. Vor dem General und davor was passiert, wenn er uns in seiner Ignoranz durch die Prüfungen rasseln lässt. Ich habe den anderen noch nicht erzählt wen ich für das Ganze einspannen will, aber du bist der Einzige, der mir einfiel.“

    „Die werden mir doch gar nicht zuhören!“, protestierte Severus weiter. Er? Lehrer? Das war ja wohl ein schlechter Witz!

    „Da hat wohl jemand noch etwas Selbstbewusstsein nötig, was?“, sagte Narzissa.

    Severus warf das Handtuch und ließ sich in seinen Sessel zurückfallen. Es war eine absolut bescheuerte Idee, die Zissia da ausgeheckt hatte. Und ganz bestimmt war es nur ihre Idee gewesen! Lucius hatte sie wohl nur mitgeschleppt damit er ihr als menschliche Salzsäule beistand.

    „Na gut. Na gut, wie du willst, aber ich prophezeie dir, dass das nicht gut enden wird!“

    „Ich wusste gar nicht, dass du etwas für Wahrsagen übrig hast?“, entgegnete Narzissa bevor sie sich mit einem garstigen Siegerlächeln von ihm abwand.

    Severus verfluchte sich jetzt schon dafür, dass er sich hatte für so ein Unternehmen breitschlagen lassen.

    „Kopf hoch, Sev!“, sagte Lucius plötzlich, der offenbar all seine Handicaps wieder verloren hatte und ihm ermutigend auf die Schulter klopfte.

    „Sag bloß du unterstützt den ganzen Scheiß!?“

    „Wir brauchen deine Hilfe. Ich weiß, dass du das nicht gerne machst, aber wir können nicht auf Greed warten.“

    Severus verschränkte die Arme, knurrte Flüche in sich hinein und rutschte den Sessel hinunter. Es passte ihm ganz und gar nicht, dass Lucius den Vorschlag seiner Freundin unterstützte. Warum konnte er ihm nicht sagen, dass Narzissa nicht ganz auf der Höhe war, weil sie sich offenbar den Kopf an der Bettkante gestoßen hatte?

    In den folgenden Stunden fügte sich Severus jedoch seinem ungewollten Schicksal und überlegte sich einen Plan, wann und wo sie ihr erstes Treffen abhalten konnten. Leider fiel ihm vorerst kein anderer Ort als die Jungenduschräume nach 23 Uhr ein. Die Ausgangssperren schränkte die Auswahl an freien Räumen immerhin erheblich ein. Und damit die anwesenden Damen sich nicht diskriminiert fühlten würden sie sich beim nächsten Mal eben in der Mädchendusche treffen. Insofern es ein nächstes Mal geben würde.

    Ihr erstes Treffen hielten sie in der folgenden Nacht ab. Zu Severus’ Überraschung kamen alle Slytherins seines Jahrgangs, woraufhin es im Bad dann doch etwas eng wurde. Sie hockten sich auf den gefliesten Boden.

    „Einige Leute?“, knurrte er Narzissa an.

    „Einige ist eine undefinierte, ungenaue und sehr vage, relative Angabe, weshalb du dich eigentlich nicht beschweren kannst.“, antwortete sie trocken.

    Severus erhob sich zögerlich, woraufhin sich die Blicke einige seiner Mitschüler verfinsterten.

    „Ähm, Hi, …“, war zunächst alles, was er herausbrachte und daraufhin nochmals tief durchatmete. Das konnte ja nur in die Hose gehen! „Ich schätze, ihr wisst alle warum wir hier sind, oder?“

    „Du hast uns nicht erzählt, dass er dein Lehrerersatz ist!“, sagte plötzlich ein Mädchen, das sich an einen der Spinde lehnte. Sie hieß, Laurie Stonefield und wirkte trotz ihrer ausgeprägten, weiblichen Formen recht maskulin.

    Sie war ungeschminkt, trug bevorzugt lange, Sweatshirts und Jeans und hatte wahrlich überhaupt nichts für Kleider oder anderen Weiberkram übrig. Severus hatte sie bereits in der ersten Woche der 1. Klasse lieb gewonnen als sie ihm aufgrund einer Bemerkung bezüglich ihres schon damals eher männlich anmutenden Erscheinungsbilds eine Schüssel mit Schokopudding über dem Kopf ausleerte. Im Gegenzug hatte er ihr eine Woche später einen Eimer mit Einhorndung übergestülpt.

    So gesehen war es also Liebe auf den ersten Blick.

    „Ich bin hier, weil Narzissa mich gefragt hat. Wem das nicht passt, der kann ja gerne gehen.“

    Laurie antwortete nichts, aber deutete dafür eine obszöne Geste mit der Hand an.

    „Keiner?“, fragte Severus und blickte in die Runde. „Dann können wir ja anfangen.“ Er räusperte sich, um noch etwas Zeit zu schinden. „Da es General Greed augenblicklich nicht für besonders wichtig hält unsere Ausbildung zu gewährleisten will ich versuchen so viel zu helfen wie ich kann. Ich denke, wir sollte uns erst auf vorhandene Schwächen konzentrieren, bevor wir mit fortgeschrittenen Sachen weitermachen.“

    „Hältst du uns etwa für dumm?“, fragte Felix McCann. Er war ein molliger Junge mit braunen Locken und einem immer etwas naiven Gesichtsausdruck. Er wusste, dass Felix keineswegs dumm war, aber dass ihn einige Leute dafür hielten.

    „Nein, aber wenn man Defizite in den Grundlagen aufweist hat man es später umso schwerer. Ich denke, wir fangen am besten mit Verwandlung an. Verteidigung gegen die Dunklen Künste würde wohl unvermeidbare Sachschäden mit sich bringen und für Zaubertränke haben wir wohl auch nicht genügend Platz.“

    „Wir könnten die Kessel ins Waschbecken stellen und magisch beheizen.“, meldete sich der reichlich zu kurz geratene Josh Nimroy zu Wort, der es aufgrund seiner Körpergröße fertig brachte sich unter eines der Waschbecken zu zwängen.

    Daran hatte Severus noch gar nicht gedacht, doch das löste das Problem nur Teilweise. In Zaubertränke ging es ja nicht nur ums Brauen selbst, sondern um chemische Versuchsreihen. Die erforderlichen Chemikalien und Zutaten konnte er sich immerhin nicht einfach aus dem Ärmel schütteln.

    „Das hier ist eine Notlösung. Ich hoffe ja, dass die Ausgangssperre nicht ewig anhalten wird.“

    Und damit hoffte Severus insgeheim auch darauf, dass sich Greed trotz aller Ignoranz mit dem Besetzen der freien Stellen beeilen würde. Er hatte nach wie vor keine Lust für womöglich den Rest des Jahres den Aushilfslehrer spielen zu müssen.

    „Also fangen wir mit Verwandlung an.“, sagte Severus und ging mit seinen Schülern – Oh Gott, wie er es hasste das auch nur zu denken! – zunächst die Grundlagen der Verwandlungsmagie durch.

    Dort gab es bei den einen oder anderen einige klaffende Löcher zu beseitigen. Es war schon erstaunlich wie wenig Verständnis von Magie Magier haben konnten, wenn es darauf ankam. Sein Unterricht dauerte bis knapp zwei Uhr morgens. Dann war er einfach zu müde, um immer und immer wieder das Selbe zu erklären. Dabei wäre ihm das eine oder andere Mal fast der Kragen geplatzt, weil er einfach nicht begreifen konnte, was so schwer daran war den Unterschied zwischen der Transformation biologischer und geologischer Materie zu verstehen. Er ging schließlich soweit es anhand von Atomen und Molekülen erklären zu wollen bis ihm jedoch einfiel, dass die meisten Magier – insofern sie nicht in einer halbblütigen Familie aufwuchsen – garantiert noch nie etwas davon gehört hatten.

    Magie hatte ironischer Weise extrem fiel mit Mathematik, Physik und Chemie zutun. Sie war nichts Mythisches, sondern unterlag wie alles andere auch den Naturgesetzen. Es war eine unsichtbare Kraft, die über eine Art Auslöser im Gehirn fokusiert und verwendet werden konnte. Die materiellen Zusammenhänge – gerade in Verwandlung oder Zaubertränke – waren jedoch Naturwissenschaften pur. Man veränderte dabei die molekulare Zusammensetzung von lebenden oder festen Objekten. Das weitaus größere Mysterium war woher die enorme Energie kam, die diese Prozesse auslösen konnte. Die stoffliche Struktur eines Lebewesens zu verändern war etwas wahrhaft unglaubliches. Es gab Theorien darüber, dass Magier bei der Anwendung von Zaubern, Bannen oder Flüchen die benötigte Energie aus ihrem Umfeld herauszogen. Die gesamte Umwelt eines Menschen war von energetischen Strömen umgeben. Elektrizität, Magnetismus oder niedrig- und hochfrequente Wellen von Licht und Geräuschen, die einem Menschen seine Sinne ermöglichten. Ähnlich war es mit der magischen Energie. Man konnte sie nicht sehen, aber sie war da und nahm direkten Einfluss auf ihre Umwelt sobald ein Magier sie über sein Gehirn und ein Fokusierungsmittel angezapft hat. Sobald das geschieht entzieht man Energie aus der Umwelt, um sie für sich selbst zu nutzen. So weit so gut.

    Das wirkliche Problem war eher, dass niemand so recht wusste wie magische Energie reproduziert wird. Die einen meinen, dass der menschliche Körper seine eigene, magische Energie während des Schlafes regenerierte oder er sie einfach, ähnlich wie die körpereigene Elektrizität, innerhalb des Körpers selbst produziert. Andere hingegen meinen, dass diese Energie hauptsächlich vom Planeten selbst und weniger von Lebewesen abgegeben wird und Magier somit der Erde Energie entziehen. Und wieder ganz andere sind überzeugt, dass die Magie ein Teil eines spirituellen Energiespektrums ist und daher nur am Rande von der Naturwissenschaft erfasst werden kann.

    Trotz aller Theorien und umstrittenen Untersuchungen war Magie dennoch einfach zu verstehen. Das Muster wie sie verwendet wurde war wie das Einatmen von Luft. Man entzieht seiner Atmosphäre den lebenswichtigen Stoff, um diesen für sich selbst zu nutzen und in Kraft für das Getriebe umzuwandeln.

    Sicher, in den meisten Schulbüchern war das völlig umständlich erklärt, weil man tunlichst irgendwelche Vergleiche zu Muggelwissenschaften vermeiden wollte. Das wäre ja schließlich noch schöner, wenn man plötzlich eingestehen müsste, dass die von Muggeln ergründeten Naturwissenschaften auch das Leben von Magiern beeinflussten. Wäre es nach den Leuten im Ministerium gegangen, dann würde man wohl selbst die Gesetzmäßigkeiten von Gravitation und Schwerkraft leugnen. Eben aus Prinzip heraus. Selbst wenn man eine Minute später die Treppe herunter fällt und sich dabei sämtliche Knochen bricht.

    Als Severus später im Bett lag lehnte sich Lucius zu ihm hinüber.

    „Du bis kein schlechter Lehrer. Vielleicht solltest du das nach dem Dienst als Job in Betracht ziehen“

    „Pff.“, machte Severus und drehte sich auf die Seite. „Das sagst du bloß, um mich zu ärgern.“

    „Nein, ehrlich …“

    „Ach, halt die Klappe! Ich bin froh, wenn ich das hier nicht länger als nötig machen muss. Da hat mir deine Geliebte ja was Tolles eingebrockt!“

    „Jetzt sei nicht so!“, erwiderte Lucius fast einwenig gekränkt. „Du hast dich heute doch ganz gut geschlagen.“

    Severus winkte ab und rollte sich ein. Er wollte kein Wort mehr davon hören! Lehrer! Er! Seine Nerven waren nach dieser einen Nacht ohnehin nicht mehr die besten. Er hatte sich manchmal wirklich beherrschen müssen nicht irgendetwas Fieses zu sagen, wenn ihm wieder einmal Dinge gefragt wurden, die er erst fünf Minuten vorher lang und breit erklärt hatte. Bei dem Gedanken daran, so etwas vielleicht über Monate oder gar Jahre und Jahrzehnte hinweg zu machen wurde ihm ganz schlecht! Da konnte er plötzlich nachvollziehen warum so viele Lehrer so schlechte Laune hatten.

    ---------------------------

    Nach den von Greed angekündigten drei Tagen wurde die Ausgangssperre aufgehoben, doch die ihm unterstehenden Männer waren dennoch nervös genug. An den Eingängen zum Schloss waren nun Trupps stationiert worden, die regelmäßig ihre Taschen kontrollierten und verdächtige Gegenstände konfiszierten. Dabei war gern alles verdächtig, was auch nur im Entferntesten zweckentfremdet werden konnte. Und das wiederum hieß, dass die Todesser ihnen manchmal selbst Stifte abnahmen. Andererseits konnte Severus es verstehen. Er hatte schon das eine oder andere Mal einen Bleistift im Nacken stecken gehabt, weil irgendjemand in der Pause meinte Slytherins erdolchen zu müssen.

    Davon abgesehen hatte sich jedoch nicht viel seit dem Anschlag geändert. Ihr Unterricht fiel in den nächsten Wochen weiterhin kontinuierlich aus, weshalb er sich in der Woche mehrmals als Aushilfslehrer betätigen musste. Dank der aufgehobenen Ausgangssperre mussten sie ihre Treffen allerdings nicht mehr in der Dusche abhalten, weshalb er nun auch Verteidigung gegen die Dunklen Künste auf den Plan rufen konnte. Zaubertränke war allerdings immer noch ein Problem. Nicht zuletzt deshalb, weil sich herausstellte, dass Slughorn auf seiner Flucht offenbar sämtliche Schlüssel zu den Unterrichtsräumen in den Kerkern hatte mitgehen lassen. Schließlich versuchte es Severus mit verschiedenen Öffnungszaubern und ganz zum Schluss mit purer Gewalt, doch die alte Eichentür erwies sich als stabiler als erwartet. Das wiederrum bescherte Severus einen verstauchten Fuß, da die Tür bei seinem Versuch sie einfach einzutreten keineswegs nachgab.

    Im Film sah so was irgendwie immer viel einfacher aus als es war. Und all die Fernsehcops verknacksten sich in der Regel auch nie sämtliche Gelenke, wenn sie allerhand verdächtige Türen auftraten.

    Er humpelte schließlich in den Gemeinschaftsraum zurück wo er sein geschwollenes Gelenk betrachtete.

    „Das sollte sich mal jemand ansehen.“, sagte Narzissa als sie ihn beobachtete.

    „Das ist nur halb so schlimm.“

    „Ach wirklich?“ Narzissa schlug ihn mit der Hand auf den Fuß woraufhin er einen grauenerfüllten Schrei ausstieß.

    „Schmerzhaft?“

    „Mach das noch mal und du hast Schmerzen!“, giftete Severus und sog eine Socke wieder vorsichtig über den Fuß. „Außerdem, was interessiert es dich, ob ich mich selbst verstümmle oder nicht!?“

    „Du musst uns schließlich noch etwas beibringen.“

    Severus fletschte die Zähne und es hätte wahrlich nicht viel gefehlt und er hätte angefangen zu knurren. Narzissa nutzte jede Gelegenheit, um ihn klar zu machen warum er sich gar keinen Grund aus den Fingern saugen braucht, um nicht mehr den Nachhilfslehrer spielen zu müssen. Er hasste es, dass sie ihn so gut im Griff zu haben schien. Dieses Weib …!

    So sehr er Narzissa verfluchte, so schnell wurde ihm auch klar, dass er doch noch einen Abstecher zu Madam Pomfrey unternehmen musste.

    Und so humpelte er bei jedem Schritt vor Schmerz fluchend die Treppen hinauf zum Krankensaal. Wahrscheinlich würde ihm Pomfrey wieder eine Rede reden, dass er gefälligst mehr auf sich achten sollte. Sei es drum! Er ließ ihre ewigen Ansprachen des ewigen, vorwurfsvollen Mitleids für seine ständigen Selbstverstümmlungen nun schon seit sieben Jahren über sich ergehen. Da kam es auf einmal mehr auch nicht drauf an.

    „Wissen Sie, man könnte glauben Sie seien Quidditschspieler, so oft wie Sie hier sitzen.“, bemerkte die Krankenschwester als sie seinen Fuß untersuchte. „Ich fürchte das Gelenk ist gebrochen. Sagen Sie mir wie Sie das jetzt wieder geschafft haben?“

    „Habe ich schon erwähnt wie viel Unfallrisiko diese witzlosen, stufenlosen Treppen bieten?“, entgegnete Severus trocken.

    „Ist es nicht seltsam, Mr Snape. Fast immer wenn Sie bei mir sitzen sind angeblich unsere Treppen schuld.“, stichelte Pomfrey.

    „Tja, da sieht man erstmal wie gefährlich die doch sind. Vielleicht sollte Hogwarts auf ein stinknormales Treppenhaus umrüsten?“

    „Diese Treppen gibt es schon seit über 1000 Jahren.“, kommentierte die Krankenschwester seinen pflegelhaften Vorschlag.

    „Ah, ich vergaß: die Jahrhunderte alte Tradition des Knochenbrechens.“

    „Wissen Sie, dass Sie der Einzige sind, der so vehement gegen unsere Treppen wettert?“
    „Da sehen Sie mal wie traumatisiert ich bereits bin.“, sagte Severus und musste sich das Lachen verkneifen. Das hätte sonst alles verdorben.

    Pomfrey verpasste ihm einen Verband und ein Glas Skelewachs, das er so schnell wie nur möglich hinunterkippte. Im Grunde war das Zeug wie hochprozentiger Alkohol. Je weniger Kontakt es mit den Geschmacksnerven hatte desto besser.

    Der Fuß heilte zwar nicht so schnell wie erwartet, aber dennoch schnell genug damit Severus wieder den Lehrer spielen konnte. Obwohl er sich seinem Schicksal gefügt hatte gefiel ihm das Unterrichten zu keiner Minute. Das einzig positive daran war, dass die Tage schneller vergingen und er nicht so viel Zeit damit verbringen konnte seinen düsteren Gedanken hinterher zu hängen.

    Und so dauerte es auch nicht lang bis der erste Schnee fiel und Weihnachten immer näher rückte. Für Severus würde das wohl eines der deprimierendensten Weihnachten aller Zeiten werden. Nach Hause konnte und wollte er nicht mehr, denn er pflegte sein Wort zu halten. Beim Gedanken an Jennifer und wie sehr er sich in den tiefen seines Herzens nach ihr sehnte krampfte sich zwar sein Magen zusammen, doch er musste sich zusammenreisen. Severus hatte sie schließlich nicht verlassen, weil er sie nicht liebte, sondern gerade deshalb weil er es tat. So nahm er sich zusammen und trug sich in die Liste derjenigen ein, die über die Ferien in Hogwarts bleiben würden. Die meisten Schüler fuhren über die Feiertage zu ihren Eltern und entsprechend kurz war die Liste auch. Aus dem Haus Slytherin blieben sogar nur drei Mann. Severus, ein Erstklässler namens Jim Pie und Laurie Stonefield. Er würde Laurie wohl besser aus dem Weg gehen. Sie hatte einen Dickschädel, der dem seinen in nichts nachstand und das hatte sie ihn auch jedes Mal, wenn sie versammelt waren spüren lassen. Ganz zu schweigen davon, dass sie eine der wenigen muggelstämmigen Slytherins war und allein diese Tatsache hatte zu ihrem Außenseiterdasein beigetragen. Sie hatte sich seit jeher gegen ihre reinblütigen Mitschüler durchsetzen müssen. Manchmal bewunderte Severus sie schon einwenig, was natürlich nichts an ihrer durchaus abträglichen Beziehung änderte. Laurie nutzte jede noch so kleine Gelegenheit, um ihm eins überzubraten. Egal ob nun verbal oder physisch.

    Am Sonntag vor Ferienbeginn verabschiedete er Lucius und Narzissa am Bahnhof von Hogsmead. Sie sagten sich ein paar nette, mechanische Worte zum Abschied und sah dem abfahrenden Zug mit einem seltsamen Gefühl hinterher. Er war noch nie über die Ferien im fast leeren Hogwarts geblieben und es breitete sich in ihm eine merkwürdige Wehmut aus.
    Er, allein mit Laurie Stonefield und ein paar hundert Todessern; das konnte ja bloß heiter werden.

    Severus zog seinen grünen Slytherinschal enger und stampfte durch den Schnee in Richtung einer kleinen Hütte, die hinter dem Bahnhof stand. Es war eine Art Kiosk in dem ein alter Mann saß, der gerade den Tagespropheten studierte. Er war in einen dicken Anorak, Pudelmütze, Schal und Handschuhe gekleidet. Auf seiner knochrigen Nase saß eine schiefe Drahtbrille, deren Gläser durch den heißen Dampf seines Tees, den er vor sich auf der Teke stehen hatte regelmäßig beschlugen.

    „Marlbaro?“, fragte der Mann, kaum dass er Severus erblickte.

    „Haben Sie noch welche?“

    „Ein paar. Greeds Bande hat offenbar nichts Besseres zutun als mir die Bestände wegzurauchen.“

    „Das wird die Tabakindustrie sicherlich freuen.“, meinte Severus.

    „Aber mich nicht! Sag’s niemanden weiter; aber Greed scheint wohl einige Probleme bei der Vorsorgung seiner Leute mit Nachschub zu haben. Die kommen immer öfter ins Dorf und plündern die Läden regelrecht. Manchmal können die nicht einmal richtig bezahlen.“

    „Tja, ich kann, Mr Krawalsky. Zwei Schachteln.“

    Der Mann gab ihm die Zigaretten und Severus gab ihm das Geld.

    „Wie kommt’s denn, dass du hier bleibst?“, fragte Mr Krawalsky schließlich.

    „Ich möchte einwenig für mich sein.“

    „Zu Weihnachten sollte man doch bei seiner Familie sein.“

    „Wenn man eine hat, Mr Krawalsky. Wenn man eine hat.“, antwortete Severus und verabschiedete sich. Der alte Mann sah ihn nachdenklich hinterher.

    ---------------------------

    Hogwarts entpuppte sich als ein seltsamer Ort, so leer und verlassen wie er nun war. Ohne die lärmenden Schülerscharen fehlte etwas Elementares in den altehrwürdigen Hallen des Schlosses. Trotz der Todesser, die durchs Schloss und auf den Ländereien patrouillierten waren die Tage und Nächte von einer gespenstischen Ruhe. So ruhig, dass Severus das Gemäuer atmen hören konnte, wenn der Wind es angriff.

    Tags über wanderte er über die Ländereien und genoss diese Ruhe einfach nur. Es hatte etwas Beruhigendes den Wellen am Ufer des nicht ganz gefrorenen Sees zu lauschen, zu hören welche Laute der Wind aus dem Umland herantrug. Severus gewöhnte sich sehr schnell an die Leere des Schlosses und daran mit niemandem den Schlafsaal teilen zu müssen. Das wiederum sorgte dafür, dass er sich beim Einschlafen manchmal unwillkürlich flüstern hörte: „Gute Nacht, Jenny.“

    An Heilig Abend saß er im Gemeinschaftsraum und sah zu wie Laurie mit dem elfjährigen Jim eine Partie Zauberschach nach der anderen spielte. Dabei entpuppte sich der Knirps als ausgebuffter Stratege, der seine Gegenspielerin gehörig ins Schwitzen brachte.

    Auf der Lehne von Severus’ Sessel saß Leonidas. Tobias hatte ihm eine Karte und einen Brief geschickt. Die Karte war verzaubert worden und der darauf zu sehende Weihnachtsmann sprang herzhaft in die Esse, blieb dann jedoch stecken und wurde von einem Rentier mit den Zähnen am Fuß herausgezogen. Das Ganze trug eindeutig die Handschrift von Tante Josephine. Sie machte diese verzauberten Karten meist selbst. Darin waren die Glückwünsche der halben Verwandtschaft enthalten. Der Brief jedoch stammte von seinem Vater.

    Frohe Weihnachten Severus,

    ich hoffe es geht dir gut und du hast die Karte und diesen Brief erhalten. Leonidas ist mittlerweile nicht mehr der Jüngste und verfehlt neuerdings ab und an sein Ziel.

    Ich möchte dir nicht erneut sagen, dass mir das Vergangene Leid tut. Ich denke, es bringt nichts sich zu entschuldigen wo wir doch beide wissen, dass du diesen Brief ohnehin nicht beantworten wirst. Ich kann nur um dein Verständnis für meine Entscheidungen bitten.
    Aber ich habe diesen Brief nicht geschrieben, um alte Wunder aufzureisen. Wenn ich das getan haben sollte, dann tut es mir aufrichtig Leid.
    Ich möchte dir nur miteilen, dass ich und Sandra im Frühjahr heiraten werden. Du bist herzlich zur Hochzeit eingeladen, ob du kommst überlasse ich dir, aber ich hoffe es sehr. Wir würden uns alle sehr freuen dich wieder zu sehen.

    Liebe Grüße,
    dein Vater Tobias

    Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Eine Hochzeit auf der er so tun müsste asl würde er sich unglaublich für seinen Vater freuen. Das tat er definitiv nicht! Er akzeptierte seine Entscheidung, aber er würde diese Fremde nie als Mutter sehen und er hatte auch kein Interesse daran sie näher kennen zu lernen. Seine Mutter war tot. Unwiderruflich! Diesen Platz konnte keine Fremde ersetzen und sei sein Vater noch so sehr in sie verliebt.

    Zurückzukehren wäre ohnehin falsch. Er würde seine Verwandtschaft unnötig in Gefahr bringen und wahrscheinlich könnte er sich dann nicht zurückhalten und würde Jennifer besuchen. Nein, er musste hier bleiben. Die Welt der Muggel war nicht mehr die seine. Dafür hatte das Ministerium schon gesorgt – wenn auch indirekt.

    Severus steckte den Brief und die Karte weg. Er spielte einen Augenblick mit dem Gedanken sie am besten gleich in den Kamin zu werfen, um mögliche Beweise zu vernichten, doch er behielt sie. Dafür begab er sich nach oben in den Schlafsaal und griff zu Tinte und Papier. Er wusste nicht genau warum er es tat. Vielleicht weil er irgendjemanden wissen lassen wollte wie es ihm ging.

    Frohe Weihnachten Jennifer,

    ich weiß, dass als wir uns getrennt haben ich eigentlich restlos verschwinden wollte. Und obwohl ich glaube, dass dieser Brief dich in Gefahr bringt werde ich ihn schreiben. Ich möchte nur, dass du weißt, dass du mir sehr viel bedeutest.
    Die Welt ist ein kalter Ort und er wird immer kälter. Du gibst mir wärme. Als einziger Mensch, den ich kenne.
    Ich habe in den letzten Monaten viele Menschen verloren und einer davon war ein guter Freund. Es ist gut möglich, dass du erst in Monaten vielleicht auch Jahren wieder etwas von mir hörst. Die Lage hier ist sehr angespannt. Es gab einen Anschlag und ich weiß nicht wie es weitergeht. In 6 Monaten habe ich meine Prüfungen und anschließend wartet der Militärdienst auf mich. Ich weiß nicht was danach kommt. Ich weiß nicht wohin ich gehe. Aber ich möchte dir aus ganzem Herzen sagen, dass ich dich liebe.

    In Liebe,
    Severus

    Er saß einen Augenblick über dem Brief und überlegte seinen Zauberstab zu ziehen und ihn zu pulverisieren. Das war doch verrückt! Er hatte sich von ihr und allen Menschen, die er außerhalb von Hogwarts hatte getrennt, um sie außer Gefahr zu bringen. Seit einem halben Jahr hatte er mit niemandem mehr auch nur eine Eule gewechselt und nun wollte er plötzlich wieder reden? Warum? Er wusste es nicht. Vielleicht machte ihn die Angst vor Greed langsam wahnsinnig. Gott, wie er diesen Mann hasste! Wie er dieses Gefängnis von Schule hasste! Etwas anderes war Hogwarts mittlerweile nicht mehr.

    Severus holte sein Feuerzeug aus der Tasche und verbrannte das Papier. Er ließ es auf den steinernen Boden fallen und sah zu wie es sich leise in den kleinen Flammen zusammenrollte und seine Worte auslöschte. Er musste einen kühlen Kopf behalten. Und Liebesbriefe waren bloß ein Restprodukt seiner Sehnsucht nach Jennifer. Das Letzte, was er wollte war sie in derartig emotionaler Sülze zu ertränken. Es musste an Weihnachten liegen. Jenen Feiertagen im Jahr, an denen jeder Mensch zu gern sentimentalen Schrott produzierte.

    Nein, er würde schweigen und seinen Weg fernab der Menschen einschlagen, die er liebte. Er würde den Todessern keine Gelegenheit geben sich nach seiner Mutter auch noch den Rest seiner Familie und Freunde zu holen. Dafür würde er sorgen.

    Severus ging wieder hinunter zu den anderen. Laurie weigerte sich gerade vehement mit Jim noch eine weitere Runde Zauberschach zu spielen. Offenbar hatte auch sie gelernt, wann es besser war aufzugeben.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 31: The Ministry Wants You!

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:50

    Dieser Winter war einer der schlimmsten, den Hogwarts je gesehen hatte. Pro Tag fielen fast 30 Zentimeter Schnee und Sturm brauste über das Land und wehte innerhalb von Minuten alle zuvor freigeschaufelten Wege wieder zu. Die Todesser hatten fast den ganzen Tag damit zutun ihre Anlagen vom Schnee zu befreien und wurden mehr als offensichtlich von Tag zu Tag missmutiger.

    Der Winter machte ihnen allen zu schaffen und Severus war direkt froh in der Schule zu sein, auch wenn es in den Kerkern vor allem nachts so kalt wurde, dass er sich mit mehreren Pullovern übereinander ins Bett legen musste. Wenn er abends von den Mauern hinunter zur Befestigungsanlage blickte sah er Greeds Männer oft an den Feuerstellen zusammenstehen. Über Weihnachten hatte er auch gesehen wie sie dort unten immer wieder mit Branntwein abgefüllt gestanden hatten und heiter allerhand Weihnachtslieder sangen – auch wenn bei einigen der Männer das Wort grölen wohl besser gepasst hätte. Manche von ihnen trugen an den Feiertagen auch anstatt ihrer Helme rote Zipfelmützen und bewarfen vorbeigehende Schüler mit Schneebällen.

    Severus glaubte die Todesser noch nie so gut gelaunt erlebt zu haben wie an diesen drei Tagen des Weihnachtsfestes. Danach waren viele von ihnen jedoch sehr schnell wieder die alten.

    Severus hingegen verbrachte die Feiertage vor allem damit für seine Prüfungen zu lernen und so zu tun als ob ihm das ganze Fest der Liebe am Arsch vorbei ginge. Das Problem war jedoch, dass er seitdem er den Brief von Tobias bekommen hatte immer öfter mit den Gedanken bei den Menschen hing, die er verlassen hatte. Er fragte sich oft wie es Jennifer wohl ging, wie seine Familie wohl ohne ihn zu recht kam und wie sie ohne ihn gefeiert hatten. Schuldgefühle beschlichen ihn und er hätte an manchen Tagen seine Entscheidung wohl nur zu gern rückgängig gemacht, aber dennoch blieb er hart und versuchte sich nicht von seinen eigenen Zweifeln zermürben zu lassen.

    „He, Severus …“, sagte der kleine Jim am Abend von Silvester unvermittelt zu ihm. Er saß schweigend in seinem Sessel und hatte sich gerade in ein Buch über die Satyrenkriege im 13. Jahrhundert vertieft, weshalb er sie zunächst gar nicht bemerkte.

    „Was ist?“, grummelte Severus.

    „Kann ich dir ein Geheimnis erzählen?“

    Severus sah auf und musterte den Jungen skeptisch.

    „Was für eine Art Geheimnis?“

    „Die Art für die einen das Ministerium abholt.“, flüsterte Jim nun.

    „Warum sollte solch ein Geheimnis bei mir sicher sein?“

    „Weil du auch mit Mr Graysmith zusammen warst. So wie ich.“

    Severus wurde hellhörig. Dieser Knirps wollte ihm erzählen, dass er auch mit Victor Graysmith zutun hatte – und zwar in höchst konspirativer Weise?

    „Nicht hier!“, sagte er unverzüglich und sah zu Laurie hinüber. „Bereden wir das an einem stillen Ort.“

    Und so ging er mit dem kleinen Jim im Schlepptau zum erstbesten, stillen Ort, der ihm einfiel: die Jungendusche.

    „Was hat so ein Winzling wie du mit jemanden wie Graysmith zu schaffen?“, fragte Severus unverzüglich, nachdem er die Tür geschlossen hatte.

    „Greed hat nicht alle Muggelstämmigen erwischt. Laurie und ich haben einen gefälschten Blutstatus. Graysmith hat einigen von uns einen versorgen können, bevor die Todesser uns aussortiert haben. Wir sind sozusagen illegal in Hogwarts.“, sagte Jim.

    Severus zerbrach sich daraufhin den Kopf darüber wie man einen Blutstatus fälschen konnte. Das war unmöglich – zumindest rein theoretisch.

    „Und was willst du von mir?“, fragte er Jim.

    „Die Magische Garde hat an Heilig Abend das Haus meiner Eltern gestürmt und sie mitgenommen. Du scheinst mir vertrauenswürdig.“

    „Das ist keine Antwort auf meine Frage.“

    „Kannst du …“ Die Ohren des Jungen färbten sich rot und er begann sich zieren wie ein kleines Schulmädchen. „Kannst du … auf mich aufpassen? Ich habe Angst, dass sie es herausfinden.“

    „Und was soll ich dann deiner Meinung nach tun? Eine ganze Brigade Todesser über den Haufen fluchen?“, fragte Severus gereizt.

    Er konnte den Knirps ja irgendwo verstehen. Er hatte Angst, so wie die meisten Leute, aber Severus konnte nicht auf ihn aufpassen. Das ging nicht! Nicht an diesem Ort.
    Er konnte sehen wie Jims Augen sich mit Tränen füllten.

    „Es geht nicht.“, sagte Severus zu ihm und der verzweifelte Blick des Jungen versetzte ihm einen Stich in die Eingeweide. „Hör mal, ich kann dich nicht beschützen. Wir sind sechs Jahrgänge auseinander. Es geht einfach nicht!“

    „Der General wird uns alle töten, oder?“ Nun begann Jim wirklich zu weinen.

    „Nein, nein, nein, wird er nicht.“, sagte Severus weniger aus Überzeugung, sondern mehr aus Reflex. Er wusste nicht genau wie es geschah und was ihn dazu brachte, doch er hockte sich vor Jim hin und nahm ihn in den Arm.

    „Es ist nicht fair, überhaupt nicht fair.“, sagte Severus und war sich für einen Augenblick nicht sicher, ob er das Schicksal des Jungen oder sein eigenes meinte. „Okay, hör auf zu weinen, klar? Das bringt auch nichts!“

    Jim wischte sich die Tränen mit dem Ärmel seines Pullovers aus den Augen und nickte.

    „Gut, jetzt wasch dich. Ich will nicht, dass es aussieht als hätte ich dir was getan. Ich warte dann draußen.“, sagte Severus und ging wieder in den Gemeinschaftsraum.

    Ein Funken Mitleid rührte sich in seinem Inneren, doch er verdrängte es zielstrebig. Er konnte dem jungen nicht helfen. Sie waren alle auf sich allein gestellt in diesen Zeiten. Alle waren sie allein – und niemand konnte das ändern.

    Zurück im Gemeinschaftsraum sah Severus auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor 23 Uhr. Noch knapp eine Stunde und die Lehrer würden im Schlosshof das alljährliche Feuerwerk loslassen. Er hatte es zwar noch nie live erlebt, doch angeblich sollte es gigantisch sein.

    Severus zog sich seinen dicken Hogwartspullover und seine Lederjacke an, schnappte sich seine Zigaretten und ging hinaus. Er stellte sich auf eine der Burgmauern über dem Hof und zündete sich eine an.

    „He, Junge, was machst du hier?“, fragte einer der Schlosswächter. Er war noch jung. Wenn überhaupt hatte er gerade einmal die Zwanzig überschritten.

    „Ich warte auf das Neujahr.“, antwortete Severus ruhig.

    „Neujahr? Das ist aber noch ’ne Weile hin. Bis dahin hast du dir sämtliche Körperteile hier draußen abgefroren! Mach, dass du rein ins Warme kommst!“

    „Drinnen ist es auch nicht um so vieles wärmer, Sir. Wollen Sie eine?“, sagte Severus und bot dem Todesser eine Zigarette an.

    „Was sind’n das für welche?“

    „Marlbaro.“

    „Bäh, ich rauche nur Lucky Strike. Außerdem hat meine Schicht gerade erst begonnen.“

    „Verstehe. Und? Wie ist denn eine Schicht als Schlosswächter so?“, fragte Severus und lehnte sich gegen die Mauer.

    „Langweilig. Hier passiert ohnehin nie was. Ich wäre lieber bei meinen Kameraden an der Südfront und würde den Sharad-Akamern die Hölle heiß machen.“, sagte der Mann frustriert.
    „Lieber das als in diesem öden Schloss dahinzuvegetieren.“

    „Da sind wir ja schon zwei.“, meinte Severus. „Ich dachte allerdings immer, dass Sharad Akam nicht angegriffen wird.“

    „Wird es auch nicht, zumindest nicht offiziell. Aber unsere Truppen in Kasachstan werden immer wieder in Scharmützel mit den Russen verwickelt. Aufständige Clans, die von Akam aus unterstützt werden. Für die meisten von uns ist das eine Front. Würden sie den Garnisonen endlich den Marschbefehl erteilen, dann wäre ich der erste, der sich freiwillig versetzen lassen würde. Diese Schweine haben gute Kumpels von mir auf dem Gewissen.“

    „Und warum marschiert ihr nicht?“, fragte Severus.

    „Keine Ahnung, Junge. Wenn du mich fragst lässt sich der Dunkle Lord von den falschen Leuten beraten. Jemand wie General Greed würde Sharad Akam innerhalb weniger Monate einnehmen, aber nein, die lassen uns hier vergammeln!“, schimpfte der Todesser nun ganz offen.

    „Ich dachte, Akam sei uns haushoch überlegen.“

    „Die mögen mehr Männer haben, aber wenn du mich fragst haben wir das bessere Equipment.“ Der Wächter lehnte sich nun ebenfalls gegen die Mauer. „Könnte ich vielleicht doch eine von deinen Kippen haben? Es ist Silvester und hab’ echt keinen Bock auf meine Schicht.“

    „Können Sie dafür nicht bestraft werden?“, fragte Severus reichte dem Mann eine Zigarette.

    „Der General ist nur halb so grausam wie sein Ruf, glaub mir. Die kürzen mir höchstwahrscheinlich den Sold.“ Der Mann zündete sich seine Zigarette mit seinem Zauberstab an. „Immerhin bin nicht so ein Überläuferschwein wie Graysmith.“ Er machte eine Pause. „Sag, hast du mal einen T-18 im Einsatz gesehen?“

    „Einen was?“, fragte Severus.

    „Ein T-18. Ein Drachenjäger. Das sind diese irren Piloten, die mit Drachen ins Gefecht fliegen. Absolut hammerharte Typen. Die fliegen meist kleine, wendige Drachen wie Walisische Grünlinge damit die auf den Radarschirmen der Muggel nicht auftauchen. Ich hatte mich mal für den Job beworben, aber ich bin nicht durch die Tests gekommen.“

    „Ich wette da muss man einen festen Magen haben.“, meinte Severus dazu.

    Ihm reichte schon der Gedanke mit einem Besen fliegen zu müssen, aber die bloße Vorstellung auf dem Rücken eines Drachen zu sitzen ließ ihn ganz schwindelig werden.

    „Oh ja, genau deshalb bin ich nicht durch die Qualifikation gekommen. Ich habe nichts gegen Höhen, bin ja schließlich auch gut mit Besen, aber einen Drachen zu fliegen ist schon etwas völlig anderes. Hab mich deshalb noch bei einem TS-15er-Schwardron beworben.“

    „Und womit fliegen die?“, fragte Severus.

    „Hippengreifen. Wenn die mich nehmen bin ich endlich weg von diesem stinklangweiligen Job.“

    „Geroff, was machst du da?“, fragte plötzlich eine strenge Stimme. Sie gehörte einem Schlosswächter, der Offizierstreifen auf seinem Helm trug.

    „Ich unterhalte mich nur einwenig.“

    „Mach, dass du zurück auf deinen Posten kommst!“, rief der Wächter zornig.

    „Sergant, es ist Silvester!“

    „Ja, ist es!“, stellte der Offizier trocken fest. „Aber ich werde nicht auch noch deine Schicht übernehmen, nur weil du wieder den Dienst verweigerst!“

    „Ich verweigere doch nichts …“

    „Dann führst du deine Schicht eben nicht präzise aus!“, zeterte der Offizier. „Komm jetzt, sonst trete ich dir für Major Blackwell persönlich in deinen faulen Arsch!“

    „Na, war schön mit dir, Junge.“, verabschiedete sich der Schlosswächter schließlich von Severus und eilte seinem Vorgesetzten fluchend hinterher.

    Im selben Augenblick zischten Dutzende Raketen an ihm vorbei gen Himmel. Sie explodierten in einem grün-roten-goldenen Funkenmeer und bildeten die Jahreszahl 1979. Nach einer kurzen Pause zischten weitere Rakten in den Himmel und tauchten ihn in gewaltige, grellbunt explodierende Sternenschnuppen. Das magische Feuerwerk bildete dabei immer wieder wundersame Formen, Tiere und zum Schluss schließlich einen lebensgroßen Drachen, der um die Türme von Hogwarts flog und seinen funkensprühenden Feueratmen in den Himmel stieß.

    Eines musste man Professor Flitwick lassen; er beherrschte sein Handwerk wie kaum ein anderer. Severus beobachtete den Himmel bis der funkelnde Feuerwerksdrache seine Wirkung verlor und die Sternenschnuppen schließlich vom Wind davongetragen wurden. Anschließend machte er sich wieder auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Dabei kam er an einer Gruppe angeheiterter Hufflepuffs und Ravenclaws vorbei. Einer von ihnen klopfte Severus gut gelaunt auf die Schulter und rief: „Frohes, neues Jahr!“

    Ihm persönlich war allerdings nicht wirklich nach Feiern zumute. Ihm gingen der kleine Jim und die Kriegsfreude des Todessers durch den Kopf. Er wusste nicht mehr, was er tun sollte. Er wollte nicht in den Krieg ziehen. Alles wollte er, bloß das nicht.

    Frustriert ließ er sich im Gemeinschaftsraum schließlich auf sein Bett sinken. Es schien kein Entrinnen zu geben. Die einzige Möglichkeit, die ihm blieb war zu fliehen. Das war allerdings ein Himmelfahrtskommando. Jason, Lily, Graysmith – wie vielen hatte die Flucht wohl das Leben gekostet? Wie viele von denen er nie etwas erfahren würde hatten bereits versucht dieser Hölle zu entkommen?

    Severus raufte sich das Haar und hätte am liebsten angefangen zu weinen. Doch er unterdrückte den Drang hartnäckig und legte sich hin.

    ---------------------------

    Als sich Hogwarts in der ersten Januarwoche langsam wieder mit Menschen füllte versuchte Severus möglichst wenig zu denken. Überhaupt zu denken, woran auch immer. Mechanisch ging er durch den Tag und blieb wortkarg. Seine Laune verschlechtere sich zudem zunehmend als Greed während seiner Neujahrsrede ihnen ihre neuen Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Verwandlung und Zaubertränke vorstellte. Wie befürchtet hatte der General die Posten ausschließlich mit seinen Männern besetzt. Verteidigung gegen die Dunklen Künste würden sie bei einem Mann namens Kane McGann haben, Verwandlung bei jemandem namens Felix LaCroix und Zaubertränke bei einer Frau namens Samantha Sheppart.

    McGann hatte die Statur eines Hünen und war um die dreißig. Sein Haar war kurz geschoren und blond und in seinem Blick lag etwas Raubtierhaftes. Severus konnte ihn selbst aus der Entfernung nicht leiden. LaCroix hingegen war das pure Gegenteil von McGann. Er war nur wenig älter als McGann, hager, wirkte sehr agil und wäre wohl auf gewisse Weise hübsch gewesen, wenn sein Gesicht nicht von den Klauen eines Raubtiers entstellt worden wäre. Und zum Schluss Samantha Sheppart. Sie war um die vierzig, ungewöhnlich groß für eine Frau und trug ihre dunklen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Sie machte zudem einen recht zierlichen, zurückhaltenden Eindruck – der sich jedoch bereits in der ersten Zaubertrankstunde verflüchtigte als sie Lucius eine Ohrfeige für seinen hochgradig verpatzten Zaubertrank verpasste. McGann und LaCroix waren da leider keineswegs besser aufgelegt.

    Während McGann es liebte blutrünstige Horrorgeschichten über die Sharad-Akamer zu erzählen – die mysteriöser Weise irgendwie alle damit endeten, dass ein heldenhafter Ministeriumssoldat ganze Feindarmeen im Alleingang zermalmte – war es LaCroixs Spezialität dem schlechtesten Schüler eine Kostprobe von der Verwandlung eines Menschen in ein Tier – vorzugweise besonders eklige Insekten – zu geben.

    „Mann, bin ich froh, wenn dieses Jahr vorbei ist!“, stöhnte Lucius entnervt, als er sich nach einer Zaubertrankstunde mal wieder die Wangen rieb. „Das sind keine Lehrer, dass sind Folterknechte!“

    „Ich hab’s dir ja prophezeit.“, entgegnete Severus gelassen.

    „Warum kannst du uns eigentlich nicht weiter unterrichten?“, fragte Lucius ohne auf die Stichelei seines Freundes einzugehen.

    „Weil wir jetzt wieder Lehrer haben!“, antwortete Severus wieder einmal. „Diese Typen mögen ja ziemliche Schweine sein, aber von der Materie haben sie doch genug Ahnung damit wir durch die Prüfungen kommen.“

    „Na, dann brauch ich zu meiner UTZ-Prüfung für Zaubertränke wohl gar nicht erst zu erscheinen.“, meinte Lucius niedergeschlagen.

    „Ich dachte du willst ohnehin in die Finanzabteilung des Ministeriums? Da wirst du Zaubertränke wohl kaum brauchen.“, versuchte Severus seinen Freund aufzumuntern.

    „Du hast gut Reden, Sev! Dir scheuert diese bekloppte Sheppart ja auch nicht jedes Mal eine!“

    Severus Entscheidung seine Mitschüler keine Nachhilfe mehr zu geben stand fest. Und zwar absolut! Lucius sollte sich endlich damit abfinden. Narzissa tat es ja schließlich auch.
    Ganz davon abgesehen hatte er selbst genug zutun, jetzt da sie wieder vollen Unterricht hatten. LaCroix, Sheppart und McGann überschütteten sie regelrecht mit Hausarbeiten und Prüfungsvorbeitungen. Unter diesen Umständen hatte kaum jemand Zeit für sich selbst, geschweige denn heimlich den Lehrer zu spielen.

    Und so vergingen die Monate bis zur Prüfung wie im Fluge.

    In den Wochen vor der Prüfung war Severus jedoch eher damit beschäftigt Lucius tagtäglich vor einem Nervenzusammenbruch zu bewahren. Das erinnerte ihn nur zu sehr an ihre ZAG-Prüfungen in der 5. Klasse. Damals musste er seinen Freund auch ständig zu Madam Pomfrey schleppen damit sie ihm literweise Beruhigungstrank einflößte. Er selbst machte sich wegen seinen Prüfungen weniger Sorgen, sondern vielmehr um den Termin an dem das Rekrutierungsgespräch der Armee stattfinden würde.

    Es war ein warmer Tag im Mai als man ihn zusammen mit weiteren Klassenkameraden in die Große Halle bestellte. Er hatte sich schon Wochen vorher Methoden überlegt wie er simulieren könnte damit er ausgemustert wurde, aber wahrscheinlich würde es alles nichts nützen.

    Die Halle war völlig umgeräumt worden. An den Wänden standen Bänke auf denen sie sitzen konnten bis sie aufgerufen wurden. Dort wo normalerweise der Lehretisch stand befanden sich nun einzelne, kleinere Tische an denen Offiziere Gespräche mit den Schülern führten. Und dazwischen ein großer Freiraum, wo mit ihnen schließlich Eignungstests durchführt wurden.

    Severus saß neben Lucius und setzte sich vor Nervosität schließlich auf seine Hände. Sein Freund war nicht minder aufgeregt, jedoch wohl eher aus Vorfreude. Kurz nach ihrer Ankunft wurde eine Anwesendheitsliste herumgereicht auf der jeder unterschreiben musste. Sie wurden anschließend dem Alphabet nach aufgerufen und da alle 7. Klassen aller Häuser anwesend waren zog sich die Warterei in schier unendliche.

    Es schienen Stunden zu vergehen bis schließlich ein lauter Aufruf zu ihm herüber schallte: „Snape, Severus!“

    Severus bemerkte es erst als er von einem Nebenmann angestoßen wurde. Er war trotz seiner Aufregung eingenickt.

    Severus erhob sich und ging zu einem jungen Offizier an einem der Tische, der ein großes Slytherinwappen neben seinem Pult stehen hatte.

    „Bitte setzten Sie sich.“, sagte er und wies auf den Stuhl vor sich. „Sie wissen sicher warum Sie heute hier sind?“

    „Ja, Sir.“, antwortete Severus verhalten.

    „Ich werde Ihnen zunächst ein paar Fragen stellen. Reine Routine, keine Angst. Danach gehen Sie bitte vor zu unseren medizinischen Offizieren, die Sie dann auf Ihre Einsatztauglichkeit testen werden.“

    Severus nickte bloß steif.

    „Nun denn, ich muss zunächst einige Daten mit Ihnen abgleichen. Nur damit sich keine Fehler eingeschlichen haben. Sie wurden am 4. Februar 1962 geboren?“

    „Ja, Sir.“, antwortete Severus.

    „Hier steht leider nicht in welchem Bezirkskrankenhaus.“

    „Ja, Sir, das hat seine Richtigkeit. Es war eine Heimgeburt.“

    „Verstehe. Und Sie sind halbblütig?“

    „Ja, Sir.“, antwortete Severus, der deshalb mit einem Seitenhieb rechnete, doch dieser kam nicht.

    „Und haben die Grundschule in Bristol besucht?“

    „Ja, Sir.“

    „Sie sind ledig?“, fragte der Offizier.

    „Bitte?“, fragte Severus irritiert.

    „Es könnte ja sein, dass Sie bereits verheiratet sind.“

    „Ich bin siebzehn!“

    „Nach unserem Gesetz sind Sie damit heiratsfähig.“

    Das musste Severus erst einmal verdauen. Nicht einmal in Lucius’ Familie wurde so zeitig geheiratet. Aber wer wusste schon wie andere Reinblüter so tickten …

    „Ich bin nicht verheiratet!“

    „Gut. Gut. Haben Sie Kinder?“

    Severus durchdrang den Offizier mit einem Blick, der ihn fragte, ob das wirklich sein ernst sein sollte.

    „Offenbar nicht.“, schloss sein Gegenüber und machte ein Kreuz in dem Formular vor ihm.

    „Wohnen Sie noch bei Ihren Eltern?“

    „Nein.“

    „Und Ihre Neuwohnanschrift?“

    Severus fühlte sich gerade als säße er auf glühenden Kohlen. Er hatte keine Wohnung außerhalb von Hogwarts – noch nicht zumindest, da der Tagesprophet sich immer etwas zierte, wenn es um Wohnungsanzeigen ging, die innerhalb normaler Ortschaften lagen.

    „Gibt es nicht.“, antwortete er.

    „Wie bitte?“

    „Ich habe keine Wohnung!“

    Der Offizier kratzte sich am Kopf und zog die Stirn kraus.

    „Das ist natürlich …“

    „Aber ich schätze Ihre Eule findet mich trotzdem. Das sind intelligente Tiere möchte ich meinen.“

    „Okay, überspringen wir den Punkt vorerst.“ Sein Gegenüber zog ein weiteres Formular aus einer Tischschublade.

    „Nun, kommen wir zum eigentlichen Teil. Sie werden sich am 25. Juli in London im Zaubereiministerium melden, Abteilung Militär- und Rekrutierungsfragen. Dort werden Sie Ihrer Einheit zugeteilt. Haben Sie im Vorfeld irgendwelche Bevorzugungen?“

    „Nein, Sir.“, antwortete Severus.

    „Gut, ich müsste Sie ohnehin enttäuschen. Heutzutage kommen die meisten sowieso in die Infanterie. Melden Sie sich nun beim medizinischen Offizier. Sie werden binnen zwei Wochen benachrichtigt, ob Sie für den Dienst unter Waffen tauglich sind.“

    „Danke, Sir. Auf Wiedersehen.“ Severus erhob sich und meldete sich bei einem Arzt, der wohl einige Jahre zu lang als Feldsanitäter gearbeitet hatte.

    Er untersuchte Sehstärke, Körperbau und andere für den Einsatz wichtige Dinge und neigte obendrein dazu herbe Witze zu reißen wie: „Wenig Fell auf den Rippen, was? An deiner Stelle würde ich bis zu Dienstantritt noch etwas zulegen, sonst halten dich die Männer noch für einer Sharad-Akamer oder zumindest für das Hänselchen aus dem Märchen!“

    Severus versuche freundlich zu lachen, was ihm jedoch schwer fiel, weil er zum einen den Witz nicht wirklich lustig fand und zum anderen halbnackt in der Großen Halle stand und er die Augen aller im Nacken spürte. Und immer wenn er versuchte sich besonders ungeschickt anzustellen bemerkte es der alte Haudegen sofort.

    „Hier wird nicht simuliert, Jungschen!“, sagte er dann sofort.

    Wenn Severus so tat als habe er ein steifes Knie packte es der Mediziner und drückte es mit aller Gewalt durch.

    „Geht doch, kein Grund zum flennen!“

    So gestaltete sich die Tortur bis in die Nachmittagsstunden. Als es endlich vorbei war und Severus in den Gemeinschaftsraum zurückkehrte ließ er sich in seinen Stammsessel fallen und raufte sich das Haar. Er hätte sich im Augenblick am liebsten vom Astronomieturm gestürzt.

    Ihm tat alles weh, weil dieser Fleischer ihn immer wieder auf rabiate Weise von seinen simulierten Gebrechen abbrachte. Da war er fast schon froh, dass er keine Fragen zu seinem ideologischen Standpunkt beantworten musste. Dennoch war es schlimm genug.

    „He, wie geht’s?“ Es war Lucius, der ausnahmsweise einmal allein unterwegs war.

    „Super! Was denkst du denn?“, grollte Severus.

    „Mann …!“ Lucius hockte sich neben ihn. „Du klingst ja als würde die Welt gleich untergehen.“

    „Vielleicht tut sie das auch gerade!“

    „Sev, der Grunddienst geht doch nur 15 Monate! Danach kannst du immer noch abhauen.“

    „Bist du denn wirklich so blind?“, fuhr Severus seinen Freund an. „Wieso siehst du das bloß nicht!? Es wird KEIN danach geben! Sicher marschieren wir anschließend nach Sharad Akam, um an der Front zu dienen.“

    „Du malst dir das schon wieder alles zu schwarz aus!“, widersprach Lucius.

    „Ach ja, dann schlage ich vor du redest mal mit einigen der Soldaten im Schloss! Die meisten reden von Akam und nichts anderen! Hast du etwa das gesamte, letzte, halbe Jahr gepennt? Es steht doch nun überall! Selbst der Tagesprophet schreibt über die Front dort! Das ist kein inoffizieller Scheiß, das ist bestätigt!“, kam es nur so aus Severus herausgesprudelt.

    „Jetzt beruhig’ dich doch erstmal!“, beschwor Lucius ihn.

    „Beruhigen?“, fragte Severus grimmig. „Dir scheint die Aussicht in den Krieg zu ziehen ja nicht besonders viel auszumachen?“

    „Doch tut sie.“, sagte Lucius. „Aber ich führ’ mich deshalb nicht auf wie ein tollwütiger Hund, Sev! Soll ich dir vielleicht Baldriantee kochen damit du dich wieder einkriegst?“

    Severus verschränkte die Arme und fuhr seine imaginären Hörner aus.

    „Ich sehe schon, du bockst wieder rum.“, meinte Lucius und zog von dannen, hinüber auf die Couch zu Narzissa.

    ---------------------------

    Die anstehenden Prüfungen in der nächsten Woche lenkten Severus vollständig von seinem Groll ab. Während ihm die Prüfungen zu Zaubertränke und Verteidigung gegen die Dunklen Künste keine größeren Probleme bereiteten sah er sich hingegen in Astronomie und Arithmatik bereits untergehen. Vor allem in Arithmatik! Und dem ganzen Rest begegnete er mit gut durchmischten Gefühlen.

    Am letzten Schultag feierten alle kommenden Hogwartsabgänger eine große Party am Seeufer von der sie weder Greed noch seine Spiesgesellen abhalten konnten – nicht dass sie das überhaupt erst versucht hätten.

    Die Slytherins gingen nach Ende des Unterrichts nach Hogsmead hinunter und kauften zunächst Aberforths Butterbierbestände komplett auf. Zudem schmuggelten sie allerhand Essbares aus der Schulküche hinaus. Während einige Schüler sich daran machten ein großes Lagerfeuer am Strand in Gang zu bringen – und trotz Magie war das alles andere als einfach – beschäftigten sich die Übrigen mit dem traditionellen „Hogwartsaner von der Klippe werfen“.

    Es handelte sich um die endgültige Taufe für alle Abgänger von der sie natürlich alle hofften, dass sie endgültig wäre – insofern man die Prüfungen bestanden hatte und seine UTZs erreichte, aber das erfuhr man wie immer erst nach Ende des Jahres.

    Severus hatte sich vorsorglich bereits ein paar Klamotten in den Rucksack gepackt und sich seine einzige Badehose unter seine Sachen gezogen.

    Und wie es das Schicksal so wollte waren es ausgerechnet zwei Gryffindors, die ihn an Armen und Füßen packten und mit viel Schwung von der kleinen Klippe am Strand in den See warfen. Dies sollte allerdings nicht das letzte Mal an diesem Tag sein. Insgesamt musste er wohl vier bis fünf Mal im Wasser gelandet sein.

    „Leute nein! Mir ist schon ganz elend!“, wimmelte er seine Werfer schließlich ab, bibbernd und mit Seegras in den Haaren.

    Severus setzte sich ans Feuer und versuchte sich an den Flammen und mit einigen Flaschen Butterbier intus zu wärmen. Nach einigen Augenblicken hörte er die Gruppe Mädchen, die hier mit ihm saß begeistert aufkreischen. Er sah sich um und entdeckte zu seinen großen Erstaunen Lucius wie er vor aller Augen Narzissa in einem Anfall von ungezügelter Leidenschaft küsste. Severus ließ sich von diesem Anblick mitreisen und grinste ihn an, bevor er laut klatschte und ebenfalls begann anerkennend zu johlen. Er war einfach in zu guter Stimmung, als dass er es hätte lassen können.

    In diesem Hochgefühl verging die Zeit wie im Fluge und als es langsam dämmerte stellte sich einer der Hufflepuffs auf eine Pyramide aus Butterbierkästen. Severus kannte ihn nur vom sehen her. Er war groß, schlank und hatte lange, schwarze Rastas, die er sich zusätzlich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.

    „He, Leute, ich bitte für einen Moment um Ruhe!“ Er hob seine Arme, um auf sich aufmerksam zu machen. „Wie ihr wisst ist das unser letzter, gemeinsamer Tag in Hogwarts. Und ich finde wir sollten diesen letzten, besonderen Augenblick nutzen, um zu sagen: HOGWARTS WIR LIEBEN DICH!“

    Die meisten Anwesenden begannen zustimmend zu johlen, allerdings gab es auch schweigende, nachdenkliche Gesichter. Severus hielt ebenfalls inne. Ginge es nach ihm würde er am Liebsten einen Befreiungsschrei ausstoßen. Nie wieder Hogwarts! Welch eine Erlösung!

    Er konnte gar nicht sagen wie sehr er sich auf diesen Augenblick gefreut hatte. Er würde diesem verfluchten Schloss den Rücken kehren. So sehr er auch Angst vor der Armee hatte; sie befreite ihn aus diesem Gefängnis. Sie befreite ihn von Greed – und schlimmer als Greed konnten seine Vorgesetzten dort wohl kaum sein, oder?

    Und so feierten sie noch lange, bis weit nach Mitternacht bevor sie sich ihre Feierlichkeit langsam aber sicher auflöste – unter anderem, weil einige seiner Mitschüler den vielen Alkohol wohl nicht so gut vertragen hatten und ihre Mägen an unpässlichen Orten entleerten.

    Auch Severus schwankte irgendwann gegen drei Uhr zum Schloss hinauf und schaffte es mit Mühe und Not zum Gemeinschaftsraum, wo er sich so wie er war auf die Couch fallen ließ und einschlief. Nicht daran denkend welches Grauen der Morgen bereithalten würde.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Kapitel 32: London Underground

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:51

    Grausam war der nächste Morgen in der Tat. Das Saufgelage der Abschlussfeier machte sich nicht nur in Severus' Kopf bemerkbar. Sie waren eben allesamt unbelehrbar, wenn es darum ging das geringprozentige Butterbier zu unterschätzen.

    Severus fühlte sich als ob ihm jemand den Schädel eingeschlagen hätte als er sich damit abmühte sich aufrecht in sein Bett zu setzen. Er sah mit verquollenen Augen zu Lucius hinüber, der in seinem Bett lag wie ein Toter. Einzig seine lauten, sägenden Schnarcher zeugten von seinem Überleben.

    Unkoordiniert erhob sich Severus aus dem Bett und wusch sich kalt ab. Das Wasser weckte seine Lebensgeister, auch wenn er gegen seine penetranten Kopfschmerzen wohl härtere Geschütze auffahren musste.

    Wenig später saß er in der großen Halle und versuchte zu Frühstücken, doch so wie fast alle anderen Siebentklässler saß er nur wie ein nasser Sack da und konnte kaum geradeaus blicken, ohne von der Bank zu rutschen. Die Stimmen der anderen Schüler kamen ihm unangenehm laut vor. Wäre es nach ihm gegangen hätte er sich an einen Tropf mit Morphium gehangen.

    Severus nahm sich wieder einmal vor nie wieder so viel zu trinken, in dem Wissen, dass er diesen Vorsatz sowieso nicht einhalten würde.

    Nach dem Frühstück packten sie ihre Sachen. In knapp zwei Stunden käme ihr Zug.

    „Wirst du das hier vermissen?", fragte er Lucius, während sie packten.

    „Nicht dieses Hogwarts, Sev.", antwortete sein Freund. „Gott bin ich froh von Greed wegzukommen!"

    Es war seltsam. Auf der einen Seite waren sie froh Hogwarts zu verlassen und auf der anderen waren sie alle auch einwenig traurig. Lucius hatte Recht: Greed würde niemand vermissen. Dennoch hatten sie sieben Jahre ihres Lebens hier verbracht. Sie hatten ihre Jugend hier verbracht. Waren hier zu dem herangewachsen, was einige einen Mann nannten – auch wenn so mancher selbst mit 17 meilenweit davon entfernt war ein Erwachsener zu sein.

    „Wo gehst du hin, wenn wir in London sind?", fragte Lucius.

    „Keine Ahnung.", entgegnete Severus und es war mehr als aufrichtig. Er hatte in der Tat keinen blassen Schimmer von seinem Leben nach der Schule. Nach Hause würde er nicht zurückkehren. Das war ausgeschlossen. Gleichzeitig hatte er jedoch keine Wohnung. Er wusste nicht, wohin er gehen würde. In knapp drei Wochen würde er sich im Ministerium melden müssen. Bis dahin musste er sich irgendwie durchbeißen.

    „Du kannst für die paar Wochen auch bei mir wohnen, wenn du willst.", sagte Lucius.

    „Nein, danke. Ich schaffe das schon selbst."

    „Wie du meinst.", gab Lucius reserviert zurück.

    Severus wollte keine Almosen annehmen. Ganz davon abgesehen, dass er kein großes Interesse daran hatte mit Abraxas & zusammenzutreffen.

    Als sie später alle am Bahngleis standen und der Hogwarts-Express einfuhr warf er ein letztes Mal einen Blick zurück auf Hogwarts. Das Schloss in seiner Erhabenheit schien unverrückbar. Zu dumm, dass dies nur der äußere Schein war.

    Er stieg in den Zug, suchte sich ein verlassenes Abteil, verstaute seine Sachen und nutzte die folgenden Stunden, um seinen restlichen Rausch auszuschlafen.

    Als er durch den Krach der aussteigenden Schüler geweckt wurde machte er sich ohne viel Verabschiedungstrara davon. Severus setzte sich in ein Café am Bahnhof Kings Cross und studierte die Wohnungsanzeigen in sämtlichen Zeitungen. Er fand schließlich ein Zimmer irgendwo in den Slums von Whitechapel. Wie sich später herausstellte sah es genauso aus wie man sich ein solches Zimmer vorstellt, dass in einer der schlimmsten Gegenden Londons steht. Verkommen bis unter die Dachbalken, doch kostengünstig. Der Vermieter war ein Mann namens Witali Djawalliwitsch. Ein alter Pole, der ihm mindestens einmal am Tag erzählte wie er im polnischen Widerstand gegen die Nazis gekämpft hatte bevor er vor den Sowjets nach England geflohen war. Wenn er seine Miete nicht rechtzeitig bekam fiel er auch mal gerne in alte Angewohnheiten aus dem Krieg zurück. Wenn er dann Severus mit irgendwelchen, klangvollen polnischen Schimpfwörtern beharkte war dies noch seine höflichste Form. Einmal stand Djawalliwitsch sogar mit einem Baseballschläger vor seiner Tür. Daher war er die gesamte Zeit über damit beschäftigt die Miete für diesen alten Hurensohn aufzutreiben.

    Whiteshapel war auch heutzutage ein elender Ort. Das berühmte Arbeiterviertel in dem einst Jack the Ripper seinen Opfern aufgelauert hatte war kein Ort an dem man gerne lebte. Die meisten Menschen hier wurden schon aus der Not heraus kriminell und auch Severus überschritt so einige Gesetze, um Miete und etwas zwischen den Zähnen zu haben. Er hörte sich um und machte jeden lausigen Job, den er kriegen konnte und die meisten davon waren nicht sonderlich legal. Da war Schwarzarbeit auf Baustellen noch das geringere Übel.

    Severus machte schnell bekanntschaft mit den städtischen Banden und lernte ebenso schnell sich ihnen zu beugen. Wer sich nicht beugte landete zusammengeschlagen in einem Straßengraben. Einer dieser Gangführer war Dave Hunston. Ein Mann, der die Kinder von den Straßen holte und ihnen beibrachte für ihn zu klauen. Auch Severus wurde aus der Not heraus einer seiner kurzzeitigen Schüler.

    Hunston gehörte ein Pub in dem die meiste Zeit über seine „Freunde" abhingen. Er selbst war der Wirt des Hauses und ein wahrer Gorilla mit kahl geschorenen Kopf und einer Hakenkreuztätowierung am Nacken. Niemand mit dem man sich abgeben wollte, doch Severus brauchte das Geld. Und zur Not nahm man eben auch das Geld von Nazis. Geld war schließlich Geld.

    „Du bist auf der Suche nach Arbeit?", sagte der Wirt nachdem sich Severus vorstellte. „Was kannst du denn so?"

    „Ich habe gehört, dass Sie eher ein Freund von zweifelhaften Fähigkeiten sind?", entgegnete Severus. Hunston lächelte ihn an.

    „Komm mit.", antwortete der Wirt. „Ich bin sicher ich habe etwas mit dem selbst ein Grünschnabel wie du fertig wird."

    Er führte Severus in ein Hinterzimmer.

    „Sag mir zuerst wie du auf mich gestoßen bist?", fragte Hunston.

    „Ich habe mich auf der Straße umgehört. Ich brauche Geld, wissen Sie. Und man sagte mir Sie würden Arbeit anbieten."

    „Sagte man dir das? Reines Interesse, Junge, aber wofür brauchst du die Kohle? Alkohol? Drogen? Weiber? Wenn du die Arbeit gut machst kann ich dir das kostenlos versorgen."

    „Nichts von alldem, Sir. Ich bin obdachlos. Ich will nur durchhalten bis ich in ein paar Wochen eingezogen werde.", antwortete Severus.

    „Ah, eine Kämpfernatur, was? Leider sind die meisten jungen Leute heutzutage zu weich. Die drücken sich vor der Armee als seien sie scheiß Weiber!" Hunston spuckte aus. „Wohin soll's gehen? Marine? Luftwaffe?"

    „Höchstwahrscheinlich in die Infanterie."

    „Ah, die glorreiche Infanterie." Hunston rieb sich die Hände. „Aber genug davon, Bursche. Du willst Arbeit. Ich habe welche. Kannst du mit einem Baseballschläger umgehen?"

    „Sicher.", antwortete Severus.

    „Gut. Es gibt da so einen chicen Idioten aus den Staaten, der meint hier den großen Wichtigtuer herauskehren zu können." Hunston gab ihm einen Aluminiumschläger, der sogar Handsigniert war. „Verlier' ihn nicht! Der gehört meinem Sohn. Der Knabe ist leider Gottes begeistert von allem, was über den großen Teich kommt."

    „Verstehe.", antwortete Severus.

    „Der Typ heißt Malvin. Ein ganz herausgeputzter Hansel. Du kannst ihn nicht übersehen. Er ist oft im Dinner auf der Preston Street. Kennst du den Laden?" Severus nickte. „Er fährt so einen überteuerten Schlitten. Ein Porsche oder so. Irgendein deutsches Auto auf jeden Fall. Demolier das Teil. Falls der Kerl was von dir will übermittel ihm mit dem Schläger ein paar Liebesgrüße von mir. Schaffst du das?", fragte Hunston.

    „Ich denke schon.", antwortete Severus.

    „Gut, dann geh und komm' nicht zurück bevor du das erledigt hast."

    Severus wusste, dass es nicht richtig war. Er wusste, dass er drohte zu dem zu werden, was er immer fürchtete. Einem Hund.

    Dennoch wurde jeder zum Hund, wenn er ums Überleben kämpfte und nirgendwo kämpfte man so erbarmungslos darum wie in London. Die Stadt war wie jede große Metropole ein Ort an dem man für Geld alles bekommen konnte und in der für Geld alles getan wurde. Ein stinkender Pfuhl aus Mord, Sex und Korruption. Severus würde einem völlig Fremden die Fresse polieren, weil es ihm jemand gesagt hatte. Es gefiel ihm nicht, doch er brauchte das Geld. In zwei Wochen wäre ohnehin alles vorbei.

    Er wartete bis zum Abend und zog sich dann sein Sweatshirt an, warf die Kapuze über und maskierte sich mit seinem Slytherinschal.

    Alles war so wie es Hunston ihm erzählt hatte. Der Wagen von Malvin stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es war ein schwarzer VW von der nobleren Sorte. Wäre schade um das gute Stück, doch was soll's.

    Severus zog den Schläger aus seinem Rucksack und schlug mit voller Wucht auf die Frontscheibe ein. Wieder und wieder bis sie drohte zu splittern. Anschließend verpasste er dem Lack und dem Frontflügel einige unansehnliche Kratzer und Dellen. Nach einigen Minuten kam Malvin aus dem Geschäft gestürmt. Er sah aus wie ein Banker oder Markler. So ein geschniegelter Vollidiot wie sie auch im Ministerium zu Hunderten ihre sinnlosen Akten sortierten und sich dabei für wichtige Leute hielten.

    „He, du dämlicher Wichser, was zum Teufel soll das?", rief er ihm entgegen.

    Severus stürmte mit erhobenem Schläger auf Malvin zu und verpasste ihm einen kräftigen Hieb auf den Kopf. Malvin ging sofort zu Boden. Aus seiner Nase brach ein Strom von Blut hervor.

    „Schöne Grüße von Dave Hunston. Er will deine Visage hier nie wieder sehen!"

    „SCHEISS PENNER!", schrie Malvin nachdem er wieder zu Besinnung gekommen war. „ICH HETZ DIE BULLEN AUF DICH, DU WICHSER! ICH MACH' DICH FERTIG!"

    Severus schlug ihm mit dem Schläger in die Rippen und zum Schluss auf die Knie, wobei diese ein unschönes Knacken von sich gaben.

    Als weitere Leute aus der Kneipe auf die Straße traten nahm Severus die Beine in die Hand. Er wollte dafür schließlich nicht im Knast landen.

    Severus ging zurück in sein Zimmer und versuchte nicht über das nachzudenken, was er getan hatte. Sicher war es nicht das erste Mal, dass er soetwas getan hatte. Im Sommer als seine Mutter starb hatte er zwei besoffene Skins beinahe totgeprügelt. Die Polizei konnte ihm nie etwas nachweißen. Damals war er jedoch nicht bei Besinnung gewesen. Heute hingegen hatte er es im vollen Bewusstsein getan. Seltsamer Weise fühlte er keine Reue. Es war ihm schlichtweg egal. Das Einzige woran er dachte war, ob Hunston seinen Deal mit ihm einhalten würde.

    Severus wusch das Blut vom Schläger bevor er ins Bett ging.

    Am nächsten Morgen machte er sich gleich auf den Weg zu Hunston, um ihn den Schläger zurückzugeben.

    „Wie ich sehe ist auf dich verlass.", sagte er zu ihm. „Mann, du musst diesem Schnösel ja eine ganz schöne Abreibung verpasst haben. Hab' gehört, dass er im Krankenhaus liegt."

    „Ich bin hier wegen meinem Lohn.", sagte Severus.

    „Ganz schön geschäftstüchtig, hmm? Okay, ich ich zahle dir 100 Pfund dafür."

    Das war mehr als er vermutet hatte. Auf der Baustelle, wo er letzte Woche arbeitete und von den Jungs dort von Hunston gehört hatte, war das ein wahres Traumgehalt gewesen.

    „Danke, Sir.", sagte er nachdem der Wirt ihm das Geld gab.

    „Willst du wirklich zur Armee? Ich kann gute Männer hier brauchen.", sagte Hunston.

    „Tut mir leid, Mr Hunston, aber ich bin bereits gemustert. Wenn ich dort nicht zum vereinbarten Termin antanze erschießen die mich." Und das wäre sicher nicht einmal gelogen.

    „Verstehe.", sagte Hunston und klopfte ihm auf die Schulter. „Sag hast du schon mal ein Schloss geknackt?"

    „Nein, Sir.", antwortete Severus.

    „Dann zeig' ich es dir heute Nachmittag. Komm' so gegen vier hier vorbei, klar?"

    „Klar.", antwortete Severus und hielt sich daran. Wie er später feststellte handelte es sich um Autoschlösser. Offenbar wollte Hunston ihn auf eine Tour mit seinen Knackern schicken. Der Boss der Skins zeigte ihm die richtigen Kniffe beim Knacken. Es war nicht sonderlich schwer, sobald man den Dreh raus hatte. Ein Schloss knacken konnte man im Zweifelsfall wohl jedem Vollidioten beibringen. Hunston hielt ihn allerdings nicht für einen solchen. Das bemerkte Severus ziemlich schnell. Tatsächlich schien der Chef ihn bereits nach so kurzer Zeit ins Herz geschlossen zu haben. Offenbar war Hunston froh einmal einen intelligenten Burschen vor sich zu haben und keinen Affen, der die Hand nicht vom Fuß unterscheiden konnte.

    „Ich hätte noch mehr Arbeit für dich, wenn es dich interessiert.", sagte Hunston schließlich.

    „Was?"

    „Heute Abend gehen ein paar Jungs von mir auf Tour. Du kannst sie begleiten. Ihr knackt ein paar Karren und schafft sie zu Pierré, unserem Mechaniker. Wenn die Bullen aufkreuzen vergesst ihr die Sache und haut ab, verstanden? Eingelochte Knacker nützen mir nichts."

    Severus nahm an. Die Autoknackerei stellte sich als recht lukrativ heraus. Zusammen mit zwei Männern namens Harry und Marl nahmen sie in der Nacht eine handvoll Autos hops. Während einer von ihnen knackte standen die anderen schmiere.

    In der Werkstatt von Pierré – einem hageren, jungen Mann, der ganz fürchterlich stotterte – wurden die Wagen dann bis aufs letzte ausgenommen oder umgespritzt. Dabei lernte er von Pierré so einiges über Mechanik und Autos.

    Als Severus nach dieser Tour mit dem Bus nach Hause fuhr und schläfrig den Kopf an die mit Grafittis beschmierte Scheibe gelehnt hatte, sah er an einer baufälligen Hauswand in großen, mit roter Leuchtfarbe geschrieben Lettern geschrieben stehen: „GEWALT FOLGT GEGENGEWALT!" Darunter war ein Symbol, das Severus überall erwartet hätte, nur nicht hier; ein stilvoll verschlungenes J und ein M, welche innerhalb einer in Dreiecken stilisierten Wolfsklaue standen. Severus erkannte dieses Symbol. Das waren die Initialien von Jason Murlahey und die Klaue das Zeichen des Untergrunds.

    Es gab viele Geschichten über den „Untergrund" – so nannte man Magier und Halbmenschen, die sich London und anderen großstädten versteckten. Angeblich – so erzählten es die urbanen Legenden der Londoner Magier – existierte ein gewaltiges Unterirdisches Netz, ja, eine unterirdische Stadt in der die Ausgestoßenen der gesellschaft lebten. Vom Ministerium verfolgte Zauberer, Satyren, Halbriesen und andere Kreaturen, die der regierenden Zaubererkasten nichts abgewinnen konnten. Allerdings hatte nie jemand den Eingang zum Untergrund gefunden. Die meisten Geschichten erzählten von einem Geheimeingang in der Nocturnegasse, die zum berüchtigten Black Throll Market führte. Einer Art Umschlagplatz und Zollstelle, die jeder passieren musste, ehe er den Untergrund betreten durfte.

    Severus erhob sich und stieg an der nächsten Haltestelle aus. Er lief zurück zu dem Haus, an dessen Wand er das Graffiti gesehen hatte. Es war ein scheinbar leer stehender Altbau, dessen Fenster vernagelt und mit Reklamepostern beklebt wurden. An der Tür befand sich ein verziehrtes Schiebetor, welches sich keinen Milimeter verrücken ließ. Erst nach genauerem hinsehen entdeckte Severus die schwarzmagischen Symbole, die in den Türrahmen geschnitzt worden waren.

    „Suchst du jemanden?"

    Severus wandte sich um. Vor ihm stand ein großer Mann in einem schwarzen Ledermantel und tief ins Gesicht gezogener Kapuze seiner Robe, die er offensichtlich darunter trug.

    „Ähm ... ich habe das Graffiti an der Wand gesehen und dachte ..."

    „Du bist seltsam gekleidet für einen der Unseren.", sagte der Mann plötzlich. Severus stutzte. „Neu in der Stadt, was? Noch keine große Erfahrung mit den Legimetikern. Wen suchst du?"

    Legimentiker? Das erklärte so einiges. Hexer – bevorzugt Schwarzmagier –, die die Kunst von Legi- und Okklumentik so verinnerlicht hatten, dass sie wie ein Hund spüren konnten, was ihr Gegenüber beschäftigte. Vor ihnen etwas zu verbergen war sinnlos.

    „Einen Freund von dem ich dachte er wäre tot. Kennen Sie Jason Murlahey?"

    „Meister Murlahey, wenn ich bitten darf. Wenn du ihn suchst, dann bist du genau richtig. Komm mit." Severus folgte dem Mann, um das Haus herum in den Hinterhof.

    Meister? , dachte Severus verwirrt. Es waren knapp anderthalb Jahre seit Jasons Flucht vergangen. Hatte er sich etwa tatsächlich dem Untergrund angeschlossen? Hatte er sich in die Fittiche eines Schwarzmagiers nehmen lassen und war selbst schon Meister?

    Sicher, er und Jason hatten die Faszination für die Dunklen Künste geteilt. Doch selbst, wenn er Lehrling geworden war hätte er Jahre gebraucht, um einen solchen Rang zu erreichen. Im Ministerium konnte man kometenhaft aufsteigen, jedoch nicht bei den tradionellen Hexenorden. Diese pflegten bis heute eine strenge Rangordnung, Askese, Jahre währendes Studium von Nekromantie und anderen Dunklen Disziplinen. Zumindest, wenn er glaubte, was er über die Orden gehört hatte. Allerdings hatte er auch von pervertierten Riten gehört, die jeden Horrorfilmregisseur glücklich gemacht hätten. Was davon jedoch wahr war konnte Severus nur vermuten.

    Auf dem Hinterhof gingen sie eine Treppen hinunter, die augenscheinlich in den Keller des Abrisshauses führte. Dahinter jedoch fand er sich in einem verrauchten Büro wieder. Hinter einem Tisch saß ein Schwarzmagier, der eine ähnliche Robe trug wie der Mann, dem Severus gefolgt war. Er hatte einen Irokesenschnitt und die stilisierte Tätowierung eines Wolfes auf der Schlefe.

    „Wer ist das?", fragte er sofort.

    „Ich habe ihn schon gecheckt. Nur ein neugieriger Jüngling."

    „Nun, dann immer rein mit ihm."

    „Meister Murlaheys Büro befindet sich ind er ersten Etage. Du kannst ihn nicht verfehlen.", sagte der Mann zu Severus. „Sorry, kann dich nicht begleiten. Ich habe Außendienst."

    Als Severus durch die dicke Eisentür weiter ging dachte er zunächst er währe versehentlich in einer Gothic-Disco gelandet. Der hypnotisch-elektronische Sound des Schwarzen Punks und Heavy Metals schallte ihm entgegen. Der Raum war von grellen, roten Neonröhren erleuchtet, die im Blitzgewitter der Scheinwerfer eine verhängnisvolle Finsternis ausstrahlten. Überall standen Kuttenträger, halbnackte Männer und Frauen in Lederhosen, die den Headbang zur Perfektion gebracht hatten. Hinzu kamen einige Leute in roten Gewändern, die schwarze Masken mit einem Krähenschnabel trugen – ähnlich den Pestmasken im Mittelalter.

    Severus bahnte sich einen Weg durch die okkulte Menge, die sich an Musik, Alkohol und den eigenen Körpern berauschte. London bebte – und zeigte erneut seine touristenuntaugliche Seite.

    Severus fand schließlich den Aufgang in den oberen Stock. Eine herrlich altmodische Wendeltreppe aus Metall, die mit ihren verschlungenen Verziehrungen geradezu viktorianisch anmutete. Oben befand sich eine Art Barbereich, der ähnlich wie die Tanzfläche unten nur so von Gothicpunks überquellte. Einige neugierige Blicke wurden auf ihn geworfen, doch die meisten bemerkten ihn gar nicht erst – und das obwohl er nicht das Milieu der Schwarzen Szene passte. Ebensowenig wie Murlahey. Wenn es sich wirklich um Severus' totgeglaubten Freund handelte, der diesen Laden führte, dann schien er sich stark verändert zu haben. Jason war nie ein Okkultist oder Satansanbeter gewesen. Im Gegenteil. Die meisten Magier – allen vorran die, die sich mit den Dunklen Künsten auseinander setzten – mussten nur all zu oft in sich hineinkichern, wenn sie auf Goths und Gruftis trafen. Die Schwarze Szene hatte in etwa so viel mit wirklicher schwarzer Magie zu tun wie Lord Voldemort mit Ghandi. Der moderne Okkult- und Satanismus war auf Mythen erbaut worden. Mythen, die den Taten Wahnsinniger entstammten. Ja, es hatte ein paar wenige, aber auf jeden Fall beeindruckende Beispiele für schizophrene und psychotische Schwarzmagier gegeben, deren im Wahn unstillbarer Blutdurst selbst bis zu den Muggeln vorgedrungen war. Allerdings hatten diese Leute, die auf die Ethik schissen, keine Menschenopferungen abgehalten, um mit Gott oder dem Teufel zu kommunizieren. Nein, ihre Beweggründe waren wesentlich niedriger und auch pragmatischer gewesen. Mit Magie zu experimentieren war eine heikle Angelegenheit und nicht ohne Versuchskaninschen möglich. In den meisten Fällen überlebten die unfreiwilligen Labormäuse das Experiment jedoch nicht.

    Severus ging auf eine große Tür am hinteren Ende des Raums zu. Er hämmerte drei Mal kräftig dagegen, da er sich nicht sicher war, ob man ihn bei diesem Lärm hören würde. Nach einigen augenblicken öffnete sich die Tür von selbst. Er deutete dies als Einladung und trat ein und fand sich in einem Büro wieder wie es eher zu Jason Murlahey passte. Aufgeräumt, mit mächtigen, vollgepackten Bücherregalen versehen, in der Mitte ein einfacher Tisch auf dem ein Tier auf der Stange saß von dem es eigentlich hieß, es existiere nicht: ein schwarzer Phönix. Im Grunde sah das Tier nicht anders aus als ein normaler Phönix, außer dass seine Augen blutrot waren und das Gefieder pechschwarz und mit einzelnen grün schimmernden Federn durchzogen war. Am Tisch saß Murlahey. Immer noch strohblond, immer noch mit seiner anarchistischen und zugleich akademischen Ausstrahlung, die durch seine schwarze Robe nur noch verstärkt wurde. Dennoch wirkte er sichtlich gealtert. Er hatte tiefe Augenringe und einige schlecht verheilte Narben, die offenbar von der Folter durch die Todesser stammten zeichneten sein Gesicht. Zudem war sein geflegter Bart einem etwas wüsten Dreitagebart gewichen. Im Grunde sah er nicht besser aus als Severus. Ebenso gezeichnet. Ebenso zermürbt.

    Severus räusperte sich. Jason sah auf und schien einige Augenblicke wie durch einen Schleier zu sehen, als könne er nicht fassen wen er vor sich sah. Sie schwiegen sich lange Minuten an, bevor sich Severus dazu entschied den ersten Schritt zu tun.

    „Ich dachte du wärst tot.", sagte er.

    „Severus." Eine Feststellung. Nicht mehr und nicht weniger. Jason erhob sich, trat vor seinen Schreibtisch und schritt vorsichtig auf Severus zu als habe er Angst einer Fata Morgana ins Netz zu gehen. „Severus Snape." Jason gab ein hohles Lachen von sich. „Scheiße, dass du überhaupt noch lebst!" Sein Gegenüber breitete die Arme aus und ehe Severus sich versah hatte Jason ihn schon brüderlich umarmt.

    „Du hast es also überstanden?", fragte Jason nun sichtlich erfreut.

    „Nicht ganz fürchte ich.", sagte Severus.

    „Wie hast du mich gefunden?", wollte Jason wissen.

    „Deine Initialien.", antwortete Severus.

    „Ach, dieses furchtbare Grafitti!" Jason schien sich nicht gerne daran zu erinnern. „Hässliches Ding, aber den Besuchern gefällt's unerklärlicher Weise."

    „Ich wusste gar nicht, dass du etwas mit dem Londoner Untergrund am Hut hast."

    Jason legte Severus den Arm um die Schultern und führte ihn zu einem Sessel vor seinem Schreibtisch. Sie setzten sich.

    „Weißt du, Severus, nachdem ich die Linien der Todesser durchbrechen konnte bin ich quer durchs Land gereißt. Zum Teil gefahren, zum Teil nur zu Fuß. Habe mich als Penner getarnt. Mir ist während meiner Flucht allerdings schnell klar geworden, dass keine von beiden Seiten den Sieg davontragen wird. Selbst wenn der alte Zausel Dumbledore es schaffen sollte die Todesser zurückzuschlagen, dann ist doch immer noch die Frage, ob er seine Macht wirklich wieder an das Volk abgeben würde."

    „Denkst du, dass er sie behalten würde?", fragte Severus.

    „Oh, ich weiß nicht so recht, ich habe einige wirklich üble Geschichten über ihn und seine Sharad-Akamer gehört. Nur weil er auf der anderen Seite steht würde ich ihn nicht als bessere Wahl einstufen. Mein Weg in den Untergrund war da nur logisch. Und ich mag ihn wirklich. Im Untergrund interessiert es niemanden woher du kommst oder was du bist. Sie sind völlig autonom und neutral."

    „Und wie ich sehe hast du bereits Karriere gemacht.", sagte Severus. Jason winkte ab.

    „Ich habe kaum Magier in meiner Angestelltenliste, sondern hauptsächlich Squibs und Halbmenschen. Den Club habe ich von einem alten Hexenmeister übernommen. Ich habe die erste Zeit für ihn gearbeitet bis er gestorben ist. Er hat mich als Nachfolger bestimmt. Das ist der Grund warum meine Männer mich als Meister titulieren. Das hat nichts mit meinem tatsächlichen Rang zutun. Aber genug von mir, Sev! Was ist mit dir?"

    „Ich? Mir geht es nicht so besonders.", sagte Severus wahrheitsgetreu. „Ich bin von Zuhause abgehauen."

    „Wegen Tobias?", fragte Jason. Severus nickte.

    „Er hat eine Neue und will sie heiraten. Ich konnte das nicht mitansehen. Nicht nachdem, was mit Mom passiert ist."

    „Kann ich verstehen.", sagte Jason. „Willst du was trinken? Die Nacht ist noch jung."

    „Ja, was hast du?", fragte Severus während sein Freund zu einer Vitrine ging in der allerhand Spirituosen standen.

    „Lass mal sehen ... Brandy, Whisky, Gin, Bordaux, Rosé, der gute alte Wodka ..."

    „Hast du was ohne Alkohol? Ich versuche gerade nicht so viel zu saufen."

    „Dann wird es der sehr altmodische Apfelsinensaft auch tun. Mein Vorgänger war ohnehin eher der Spirituosenkenner.", sagte Jason, nahm zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte den Saft ein.

    „Hast du von ihm auch den Phönix?", fragte Severus nachdem Jason sich wieder zu ihm gesetzt hatte.

    „Faszinierendes Tier, nicht wahr? Wunderschön obendrein. Allerdings haben schwarze Phönixe keine der ihnen zugeschriebenen okkulten Fähigkeiten. Sie sind ganz gewöhnliche Phönixe, nur eben mit einem seltenen, genetischen Pigmentierungsdefekt, ähnlich dem bei einem Albino."

    „Perfektes Maskottchen für einen angehenden Hexenmeister, nicht wahr?", fragte Severus und erntete für diese Bemerkung einen abschätzigen Blick von seinem Freund.

    „Darf ich fragen womit ich das verdient habe? Es wäre sicherlich nicht das erste Mal, dass dein berüchtigter Sarkasmus den Falschen trifft, doch ich hätte dennoch gern gewusst wieso."

    „Entschuldige, Jason, das war nicht so gemeint.", antwortete Severus kleinlaut. „Ich habe wohl verlernt richtige Freunde um mich zu haben."

    „Scheint mir auch so."

    „Und ich frage mich, wie aus dir ein Geschäftsmann werden konnte."

    Jason begann zu lachen.

    „Ich bin in den letzten 2 Jahren erwachsener geworden als ich wollte, Severus. Ich habe mir die Hörner abgestoßen, als ich gemerkt habe, dass Freiheit viele Gesichter haben kann. Ganz ehrlich, der Fight Club und all unsere wilden Revolutionsideen – das war doch von Anfang an zum Scheitern verurteilt! Die Realität besteht nicht aus Ideologien, nicht aus diesem verfluchten Krieg, nicht einmal aus der Frage, wer von uns überleben wird. Nein, die Realität ist von solch banaler Grausamkeit, dass ich sie zunächst auch nicht wahrhaben wollte.", sagte Jason und erhob sich. „Denn die Wahrheit ist, dass nichts von alldem von Bedeutung ist. Voldemort, Sharad Akam, der Phönixorden – sie sind nur Schachfiguren im großen Spiel des Lebens. Wenn die USA und die Sowjets eines schönen Tages beschließen sollten sich mittels der Macht ihrer Nuklearraketen selbst vom Antlitz der Welt zu tilgen, dann wird das niemanden interessieren. Genauso wie das Massensterben unserer Brüder und Schwestern in Sharad Akam niemanden interessiert. Das wogegen die Weltmächte ankämpfen ist die Gewissheit, dass alles was sie tun und all ihre großartigen Ideologien überhaupt nichts bedeuten."

    „Alles ist bedeutungslos.", sagte Severus. „Und was sind wir dann? Wieso leben, wenn wir ohnehin aus dieser Welt scheiden, ohne etwas Bedeutsames hinterlassen zu haben?"

    „Das ist die große Frage, nicht wahr?" Jason ging zu seinem Schreibtisch und hob den schwarzen Phönix auf seinen Arm. „Der Tod weckt unsere größten Ängste und zugleich unsere größten Hoffnungen. Jahrtausende lang ging die Menschheit einher mit dem Glauben, dass sie durch den Tod alle Probleme lösen könne. Der Tod jedoch ist nicht wählerich. Du solltest das besser wissen als jeder andere, Severus." Jason streichelte seinem Phönix über den Kopf. „Er war noch nie wählerich. Vor ihm sind alle gleich. Du, ich, unsere Freunde, unsere Feinde ... selbst Männer wie Dumbledore oder Voldemort wird er weder bevorzugen noch vernachlässigen. Wenn es also einen Gerechten in diesem Universum gibt, dann ist er es. Er lost jeden Tag die Gewinner aus. Die Chancen stehen immer Fifty-Fifty. Das ist das gerechte an ihm. Und es hat keinen Sinn das Spiel betrügen zu wollen."

    Severus hörte Jason Murlahey aufmerksam zu und mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass der Junge, den er in Hogwarts so sehr verehrt und beachtet hatte in dem Moment gestorben war als Greeds Männer ihn aus dem Raum zerrten, fast zu Tode prügelten und schließlich wie ein stück Vieh zum Sterben zurückließen. Mit einer gewissen Melancholie stellte Severus fest, dass sein Freund recht hatte, auch wenn er das Gefühl nicht los wurde ihn nicht mehr zu kennen.

    „Ich für meinen Teil kann nicht mehr zurück.", sagte Severus. Jason schüttelte nur den Kopf.

    „Das war schon immer dein Problem. Immer denkst du, dass du keine Wahl mehr hättest."

    „Sie würden mich töten!"

    „Und? Hat mich das aufgehalten?", fragte Jason.

    „Das kannst du nicht vergleichen! Du warst schon immer der Stärkere von uns beiden."

    „Sich erheben, immer und immer wieder, so lange bis die Lämmer zu Wölfen werden, die den Hirten schlachten.", zitierte Jason. Es war eine Textpassage aus der Chronik von Sóthram, die soetwas wie die Bibel des Untergrunds war. Niedergeschrieben von den fünf Satyrenfürsten, die zusammen mit Salazar Slytherin nach der Schlacht der Häuser ins Exil wanderten.

    „Eine Geschichte von Hogwarts" war ziemlich ausführlich, wenn es um die politischen Umstände ging, die das Häusersystem überhaupt erst ermöglicht hatten. Und sie beide waren bewandert, wenn es um magische Geschichte ging.

    „Ich kann nichts für Lämmer tun, die sich freiwillig zur Schlachtbank führen lassen."

    „Es war meine Entscheidung, Jason."

    „Hmpf, das bezweifle ich, ehrlich gesagt."

    „Wie auch immer." Severus wollte jetzt wirklich keine Diskussion darüber führen, ob es richtig gewesen war aufzugeben. Sie waren sich über diesen Punkt noch nie einig geworden. Immer wenn Jason nach vorn stürmte war Severus zurückgewischen. Und welche von beiden Methoden die bessere war würden sie wohl niemals klären.

    „Ich weiß, dass du noch nicht eingezogen wurdest.", sagte Jason unvermittelt. „Wenn du willst kann ich anstellen. Du kannst hier im Untergrund arbeiten. Mir fehlen, ehrlich gesagt, ein paar gute Alchimisten."

    „Meinst du das ernst?", fragte Severus, der glaubte sich verhört zu haben.

    „Du musst diesen Weg nicht gehen, Sev. Du musst nicht für sie arbeiten. Es liegt allein an dir. Das Ministerium ist nicht der Dreh- und Angelpunkt dieser Welt. Was hält dich denn hier?"

    Das war eine verdammt gute Frage. Er hatte ohnehin schon alles verloren. Seine Familie, seine Freundin ... und sein bester Freund fragte ihn ob er für ihn arbeiten wollte. Im Untergrund. Als Ausgestoßener. Es war für einen Augenblick einfach zu verlockend.

    „Ich ... ich weiß nicht, was ich sagen soll ..." Er versuchte bewusst Zeit zu schinden.

    Jason stellte sein Glas hin und nahm Severus an die Hand wie ein Vater seinen jüngsten Sohn.

    „Komm mit. Ich zeige es dir.", sagte er.

    Sie gingen durch den lärmenden Club hinunter in den Keller. Dieser war augenscheinlich nur ein Keller – und so wie jeder Keller überfüllt mit allerhand Gerümpel. Jason ging zu einem mit alten Holzkisten vollgestopften Metallregal und schob es zur Seite. Dahinter kam eine Art Kombinationsschloss zum Vorschein. Allerdings funktionierte es nicht mit Zahlen, sondern schwarzmagischen Symbolen, die in verschiedene Metallklötze eingelassen waren, die wie ein Würfel auf jeder Seite ein Symbol trugen. Es waren drei dieser rechteckigen Gebilde, die Jason in das richtige Verhältnis zueinander setzte. Etwas rastete ein und das Ratzen von Zahnrädern war hinter der Wand zu hören. Er lehnte sich gegen diese und die öffnete sich mit einem metallischen Quietschen. Bei näheren Hinsehen bemerkte Severus, dass es sich um eine Feuerschutztür handelte deren Vorderseite man mit Zement, Gips, Zigeln und Farbe dem Rest des Kellers angepasst hatte. Dahinter führte ein feuchte, ausgetretene Treppe noch tiefer hinab. Sie kamen schließlich auf einer Art alten U-Bahnhof heraus. Hier fuhr schon seit Jahrzenten kein Zug mehr. Die Wände waren verdreckt, die Kacheln auf Boden und Wänden waren gesprungen oder ganz herunter gefallen. Einige, wenige Baulampen erhellten die Station von deren Decke Wasser tropfte und ein entferntes Dröhnes heranrauschte.

    „Wir sind hier direkt unter den neuen U-Bahnlinien und dem Grundwasserspiegel. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Stationen auch als Bunker genutzt. Einige wurden saniert, anderen wie diese hier gerieten in Vergessenheit oder werden nur noch von der städtischen Wartung benutzt, um Schienenesel zu wenden oder über kleinere, paralell verlaufende Linien von den Fahrgästen ungesehen zu den Stationen zu gelangen. Wie in jeder Stadt, die ein U-Bahnnetz besitzt gleicht auch die Unterwelt Londons einem riesigen Maulwurfbau. Ein gigantisches Labyrinth aus Beton und Stahl. Halte dich an mich. Ich will nicht, dass du dich hier unten verläufst."

    „Klar.", bestätigte Severus. „Also lebt der Untergrund tatsächlich unter der Erde?"

    Jason lachte.

    „Mittlerweile ja. Wir haben in London nach und nach das aufgegebene und verlassene U-Bahnnetz in Beschlag genommen. Die Stadt ist ein einziger Schweizer Käse. Da konnten wir uns ungehindert ausbreiten. Und nicht nur wir. In den Schächten leben auch viele Obdachlose, Aussteiger, Kriminelle. Sie machen mit uns Geschäfte."

    „Habt ihr eigentlich keine Angst, dass sie das Geheimhaltungsabkommen verletzen?", fragte Severus.

    „Oh Mann, du redest schon wie so ein Ministeriumsfazke!", kommentierte Jason. Sein Freund verzog das Gesicht. „Wer würde schon einem Penner glauben? Für die Menschen da oben sind Obdachlose genauso glaubwürdig wie jemand, der unter Wahnvorstellungen leidet und seine Psychopharmaka nicht geschluckt hat. Für uns sind sie wertvolle Verbündete. Sie arbeiten für uns und dafür bekommen sie Unterkunft und warme Mahlzeiten."

    Sie gingen den Bahnsteig entlang zu einer ziemlich wackelig ausehenden, verrösteten Draisine. Jason warf den Motor an und Severus setzte sich hinter seinen Freund auf den Boden. Er hielt sich an ihm fest und rastete die Füße an den Querstreben der vorneweg angebrachten Metallkonstruktion ein, die wohl eine Art Aufhängung für ein Schiebeschild darstellte. Ein Scheinwerfer über ebenem Konstrukt sorgte für genügend Licht in den Tuinneln. Mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit brauste die Draisine davon. Jason bediente eine Hand voll Hebel, die für Geschwindigkeit und Bremse wichtig waren. Severus fragte ihn nicht danach, da er genug damit zutun hatte bei dieser Geschwindigkeit ruhig sitzen zu bleiben und den eisigen Fahrtwind von seinem Gesicht fernzuhalten. Das Tunnelsystem der alten Londoner U-Bahn rauschte an ihm vorbei. Er kam sich vor wie auf einer Achterbahnfahrt – nicht dass er gerne Achterbahn gefahren wäre – und nahm in der Dunkelheit kaum wahr wie sie verlassene Stationen, halbfertige Tunnelanlagen oder gar zerstörte Streckenabschnitte passierten. Das Grundwasser tropfte ihnen wie unterirdischer Regen auf den Kopf.

    „Die größte Gefahr hier unten ist zum einen, dass man sich verläuft und nie wieder heraus findet. Manche Streckenabschnitte reichen von einem Ende der Stadt zum anderen. Das sind mitunter bis zu 10 oder 20 Meilen. Die andere Gefahr ist das Grundwasser. Vor allem die Tunnelteile aus den 40er Jahren sind dadurch extrem marode. Die wurden noch während des Krieges aufgegeben. Als die Nazis die Stadt bombardierten sollen sich ganze Familien in die Tunnel zurückgezogen haben. Manche sind hier geblieben. Wir nennen sie die Tunnelratten. Diese Leute kennen kein Tageslicht. Sie leben hier unten in einen völlig asymetrisch entwickelten Gesellschaft zur Oberwelt. Sie halten sich von uns jedoch fern. Zu viele Menschen. Zu viel Licht. Das sind sie nicht gewöhnt.", erzählte Jason.

    „Habt ihr eigentlich keine Angst, dass ihr vom Ministerium aufgespürt werdet?", fragte Severus.

    „Nein.", rief sein Freund über das Rauschen des Fahrtwindes hinweg. „Wir benutzen keine Zauberstäbe als Fokusierungsmittel, kein Flohpulver, keine Portschlüssel, keiner Apperation. Deshalb fahren wir hier auch. Außerdem; wir leben in einem der größten, unterirdischen Labyrinthen der Welt. Nicht einmal das städtische Bauamt hat einen hundertprozentigen Überblick über alle neuen und alten Tunnelsysteme. Die neuen Bahnschächte und Abwassersysteme liegen genau über uns. Es ist eigentlich eine Schande, dass die alten Systeme zum Teil regelrecht vergessen wurden. Allerdings ein Vorteil für uns."

    „Hast du eine Ahnung warum?", fragte Severus.

    „Keine Ahnung. Du kennst das ja. Bauprojekte denen kurz vor der Fertigstellung die Finanzierung versagt und die daraufhin einfach irgendwo liegen gelassen werden. Schlecht geplante Sanierungsprojekte, von der Stadtverwaltung verschusselte Kartenaufzeichnungen oder im Krieg zerstörte Streckenabschnitte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele europäische Metropolen fast gänzlich wieder aufgebaut. Dabei ging dann das eine oder andere Wissen natürlich verloren, weil Abschnitte während der Bombardierungen einstürzten und nicht wieder freigelegt wurden." Jason zog den Hebel für die Bremse kräftig. Vor ihnen kam ein mit roten Laternen behangener Bahnsteig zum Vorschein. Er war in deutlich besseren Zustand als die anderen. Männer mit langen Roben standen am Bahnsteig. Einige trugen lange, verzierte Stöcke bei sich. Einer führte sogar einen schwarzen Ziegenbock wie einen Hund an der Leine. Dazwischen kamen übernatürlich große Männer zum Vorschein, die sich in dicke, bunte Roben verhüllt hatten. Ihre Gesichter waren mit schwarzen Tüchern verhüllt und auf ihren Rücken trugen sie Schwerter, die für Severus nach Kantanas aussahen.

    Als die Draisine am Bahnsteig stoppte kam ein Satyr auf sie zu. Er hatte bis jetzt immer nur in Büchern von diesen Wesen gelesen und stellte gerade erschrocken fest, dass er alles, was er in ihnen gelesen hatte sofort vergessen konnte. Es handelte sich um einen fast zwei Meter großen humanoiden, aufrecht gehenden Ziegenbock. Der Satyr trug einen kunstvoll verziehrten Plattenharnisch. Auf seiner Haut waren merkwürdige, aber dennoch faszinierend gestaltete Tätowierungen zu sehen. Sein Gesicht würde durch seine indianisch anmutende, mit farbigen Streifen versehene Maske aus Holz verdeckt. Einzig seine langen Widderhörner ragten über ihn hinaus. In seiner Hand trug er einen langen Speer.

    „Tárec pûd Kharas, Vjâdic Murlahey!", sagte der Satyr. Severus vertsand kein einziges Wort. Jason hingegen verbeugte sich so gut es seine sitzende Position zuließ und antwortete: „Tafûl paracs Neththil, Vjâdic Zyôthik. Pai'Thul fjatuk Helmanthen Terant jacoul alencaman."

    „Tourthel Vjâdic. Bractúl. Vactre Malêm." Der Satyr verbeugte sich und zog von dannen.

    „Was hast du dem gesagt?", fragte Severus.

    „Höfliche Konversation.", antwortete Jason. „Jeder der hier ankommt muss sich bei der königlichen Garde an- und wieder abmelden."

    „König? Ich dachte der Untergrund sei autonom?", fragte Severus während sie von der Draisine stiegen.

    „Severus, es gibt nicht DEN Untergrund. Der Untergrund ist in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Fast alle akzeptieren Leute von außen solange man sich ihren Sitten entsprechend verhält. Und der Londoner Untergrund wird von den Satyren kontrolliert. Mit denen sollte sich niemand ohne Grund anlegen. Die Garde des Königs ist zielstrebiger und tödlicher als die linke Arschbacke von Lord Voldemort. Sie sind Killer, die keinen Aufruhr in ihrem Reich dulden. Pass also auf, wenn du hier bist. Die sind ohnehin im Augenblick alle angespannt."

    „Wieso?", fragte Severus.

    „Handelsstreitigkeiten mit den Trollen. Spionage durch die Todesser. Wassereinbrüche. Warlords, die glauben dem König den Thron streitig machen zu können. Das übliche in der Politik, Sev."

    „Die Todesser haben Spione? Hast du nicht gesagt sie wüssten nicht wo sich der Untergrund befindet?", fragte Severus.

    „Wissen sie auch nicht bis sie unseren Satyrenfreunden in die Arme laufen und öffentlich aufgeknüpft werden. Eigentlich suchen sie hier unten nach Separatisten und Dissidenten."

    Sie verließen den Bahnsteig über eine große Treppe auf der allerhand Leute saßen: in ihre Roben eingehüllte Magier, die im Sitzen schliefen, Satyren, Halbtrolle und Halbriesen und auch Elfen – nicht diese kleinen, degenerierten Exemplare wie man sie aus den Häusern der Magier kannte, sondern die wilden, großen Elfen wie Nathan, die von Magiern verschleppt wurden und hier ein neues Zuhause gefunden hatten.

    „Alles Bewohner des Untergrunds. Seite an Seite mit Magiern und Muggeln. So wie es normalerweise auf der ganzen Welt sein sollte. Sie warten auf die Transportdraisine, die sie zurück zu ihren Heimatstationen bringt. Wir sind hier in Katharant, sozusagen der Hauptstadt des Untergrunds. Es gibt weitere größere und kleinere Stationen an denen sie alle leben. Wenn du so willst ist dieses ganze System hier eine Stadt unter der Stadt.", sagte Jason.

    Sie stiegen die Treppe weiter hinauf. Oben fanden sie sich in einer alten Haupthalle wieder. Die war mit farbigen Mosaiken ausstaffiert, die jedoch nicht von den ursprünglichen Stationserbauern angebracht wurden. Es waren Satyren, Trolle, Werwölfe, Elfen und Zentauren darauf zu sehen, die gegen einen riesigen, geflügelten Dämonen kämpften. Die Wände waren mit Leuchtreklamen versehen, die in einer ihm unbekannten, hyroglythischen Schrift auf ihm ebenso unbekannte Dinge hinwiesen. Vor einem großen Tor, dass offenbar auch erst durch die Untergrundbewohner angefertigt wurde standen weitere Satyrensoldaten, die den Regen Fluss von Ankömmlingen und Abreisenden kontrollierten. Ihre animalischen Augen blickten sie durch ihre Masken skeptisch an, dennoch ließen sie sie passieren. Hinter ebenjenem Tordurchgang hörte das London, welches Severus immer zu kennen geglaubt hatte endgültig auf. Zwischen den rostigen und tropfenden Wasserleitungen, Kanalisationsschächten und Belüftungsssystemen von Klimanlagen eröffnete sich ihm eine Welt wie er sie noch nie gesehen hatte. Gewaltige Bauten aus allem Müll, den die U-Bahn hergab; Stahl, Beton, Fliesen, der uralte Morast unter jener Stadt, die bereits von den Kelten bereist wurde. Aus all dem hatten ihre Bewohner ein faszinierendes Meer aus Farben und Eindrücken geschaffen. Händler, Bars, Kultstätten und Wohnungen reihten sich ins unendliche und wild gemischt aneinander, überstrahlt von grellen, neonfarbenen Leuchtreklamen und Straßenbannern. Die Straßen waren eng und überfüllt. Einzelne Satyren patroullierten auf ihnen, um die öffentliche Ordnung zu erhalten. Feilschende Verkäufer, Schwarzmagier, die in Straßencafés saßen und zusammen mit einigen Halbtrollen Karten spielten und dabei genüsslich an ihren Pfeifen zogen. Severus sah sogar öffentliche Barbiere. Und wieder ebenjene rot gewandeten Magier mit ihren schnabelartigen Masken, die er bereits im Club gesehen hatte.

    „Was ind das für Leute?", fragte er Jason.

    „Diener des Khan. Ein königstreuer Warlord und so etwas wie der Bürgermeister von Katharant. Allerdings sind es keine Satyren, sondern Menschen. Sie sind eigentlich harmlos solange du deine Steuern zahlst und ihre heidnischen Götter nicht beleidigst. Das muss für dich sicherlich befremdlich wirken. Als ich das erste Mal hier war wäre ich fast in Ohnmacht gefallen und im Kerker gelandet."

    „Wieso das?", fragte Severus.

    „Ich bin einmal falsch abgebogen und habe dabei fast den Khan umgerannt. Der Typ ist ziemlich ungemütlich, wenn er eine Wette verloren hat und ein Grünschnabel ihn anschließend nicht erkennt. Hier dreht sich doch alles um Politik, Geschäfte und Glücksspiel. Letzteres wird von den Trollen aus Sharad Akam kontrolliert.", erklärte Jason und fügte auf Severus' ratloses Gesicht hinzu: „Das sind diese großen Typen in den bunten Gewändern mit den Kantanas. Die Satyren wollen natürlich ihren Teil abhaben, aber na ja die Sharads sind da recht eigen. Sie machen keine Abgaben an den König, weil sie meinen der einzige, der Steuern von ihnen verlangen könne sei der Großmeister Sharad Akam selbst. Es gab deshalb schon den einen oder anderen Handelsboykott seitens der Satyren."

    Sie bogen von der Hauptstraße ab und gingen zu einer Kneipe in der hauptsächlich Elfen und Trolle saßen. Vor der Tür saß ein geradezu mickriger, braunhäutiger Elf, der ähnlich einem Bettler die Hände aufhielt.

    „Beachte ihn nicht.", riet ihm Jason. „Das sind Jawécs, Diebe in unserer Sprache. Arbeiten immer zu zweit. Das da ist nur ein Lockvogel. Der andere ist ein paar Meter hinter uns. Wenn du dich um seinen Freund kümmerst beklaut er dich ohne das du es merkst."

    Severus wagte einen Blick über seine Schulter, doch er sah niemanden.

    Idiot! , dachte er. Die schleichen sich nicht wie Menschen an!

    Und das wusste er doch ganz genau! Elfen besaßen eine einzigartige Energiesignatur, die sie für das menschliche Auge unsichtbar machte. Die Chance einen Elfen dabei zu erwischen wie er einem die Taschen plünderte tendierte gen Null. Von daher folgte Severus Jason gehörsam in den Pub der Unterwelt. Die Trolle und Elfen beachteten sie nicht als sie sich an den Tresen setzten, der etwas seltsam Britisches und Vertrautes hatte. Jason bestellte für sie zwei Guiness – ja, auch Elfen und Trolle tranken das gute, alte Guiness. Eines musste man ihnen lassen; in ihren Herzen waren sie allesamt Briten.

    „Das ist gigantisch hier.", sagte Severus als der Barkeeper – ein fast mannesgroßer Elf mit bläulicher Haut in einer weiß-roten Robe – ihnen ihr Bier brachte.

    „Ja, ganz anders als die Welt da oben und trotzdem ebenjener ungeheuer ähnlich.", antwortete Jason.

    „Bist du oft hier unten?"

    „Ab und an, wenn ich Geschäftliches zu erledigen haben. Ich halte mich allerdings raus, wenn es um Politik geht. Sharad Akam betreibt mindestens so aggressive Expansion wie unsereins. Das musste irgendwann zu Spannungen führen. Es war unvermeidlich."

    „Du redest vom Krieg?", fraget Severus.

    „Ja." Jason hielt inne. „Willst du echt zur Armee? Du weißt doch selbst, dass sie dich an der Front verheizen werden."

    „Ich habe eine menge Fehler gemacht, Jason, und ich will es wieder gut machen, aber das tue ich nicht indem ich dissertiere. Du hast Recht, die Politik setzt sich über uns hinweg. Sie zu groß für uns. Ich will nur, dass meiner Familie nichts passiert. Wenn ich mich drücke werden sie ihnen bestimmt einen Besuch abstatten. Und ich finde, ich habe genug Tote gesehen, die auf meine Rechnung gingen."

    „Du redest als hättest du jemanden umgebracht.", bemerkte Jason lapidar, doch es war keineswegs so nebensächlich gemeint wie es klang.

    „Vielleicht habe ich das ja ... indirekt."

    Sein Freund atmete tief und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Guiness.

    „Jetzt hör mal, Sev, im Krieg sterben Menschen. Deine Mutter war nur ein Opfer von vielen. Du kannst absolut nicht das geringste dafür! Also hör' endlich auf dir daran die Schuld zu geben! Du hast sie nicht verschleppt und zu Tode gefoltert, klar? Das waren andere Mistkerle."

    Severus gab Jason im Stillen recht. Er hielt inne und fuhr mit dem Zeigefinger gedankenverloren am Rand seines Glases entlang.

    „Ich stelle mir manchmal vor, was ich tun würde, wenn ich den Kerl in die Finger kriege, der uns das angetan hat."

    „Und was würdest du tun?", fragte Jason interessiert.

    „Ich weiß nicht." Severus wurde kleinlaut. Hätte er bloß nichts gesagt.

    „Ich denke, du weißt es sehr genau."

    „Ich würde ihn mir schnappen und ihm die Eingeweide aus dem Leib prügeln, so wie er es mit Eileen getan hat! Ich würde ihn nicht töten wollen, sondern demütigen, ansonsten wäre es ein zu einfacher Tod."

    „Rache ist eine menschliche Reaktion.", sagte Jason. „Ich habe mir seit meinem Abgang immer wieder vorgestellt, was ich mit meinen Erziehern im Waisenhaus alles gern tun würde. Die haben mir auch einen Teil meiner Seele genommen. Aber mittlerweile denke ich, dass es der falsche Weg ist."

    „Ach ja?", fragte Severus.

    „Wenn ich so werde wie sie, dann macht es die Tat nicht ungeschehen, sondern eher schlimmer. Du weißt doch wie das ist. Du kennst den Adrenalinrausch, der deinen Körper im Griff hat, wenn du Kämpfst und blutest. Es ist Besessenheit! Das Prügeln und Töten fängt an Spaß zu machen, wenn du deinem Körper diese Sucht nach Adrenalin gewährst. Dann wirst du genauso wie sie."

    Severus raufte sich das Haar.

    „Soll ich statt dessen etwa einfach so tun als sei das alles nie geschehen?"

    „Ich weiß es nicht, Sev. Vielleicht solltest du dich fragen, ob deine Mutter gewollt hätte, dass du so endest."

    „Nein.", sagte Severus mit belegter Stimme. „Das hätte sie nie gewollt."

    „Tja, ein Schritt zur Erkenntnis wäre schon mal getan!" Jason winkte den Barkeeper heran. „Für mich noch ein Guiness. Mein Freund hier braucht allerdings einen kleinen Muntermacher nach Art des Hauses."

    Was zum Teufel ein Muntermacher nach Art des Hauses war erfuhr Severus einige Minuten später. Er wusste nicht was er da trankt, doch er fürchtete keine Luft mehr zu bekommen, spukte und hustete.

    Jason klopfte ihm auf die Schulter.

    „Kerosin für die Seele, Mann!"

    Kerosin? In der Tat. Das Zeug schien ihm die Erinnerungen aus dem Hirn zu ätzen. Nicht die Sorte von Alkohol, die man gern trank, um gesellig zu werden, sondern Zeug, dass nur einem einzigen Zweck diente: dem Koma auf Bestellung, um sämtliche, weltliche Scheiße den Abfluss herunter zu spülen. Severus bestellte noch einen Drink von der Sorte.

    Er verbrachte den ganzen Abend mit Jason in dieser Bar, taumelte später durch die Tiefen des Untergrunds zurück ins East End in sein marodes Zimmer und ließ sich in sein Bett fallen. Dass es eigentlich ebenso unbequem war wie der von Holzwürmern zerfressene Dielenboden bemerkte er bei dieser Dosis gar nicht mehr.

    Als er am nächsten Morgen seinen Rausch ausgeschlafen hatte packte er seine Sachen und holte ohne überflüssige Worte seinen Lohn ab. Die Hälfte davon steckte er seinem mißgünstigen Vermieter unter dem Türschlitz hindurch und verschwand anschließend in Richtung der U-Bahn. Die letzte Nacht hatte in Severus' Hirn eine wahnwitzige Idee geweckt. Er würde in den Untergrund gehen solange er konnte. Zumindest für die nächsten paar Wochen. Das war immerhin besser als irgendwelche overdressden Fatzken zu verprügeln oder Autos zu klauen.

    Der Weg in diese verlockende Welt unterhalb der Straßen Londons führte ihn in die Nocturnegasse, die genau wie die Winkelgasse über einen alternativen Weg durch die U-Bahn erreichbar war. Für all diejenigen denen der öffentliche Eingang über den Tropfenden Kessel zu laut, zu anstrengend oder einfach zu auffällig war.

    Die Nocturnegasse war weniger geschäftig wie die Winkelgasse. Die Schwarzmagier in diesem Bereich hatten gern ihre Ruhe und standen auf Diskretion. Die meisten von ihnen waren Hexer der alten Schule; in Hogwarts ausgebildet, danach um die Welt gereist, irgendwann bei den Schwarzen Orden am Balkan gelandet und schließlich als eifrige Geschäftsmänner wieder in die Heimat zurückgekehrt. Nicht so ein abgefucktes möchtegern-finsteres Gesindel wie es bei den Todessern Schlange stand. Obwohl sich der Mythos vom finsteren, zwingend schwarzmagischen Slytherin hielt wie Scheiße, die am Schuh klebte, waren die Leute hier durchweg gemischt – insofern sie je eine Schule besuchten. Manche brachten sich auch alles selbst bei. Anhand von irgendwelchen alten Folianten, die ihre Eltern in der zigsten Generation vererbten. Der größte Unterschied zum Untergrund bestand eigentlich darin, dass sie trotz allem vom Ministerium kontrolliert wurden. Die schwarz uniformierten Sicherheitskräfte waren hier nicht so aktiv wie anderorts – man verließ sich einfach darauf, dass Schwarzmagier ihren Teil als treue Bürger beitrugen. Was natürlich völlig absurd war, da ironischer Weise ausgerechnet die waschechten Hexer zu den größten Gegnern des Regimes gehörten. Anders als die an demokratische Verhältnisse gewöhnten Weltmagier wussten sie jedoch, wann es besser war die Klappe zu halten und so lebten sie in stiller Koexistenz mit dem brachialen System der Vernichtung.

    Severus kannte den alten Eingang zur verlassenen U-Bahnlinie des Untergrunds. Er war schon öfters daran vorbeigelaufen, hatte es jedoch nie für nötig gehalten sie zu erkunden. Jetzt sah die Sache natürlich anders aus. Die Station wurde nicht bewacht, sondern lag still und verlassen da. Severus stieg auf die Gleise und folgte den langen, finsteren Tunneln. Einzig das Licht seiner Taschenlampe bot einwenig Gewissheit über die Richtung in die er lief. Fast eine Stunde lang traf er keine Menschenseele bis er in der Entfernung eine Feuerstelle ausmachte. Vorsichtig nährte er sich ihr. Eine mitgenommen aussehende Männer standen um sie herum und wärmten sich an den Flammen.

    „Ey Mann, was erbeutet?"

    „Nicht viel."

    „Was soll das denn heißen? Du hast versprochen das Zeug zu besorgen!"

    „Ja, ja, ja, Mann! Es gab Komplikationen. Erst zugedröhnte Junkies mit Messern, dann die Bullen und schließlich die Satyren. Haben mir fast alles abgenommen."

    „Scheiße, und was sag ich jetzt Cullen?"

    „Sag ihm doch einfach, dass er seinen verfickten Vampirarsch hier nie wieder sehen lassen soll! Ich hasse diese untoten Wichser. Allen voran Nosferatu, die einem hier unten auflauern."

    „Cullen ist kein Nosferatu, Mann."

    „Ja, aber er benimmt sich wie einer. Kainitenabschaum, egal wie die sich nennen. Und ich lass mich nicht mehr von dem Gesindel herumschubsen. Sag dem Arsch, dass ich ihn beim Khan melde, wenn er hier noch mal auftaucht."

    „Alter, das hast du doch eh nicht drauf! Du kommst wahrscheinlich nicht mal in die Nähe der Satyren ohne dass sie dir vorher das Herz herausgerissen haben."

    „Mir doch egal! Lieber geh ich dabei drauf diese Vampirfatzken abzuservieren als mich weiter von denen ausnehmen zu lassen!"

    Vampire? , dachte Severus. Das wurde ja immer besser. Wenn die in den Schächten herumlungerten sollte er sich lieber vorbereiten, obwohl man gegen einen Vampirangriff nur wenig unternehmen konnte, wenn man nicht dafür ausgebildet war. Die Viecher durchbrachen die mentale Sperre des Gehirns und machten einen Willenlos. So zumindest hatte er es mal in einem Buch gelesen.

    Severus schlich sich in der Dunkelheit an der Gruppe vorbei und folgte der Finsternis weiter bis er das dröhnende Rattern einer Draisine wahrnahm. Es kam von der Station genau vor ihm. Einige Halbtrolle und Elfen luden schwere Kisten auf das Gefährt und unterhielten sich in ihrer für menschliche Ohren furchterregenden Sprache.

    „Gibt's hier eine Mitfahrgelegenheit?", fragte Severus direkt.

    „Kommt drauf an wo du hinwillst.", krächzte einer der Trolle und musterte ihn genau.

    „In die Hauptstadt des Untergrunds."

    „Siehst wie ein Frischling aus. Noch nicht lange im Untergrund, was?"

    „Könnte man so sagen, ja."

    „Kannst du bezahlen? In Pfund, keine Magierwährung, die ist hier unten nichts wert."

    „Wie wäre es mit zehn Pfund?"

    „Fünfzehn!", erhöhte der Troll.

    „Dreizehn!"

    „Grr, na schön, dreizehn. Steig auf!"

    Severus kramte sein Geld aus dem Rucksack und bezahlte das teuerste U-Bahnticket seines Lebens. Die Halbmenschen luden die letzten Kisten auf und quetschten sich dann alle auf die Draisine. Severus fand auf einer der Kisten Platz.

    Die fahrt ins Zentrum des Untergrunds dauerte gut eine halbe Stunde. Den restlichen Tag verbrachte er damit die Stadt zu erkunden und sich eine Bleibe zu suchen. Katharant war um einiges größer als er zunächst angenommen hatte. Die Satyren mussten die ursprüngliche Station über die Jahre auf eine Faust erweitert haben bis einige tausend Leute hier Platz fanden. Es gab viele Handelsplätze, Schichiabars, Pubs nach britischem Vorbild, Bibliotheken, Kampfarenen in denen Faustkämpfe ganz nach dem Prinzip eines Fight Clubs ausgetragen wurden, Bordelle, Slums und die mit ihnen einhergehende Kriminalität, Kultstätten für all die ihm unbekannten Religionen der Satyren, Trolle und Elfen und natürlich einen Regierungsbezirk, der als Administration ausgeschildert war und in früheren Tagen wohl einmal als Bahndepot diente. Die Satyren waren geniale Handwerker, die es verstanden aus dem Großstadtschrott einer verlassenen U-Bahnstation erhabene Bauten zu kreieren. Einzig die noch erhaltenen Symbole von London Transport Inc. zeugten von der Herkunft der Bauteile.

    Severus fand in einer Baracke für die Neuankömmlinge eine Unterkunft. Im Prinzip war es eine große Halle in der einige hundert Leute auf Feldbetten schliefen. Menschen ebenso wie all die humanoiden Gestalten, welche diese Welt hervorgebracht hatte. In allen Farben und Formen. Bis zu diesem Tag hätte er jeden für Verrückt erklärt, der ihm weiß machen wollte, dass es Punkertrolle gab. Es gab sie – stilecht mit Hahnenkamm, bunten Klamotten, Lederjacken und ihrer berühmter „Fuck it all!"-Einstellung.

    Severus fühlte sich von all den neuen eindrücken, die hier unten auf ihn warteten wie erschlagen. All diese Dinge, die man vor ihm und seinen Altersgenossen geheim hielt damit sie bloß nicht auf die Idee kamen Mitleid mit ihrem Feind zu fühlen. Dies überwältigte ihn nicht nur, sondern machte ihn auch zornig. Welches Leben hätte er geführt, wenn er davon schon eher gewusst hätte? Wenn jeder davon gewusst hätte? Hätte man den Krieg verhindern können, nur allein durch die Tatsache, dass es Orte gab wo das Zusammenleben der Rassen funktionierte? Er wusste es nicht, doch er stellte es sich gern vor.

    Severus war in jenem Augenblick der Erkenntnis fest entschlossen seiner Welt den Rücken zu kehren und dieser neuen Heimat, wo es scheinbar kaum Grenzen gab, sein Herz zu schenken.

    Die Frage war nur, ob die Realität ihn nicht doch noch einholen würde.
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    Tote Katzen Schwimmen besser ][ fertiggestellt ][ - Seite 2 Empty Epilog

    Beitrag  Graves Do 16 Nov 2017, 16:52

    Die Menge tobte und brüllte als der erste Schlag des großen, muskulösen Trollkämpfers in der Arena das Fleisch seines Widersachers traf. Ebendieser hieß Severus Snape. Als Antwort raste seine Fast auf das Nasenbein seines Gegners zu, traf und brach ihm mit einem widerlichen Knacken die Nase. Blut spritze umher und sein Widersacher fiel zu Boden. Dieses Manöver bescherte ihm allerhand Schmähungen aus dem Fanblock seines Gegners. Als sein Gegenüber wieder auf den Beinen stand trat Severus ihn ins Schienenbein und boxte in seine Brust. Unter einem wütenden Aufschrei packte der Troll ihn am Arm und schleuderte ihn gegen die hölzerne Wand der Arena. Schnell rappelte er sich wieder auf und wich dem wutentbrannten Schlag seines Gegners aus, der Blut spukend etwas in seiner merkwürdigen Trollsprache schrie. Er sprang ihn von hinten an und würgte ihn mit dem Arm am Hals, nahm ihn in den Schwitzkasten und zwang den Hünen in die Knie. Er wehrte sich mit Schlägen und Tritten, doch Severus ließ nicht los. Er drückte ihn mit aller Kraft auf den Boden, seine Hände umklammerten den Hals des Trolls als wolle er ihn erwürgen.

    „Drei! Zwei! Eins! Aus!" Der Schiedsrichter des Fight Club ging dazwischen und Severus ließ von dem Troll ab, der sich an den Hals griff und nach Luft schnappte.

    Es war bereits der fünfte Kampf in Folge, den Severus gewann. In diesem Fight Club gab es keine Regeln. Die einzige Regel war, dass es keine Regeln gab und dass man zum Sieg seinen Gegner mindestens fünf Sekunden gänzlich auf den Boden halten musste.

    Nach seinen Kämpfen jubelte ihm eine mittlerweile kleine Fangemeinde zu. Die auf den Kampf abgeschlossenen wetten wurden ausgezahlt und Severus bekam selbst eine Siegerprämie von 100 Galleonen. Einer der Trolle aus Sharad Akam bahnte sich den Weg durch die menge zu ihm. Es war ein Mann namens Scirig Grácc. Ein sehr wohlhabender Mann, der gern mit einer Gruppe von Leibwachen und Konkubinen an seiner Seite reiste. Er war einer der ersten, die in Severus den neuen Champion sahen und der daher hohe Summen auf ihn setzte. Ob er es wollte oder nicht; er machte diesen Troll reich und dafür bot er ihm seine orientalische Gastfreundschaft an.

    „Großartiger Kampf! Nur etwas zu schnell vorbei, wenn du mich fragst." Er schüttelte Severus mit seiner Pranke die Hand und klopfte ihm auf die schweißnasse Schulter.

    „Euer Besuch ehrt mich wie immer sehr.", antwortete Severus höflich.

    „Zieh doch schnell um. Ich habe ein Geschenk für dich."

    Severus nickte und eilte in die Umkleide der Arena. Allerdings ahnte er wie das Geschenk des Trolls aussehen würde. Seine Ware waren Frauen. Wäre Grácc ein Mensch gewesen hätte man ihn als Zuhälter bezeichnen können. Als Troll war er jedoch lediglich ein gut situierter Geschäftsmann, der sein Geld mit der Lust anderer Männer verdiente. Das älteste Gewerbe der Welt war schließlich auch den Nichtmenschen immer willkommen.

    Als er die Umkleide wieder verließ führte der Troll ihn in ein Etablissement etwas außerhalb der Arena. Es war die Trollvariante eines Freudenhauses in dem Gastfreundlichkeit den Kunden gegenüber groß geschrieben wurde. Ironischer Weise war Severus gern hier. Weniger wegen der Frauen als wegen des Services. Grácc gab öffentlich bekannt, dass Severus für den gewonnen Kampf alles bekommen sollte, was er wollte und zwar kostenlos. Er hatte diesem Troll mit seinem Kampf gegen einen seiner bekanntesten Landsmänner mehr Geld eingebracht als Severus in einer Nacht in diesem Puff ausgeben könnte. Von daher rechnete sich das Geschäft für beide Seiten.

    Severus bestellte sich ein großes „Vysiat", was ein Landesgericht der Trolle aus Sharad Akam war. Zwar hatte Severus keine Ahnung aus was es genau bestand, doch der gute Schafskäse und das mit Teig überbackene Ziegenfleisch machten es ihm gleich. Es schmeckte lecker und das war die Hauptsache. Dazu trank er einen griechischen Wein und schließlich Salat als Nachspeise. Die Trolle bewirteten ihn als sei er ihr einziger und letzter Kunde. Wenn es um Gastfreundlichkeit ging scheuten diese Morgenländer keine Mühen.

    Als er sich gesättigt nach einem Zimmer erkundigte bekam er eines der Besten angeboten. Er nahm es, obwohl er sich absolut sicher war, dass Grácc ihn keinen einfachen Schlaf gönnen würde. Noch nie hatte er eine Gelegenheit ausgelassen seine Frauen zu ihm zu schicken damit sie ihn „verwöhnten". Und ja, auch dieses Angebot nahm Severus gern an, denn der Service der Frauen bestand nicht ausschließlich aus Sex.

    Sein Zimmer war groß und hell. Die Ornamente an den Wänden und im steinernen Fußboden erinnerten an die orientalische Heimat Gráccs. Severus ging ins Bad und stieg dort in die Badewanne, um sich Blut und Schweiß endgültig abzuwaschen. Er lebte erst seit knapp zwei Wochen hier und trotzdem lebte er besser als es an der Oberfläche je der Fall gewesen war. Über dies vergaß er sogar, dass er in nicht einmal sieben Tagen im Ministerium erscheinen musste.

    Severus öffnete einen seiner Schränke und holte daraus ein sauberes, weißes Hemd und eine Jeans hervor. Die Sachen gehörten ihm nicht, doch sein Gastgeber dachte buchstäblich an alles.

    Es klopfte an der Tür. Ganz so wie erwartet.

    „Herein.", sagte Severus laut. Die Zimmertür öffnete sich und eine junge durchaus hübsche Frau begegnete ihm. Die Prostituierten hier waren nicht so plump wie die Nutten, denen man manchmal in London begegnete. Sie trug eine dünne, weiße Robe. Sie bestand nicht aus solch schweren Stoff wie die Roben, die bei den europäischen Magiern üblich waren, sondern aus leichter Seide, die ihre Formen wohl betonte ohne die Aufdringlichkeit eines Pornos zu besitzen. Sie hatte langes, rotes Haar, war groß und ihre weiblichen Formen waren angenehm füllig ohne jedoch dick zu wirken.

    Grácc war sehr gut darin ihm seine Wünsche am Gesicht abzulesen. Ebenso hatte er schnell herausgefunden, dass Severus eine Vorliebe für rothaarige Frauen mit natürlichen Körperformen hatte. Er nahm dem Troll diese durchaus angenehme Art der Hellseherei nicht krumm. Die Frau gefiel ihm. Ob er jedoch mit ihr schlafen würde käme einzig und allein auf ihren Charakter an. Mit Frauen, die ihm unsympathisch waren schlief er grundsätzlich nicht.

    „Meister Grácc schickt mich zu Euch.", sagte sie.

    „Ich weiß. Ich habe dich erwartet." Severus schloss die Tür hinter ihr, kramte seine Zigaretten aus seiner Hosentasche und bot ihr eine an. Sie nahm freundlich nickend an und er gab ihr Feuer. Anschließend setzten sie sich an den Tisch an den Balkon, der ihnen die Sicht auf das geschäftige Treiben in der ewigen Nacht des Untergrunds preisgab.

    „Ich vermute man zahlt dir nicht wenig dafür, dass hier bist?", fragte Severus gerade heraus und zog an seiner Zigarette.

    „Meister Grácc möchte nur den höchsten Ansprüchen genügen, genauso wie ich."

    „Verstehe.", antwortete Severus gelassen und lehnte sich zurück. „Ich bin erfreut, dass dein Herr nur mein größtes Wohl im Sinn hat."

    „Ich stehe Ihnen zur Verfügung solange Sie wollen."

    „Könnten wir ins Du übergehen. Ich schätze das würde alles entkomplizieren."

    „Natürlich.", sagte die Frau.

    „Wie heißt du?"

    „Tamara."

    „Klingt Russisch.", bemerkte Severus.

    „Ich bin Georgierin." Sie klang definitiv beleidigt.

    „Entschuldige."

    „Nicht überall wo UdSSR draufsteht ist sie auch drin." Es regte sie sichtlich auf, dass Leute wie er Russen und Georgier in einen Topf warfen.

    „Ich habe mich bereits entschuldigt!", sagte Severus. „Ob es Grácc gefällt, dass du so mit Kunden umgehst?"

    Tamara warf ihn einen eisigen Blick zu.

    „Es war ein Missverständnis. Kein Grund meinen Herren damit zu belästigen." Sie schlug ihre Heine übereinander und zeigte ihm so mit voller Absicht den aufreizenden Teil ihrer Schenkel. Er kam nicht umhin einen Blick darauf zu werfen. Die Waffen einer Frau. Allerdings wirkten sie bei Severus nur bedingt, wenn er der Frau von der sie stammten nichts abgewinnen konnte. Zu leugnen, dass er sich die verführerischen Körperformen des anderen Geschlechts gern ansah wäre jedoch eine glatte Lüge gewesen.

    „Verzeih, dieser Troll hat mir offenbar zu sehr auf den Kopf geschlagen. Ich bin sehr froh über deine Gesellschaft hier. Es würde sonst eine furchtbar langweilige Nacht werden."

    Tamara erhob sich und setzte sich auf seinen Schoß.

    „Was kann ich diese Nacht für dich tun?", fragte sie und legte ihren Arm um seine Schulter.

    „Zunächst nur von mir runter gehen. Ich muss dringend pissen.", antwortete Severus, steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und eilte ins Bad, um seine Blase zu entleeren. Als er das Zimmer wieder betrat saß Tamara auf dem Bett und sag ihn berechnend an. Ihr Blick verriet ihm, dass sie hier nur ihren Job machte und er als Kunde endlich aufhören sollte ihre Zeit zu verschwenden.

    „Damit das klar ist, ich will keinen sadomasoschistichen Mist erleben."

    „Du bist wohl sensibel?", fragte sie mit unverhohlenem Sarkasmus.

    „Sagen wir einfach; ich stehe nicht auf unliebsame Überraschungen." Er nährte sich ihr und sie ließ ihre Robe von den Schultern gleiten und entblößte somit ihre nackten Brüste.

    Ohne weiter darüber nachzudenken schritt er zur Tat. Nicht weil es von ihm erwartet wurde, sondern weil das Angebot zu gut war, um es auszuschlagen. Er hatte seit Monaten keinen Sex mehr gehabt, obwohl er Gráccs Etablissement schon so einige Male von innen gesehen hatte. Die Frauen, die man ihm Anbot gefielen ihm zwar, doch hatte er nie das Verlangen danach gehabt sich mit ihnen zu vereinigen. Sie anzusehen und ihren Geruch einzuatmen reichte ihm oft. Heute Nacht jedoch wollte er die Chance ergreifen, die sich ihm bot. Sex. Ganz unverbindlich mit einer Wildfremden. Sicher hätte sie ihm sympathischer sein können, doch ihr Körper sprach für sich.

    Severus setzte sich hinter sie und strich ihr das Haar zur Seite. So dass es ihr auf die Brust viel und ihren Nacken entblößte. Die Zigarette gab er ihr.

    „Kannst sie aufrauchen, wenn du willst.", sagte er und küsste ihre Schulter. Seine Nase zog ihr süßes Parfüm ein und er umschlang ihren Bauch mit seinen Armen. Seine Hände glitten zu ihrer Taille hinab und er spürte die leise Erwartung ihres warmen Unterleibs. Hure oder nicht. Sie war eine Frau und somit nicht Immun gegen seine Berührungen. Sie ließ ihre Seidenkluft nun endgültig zu Boden kleiden und führte Severus' Hände zu ihrer intimsten Stelle unter ihrem Slip. Auch er wurde von Erregung gepackt als mit seinen Fingern durch ihr krauses Haar fuhr und seine Finger sich sanft einen Weg in ihr Inneres bahnten. Sie seufze leise und spreizte ihre Beine damit er besser in ihr Inneres vorbringen konnte. Tamaras Hüfte bewegte sich rhythmisch zu den Bewegungen seiner Hand und sie begann zu stöhnen. Das hörte Severus gern und schmiegte sich an sie, streichelte mit seiner anderen Hand ihre Hüfte und rieb Unterleib begehrend an ihrem Hintern. Sie warf ihren Kopf nach hinten und gab ein finales, lautes Stöhnen von sich ehe sie nach Luft schnappte.

    Severus zog seine Finger aus ihr und liebkostete ihren Hals während er sein Hemd auszog. Die Frau ließ sich in seine Arme fallen und er knetete verlangend ihre Brüste und knabberte an ihrem Ohr. Sie seufzten beide und ließen sich endgültig auf das Bett sinken. Der kleine Freund in Severus' Hose drückte energisch gegen den Stoff und signalisierte ihm somit, das er endlich zur Sache kommen sollte. Doch er quälte ihn indem er seinen extremen Verlangen nicht nachgab und zwischen Tamaras Brüste tauchte und sie mit seiner Zunge um den Verstand brachte. Sie klammerte sich an ihn, presste ihren Unterleib gegen den seinen, stöhnte verlangend und fuhr mit ihren Händen in seine Unterhose. Sie befreite den übernervösen Drachen aus seinem Gefängnis. Allerdings spuckte dieser Drache kein Feuer, sondern die Saat seiner Männlichkeit.

    Sie umfasste seinen Penis und bewegte ihre Hände rhythmisch während sie Severus Brust liebkostete. Er breitete die Hände aus und genoss dieses Spiel. Lautes, lustvolles Stöhnen entfuhr seiner Kehle und steigerte immer weiter als er spürte wie sich ihr Mund um sein Glied schloss. Sie sog daran als wolle sie die Lust selbst aus ihm heraussaugen. Severus verdrehte die Augen und konnte nicht mehr an sich halten. Sein Becken hieb heftig auf und ab und unter einem Aufschrei ejakulierte er in ihren Rachen. Tamara schluckte seinen Samen und trieb ihn mit ihrer Zunge weiterhin an. Verzweifelt warf Severus seinen Kopf zurück, kniff die Augen zu und verkrampfte seine Hände in ihren Schultern. Er hielt es einfach nicht länger aus. Auf gar keinem Fall hielt er das noch länger aus!

    Severus setzte sich auf und schob Tamara vorsichtig von sich. Er küsste sie und drehte sie auf den Bauch. Sein Penis war immer noch hart, erregt und zu seinem Schicksal bereit.

    Er zog Tamaras Schenkel auseinander und hob ihr Becken an bis sie sich in einer guten Position für ihn befand. Severus drang in sie ein. Seine Armen schlangen sich um ihren Bauch und er rieb sich mit all seiner Kraft an ihren Hintern. Stieß in sie hinein als hinge sein Leben davon ab. Sein schweißnasses Haar hing ihm ins Gesicht und in seiner unendlichen Erregung liefen ihm Speichelfäden aus dem Mund. Etwas völlig Animalisches hatte von ihm Besitz ergriffen. Es sagte ihm: Fick sie oder stirb! Und so fickte er sie.

    Ihr Akt dauerte viele Minuten. Ihrer beider Schreie der Lust steigerten sich währenddessen ins unermessliche. Tatsächlich erinnerte es eher an die Kopulation von Raubtieren in der Wildnis als an menschlichen Sex.

    Als Severus schließlich völlig entkräftet aufs Bett sank schnappte er nach Luft. So etwas hatte er noch nie erlebt. So etwas hatte er noch nie getan.

    „Scheiße Mann ...", sagte Tamara, die eben so verschwitzt und erschöpft wie er neben ihm herabsank. „... so wurde ich noch nie gevögelt."

    „Ich auch nicht.", gestand Severus ehrlich. Nicht einmal mit Jennifer war das der Fall gewesen.

    Nackt wie er war schlief er ein und bemerkte nicht wie Tamara ihn nach einiger Zeit verließ, um sich noch um andere Freier zu kümmern.

    Als Severus am nächsten Morgen erwachte suchte er im Halbschlaf mit der Hand nach der Frau neben sich. Als ihm jedoch klar wurde, dass Tamara nicht hier war wurde er wehmütig. Obwohl er wusste, dass es nur ein Geschäft war nahm er es ihr irgendwie übel, dass sie nicht an seiner Seite verweilt hatte.

    Einsam zog er sich an, wusch sich und ging hinter. Im Restaurant frühstückte er. Er trank einen Kaffee ohne alles und aß seinen Toast mit Schinken und Käse. Als der Kellner, ein in weiß gekleideter Troll mit einer schwarzen Schürze vorbeikam rief er ihn zu sich.

    „Können Sie Meister Scirig Grácc bitte meine Grüße ausrichten. Er ist ein sehr großzügiger Gastgeber." Severus zögerte einen Augenblick. „Und sagen Sie Tamara, dass ich es sehr genossen habe."

    „Wie Sie wünschen.", antwortete der Troll in gutem Englisch mit leichten, arabischen Akzent. Ja, Scirig Grácc wusste wirklich wie man Eindruck schindete.

    Nach dem Essen ging Severus wieder seines Weges. Im Gedanken noch bei dem, was zwischen ihm und Tamara geschehen war ging er unbewusst in Richtung des Platzes vor der Administration. Dort stand ein Elf auf einem Podest. Seine Hände langen in Ketten und an seiner Seite standen zwei Satyrensoldaten. Ein großer Satyr in einer prächtigen Rüstung, die ihn ganz klar als hochrangigen Offizier auszeichnete, stand vor ihm und entrollte ein Stück Pergament. Seine Züge waren hart und durch seine zahlreichen Narben, die er auf der Blässe und quer über seine Nüstern trug, zeugten von einem kriegerischen Leben. Sein abgebrochenes, rechtes Widderhorn unterstrich diesen Eindruck.

    „Auf Befehl des Khans von Katharant, Fjadyr Con'Hyndralak, ...", sprach der Satyr in fließendem Englisch damit ihn auch wirklich alle Anwesenden verstanden. „... wird der Elf Natharianus Marctrus Fürhoyns öffentlich an den Pranger gestellt, um dem Volk zur Schau gestellt und zu einem späteren Zeitpunkt vor dem Tribunal der Fünf zur Rechenschaft gezogen zu werden."

    Severus blickte zum Angeklagten und erkannte ihn. Es war Nathan.

    „Die Verbrechen dieses Bürgers gegen diese Stadt sind zahlreich und von schändlicher Art, weshalb ich hier nur die schlimmsten aufführen werde: Diebstahl, schwere Körperverletzung, Betrug, Amtsanmaßung gegenüber eines Abgesandten von Sharad Akam, Amtsanmaßung gegenüber eines Berufenen des Khans und Plünderung! Für diese Verbrechen soll er bis zum Abend am Pranger stehen, um jeden der seine Taten für annehmbar befindet als warnendes Beispiel zu dienen. Sobald der Morgen graut wird er in der Arena von Katharant dem Sybok und somit dem Tod überantwortet." Der Satyr rollte das Schriftstück zusammen und seine Männer begannen den Elfen auf die Knie zu zwingen.

    „Ihr begeht einen großen Fehler, Oylryk!", rief Nathan seinem Urteilsvollstrecker energisch entgegen. „Ihr werdet für das Bezahlen, was ihr getan habt und mein Tod wird es nicht verhindern! Ihr seid ein Gauner, genauso wie er Khan und Sharad Akam selbst! Ihr habt unser aller Schicksal besiegelt!"

    Einer der Sartyren schlug ihm mit der Faust ins Gesicht und brachte ihn somit zum Schweigen. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass in der Menge ein unwohles Getuschel ausbrach. Severus witterte die Chance mehr zu erfahren, doch er würde es nicht riskieren an Nathans Seite zu landen indem er ausgerechnet jetzt unangebrachte Fragen stellte.

    „Wieder an die Arbeit, Bürger! Rathâ! Rathâ! Pruschjet!", rief der Offizier und langsam aber sicher zerfiel die Menge, die sich vor dem Podest des Prangers angesammelt hatte.

    Auch Severus ging. Er würde sich zurückziehen und darüber nachdenken wie er Nathan am besten helfen könnte.

    Der Platz vor dem großen Administrationsgebäude leerte sich und die Wachen lösten Nathans Ketten, um ihn in sein Nachtquartier zu bringen. Severus folgte ihnen bis sie eine stille Gasse hinter dem Gebäude betraten. Er zog seinen Zauberstab und hoffte inständig, dass diese Flüche nicht gegen Magie resistent waren. Wortlos schleuderte einen Schockzauber gegen den ersten Satyren. Er wurde von den Füßen gerissen und überschlug sich nach vorn. Der zweite Wächter wirbelte blitzschnell herum und ging mit seinem Speer auf Severus los. Dieser wich in letzter Sekunde aus und der potentiell tödliche Hieb traf nur die rostige Wand hinter ihm. Nathan sprang von hinten auf den Rücken des Satyren und umschlang dessen Hals mit der Kette seiner Fesseln. Der Elf rang seinen Widersacher zu Boden und drohte ihn zu erwürgen. Severus richtete den Zauberstab auf den Wärter und feuerte einen weiteren Schockzauber ab. Der Satyr brach ohnmächtig zusammen. Dennoch hörte Nathan nicht auf die Kette um den Hals des Widders zu ziehen und ihn so zu würgen. Severus packte den Elfen an Arm von dessen Widersacher weg, löste seine Ketten mit einem simplen „Alohomora" und befreite den bewusstlosen Satyren von ebenjener damit er sich nicht durch Zufall selbst erwürgte.

    „Narr! Sie werden Verstärkung rufen, wenn sie aufwachen. Tod sind sie zu mehr zu gebrauchen!"

    Ohne auf Nathans zornige Worte zu achten packte Severus den Elfen fest am Arm und zerrte ihn wie ein unwilliges Kind hinter sich her. Erst einige Gassen weiter ließ er ihn wieder los.

    „Ich habe dich heute früh in der Menge entdeckt. Wahrscheinlich ist es Schicksal, dass wir uns ausgerechnet so wieder begegnen."

    „Ich bin hier wegen dem, was du heute Früh geschrien hast.", sagte Severus knapp.

    „Bist du immer noch auf der Suche nach einem Ausweg?", fragte Nathan ebenso lakonisch.

    „Wenn du es so nennen willst."

    „Du wirst ihn nicht finden. Nicht hier, mein junger, naiver Freund! Der Untergrund, die Autonomie, die Freiheit ... es ist alles Betrug!"

    „Wie meinst du das?", fragte Severus und schlug zusammen mit seinem Begleiter den Weg zu einem der größeren Kanaltunnel ein, die sie ohne einen Kontrollpunkt passieren zu müssen aus Katharant heraus führte.

    „Ich war hier, um endlich Ruhe zu finden. Die Flucht aus den Fängen von Dumbledore war schwierig und ich dachte Katharant wäre als Zwischenstopp für meine Reise nach Süden genau richtig. Doch schnell erkannte ich die Wahrheit. Es gibt keinen freien Untergrund. Kein Zuhause für unsereins, die von den Magiern versklavt und als nützliche Haustiere verschachert wurden! Nein, nicht für uns! All diese Satyren, Trolle und Magier hier stehen unter der Fuchtel von Sharad Akam. Sie sind nur Marionetten im Krieg. Der Untergrund wird von Akam benutzt, um Spione nach Großbritannien zu bringen und so direkt vor der Nase der Todesser zuzuschlagen."

    „Die Satyren? Sie sind nicht gerade Akams beste Freunde.", bemerkte Severus.

    „Nein, aber sie bekommen ordentliches Geld für ihre Kooperation. Handelsboykott hin oder her! Und wir Elfen werden von ihnen ebenso versklavt wie von den Menschen. Sie entführen uns von der Straße und verkaufen uns an wohlhabende oder einflussreiche Magier. Was glaubst du wie ich überhaupt zu Dumbledore gekommen bin? Wohl kaum weil ich freiwillig mit ihm ging!", ereiferte sich Nathan.

    „Und die Anschuldigungen?", fragte Severus.

    „Alles erfunden!", entgegnete der Elf. „Glaube ihnen kein Wort davon! Ich war im Auftrag eines Magiers nach Katharant gekommen, der Informationen über Korruptionsfälle innerhalb der Administration hatte. Ich sammelte viel belastendes Material. Allerdings sind sie mir auf die Schliche gekommen. Sie haben mir alles abgenommen und verbrannt. Als letztes sollte ich als Verbrecher hingerichtet werden. Linke, heuchlerische Bande!"

    „Wer war dieser Magier?", fragte Severus, den ein Verdacht beschlich.

    „Ein gewisser Murlahey." Und Nathan lieferte ihm die Bestätigung. Nach seinen Wochen im Untergrund war ihm der Gedanke gekommen, dass sein alter Freund ihn über vieles absichtlich im Dunkeln gelassen hatte. Seine Rolle im Untergrund eingeschlossen.

    „Kennst du ihn?", fragte Nathan.

    „Er war einmal mein bester Freund, aber ich fürchte, dass er es nicht mehr ist.", antwortete Severus und begleitete den Elfen wortlos durch die Tunnel.

    Severus Snape reiste lange an der Seite von Nathan durch die finsteren Metrotunnel von London bis sie endlich den Aufstieg im Keller von Murlaheys Club fanden. Die Tür war auch von dieser Seite mit dem magischen Türschloss gesichert, doch Nathan kannte die Kombination glücklicher Weise.

    Sie stiefelten durch das laute Treiben des Clubs hinauf zu Jasons Arbeitszimmer. Ohne anzuklopfen trat Severus ein. Jason Murlahey saß am Schreibtisch und ließ gerade ein Stück Papier in einer Schublade verschwinden.

    „Du hättest ruhig anklopfen können.", bemerkte sein Gegenüber ungehalten.

    „Du bist ein gottverdammter Lügner!", legte Severus los.

    „Und in welcher Sache?", fragte Jason mit einer emotionalen Kälte, die ihn auf unschöne Art an Dumbledore erinnerte.

    „Ich dachte wirklich, dass du mein Freund wärst, aber du hast mich offen angelogen. Du hast mir nicht gesagt, dass du genauso wie alle anderen dein Quentchen Macht willst!"

    „Ich habe dir die Wahrheit gesagt – von einem gewissen Standpunkt aus."

    „Von einem gewissen Standpunkt aus?", ereiferte sich Severus. Jason erhob sich und ging auf seinen Freund zu.

    „Ich habe dir erzählt, was du hören wolltest. Und es war ein Teil der Wahrheit, doch viele Wahrheiten hängen von unserer persönlichen Perspektive ab, Severus. Das solltest du doch am besten wissen."

    „Du bist genauso wie sie geworden!", schimpfte Severus gekränkt. „Ich dachte, du wärst mein Freund. Erst hast mich in Hogwarts im Stich gelassen und jetzt tust du so etwas!"

    „Ich weiß wirklich nicht, was du mir vorwirfst. Ich habe getan, was ich für richtig hielt und meinen Platz in dieser Welt gefunden. Du hingegen bist ein streuender Köter, der jeden in die Waden beißt, den er für einen Feind hält. Nicht ich bin geworden wie sie."

    Severus musste sich bei diesen Worten aus dem Mund von Jason Murlahey sichtlich zusammenreisen, um nicht vor lauter Wut auf ihn loszustürmen.

    „Ich habe dir vertraut." Severus schüttelte den Kopf. Er wandte sich sichtlich geknickt um und wollte gehen.

    „Was hast du vor?", fragte Jason.

    „Ich finde meinen Platz in der Welt. In deiner Welt bin ich offensichtlich nicht willkommen."

    „Du warst schon immer ein großer Meister darin dir etwas einzubilden.", antwortete Jason ohne Umschweife. „Ich bin nur halb so machtbesessen wie du denkst. Ich möchte lediglich meinen Beitrag leisten. Nicht mehr."

    „FICK DICH!", schrie Severus und ging raschen Schrittes davon.

    Jason blickte Nathan an, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte.

    „Willst du ihn nicht zurückholen?", fragte der elf besorgt.

    „Er muss zu sich selbst finden. Dabei kann ich ihm nicht helfen. Und außerdem ist es mir auch egal."

    In der Wut über Jasons Verrat meldete sich der Trotz bei Severus und er ging dorthin wo man ihn erwartete; zum Ministerium.

    Es gab in London kein direktes Gebäude, sondern nur einen geheimen Eingang. Dieser lag auf einer Nebenstraße der Houses of Parlament. Es glich schon einer seltsamen Ironie wie nah beieinander die Ministerien der Muggel und Magier in dieser Stadt lagen. Der Besuchereingang kennzeichnete sich durch eine altmodische, rote Telefonzelle. Er nahm den Hörer des ebenso altmodischen Telefonapparats ab. Vielleicht sollte jemand den Leuten im Ministerium erzählen, dass die Tage der Wählscheiben gezählt waren?

    „Zaubereiministerium, Sie wünschen?", ertönte eine diskret-höfliche Stimme am anderen Ende der Leitung.

    „Ähm … hallo, Severus Snape hier. Rekrut für die Landesverteidigung."

    Es wurde aufgelegt und am unteren Ende des Apparats kam ein Schild heraus auf dem stand:

    Severus Snape

    Rekrut

    Die Telefonzelle setzte sich in Bewegung und fuhr wie ein Fahrstuhl hinunter in die Empfangshalle des Ministeriums. Diese war gigantisch und die Wände mit schwarzem Stein ausgelegt. Das Zaubereiministerium war ein Teil der Kanalisation Londons, weshalb die Architektur hier mit ihren langen, röhrenartigen Gängen und geschwungenen Bögen nur zu gut erahnen ließ wie hier vor langer Zeit noch die Fäkalien der Stadt transportiert wurden. Aus in die Wände eingelassenen Nischen kamen unaufhörlich Menschen herbei, die über das Flohnetzwerk hierher apparierten. Die meisten von ihnen waren Ministeriumsangestellte.

    An Schaltern stand Personal, dass den Leuten zeigte in welche Abteilung sie musste um Antrag X für Sachverhalt Y auszufüllen.

    Am oberen Ende der Hallen hingen riesige Banner, welche unter anderem das Wappen des Ministeriums zeigten. Ein in einen Kreis eingeschlossenes eisernes Kreuz, welches in seiner Mitte einen Totenschädel einfasste, um welchen sich eine Schlange wandt. Um das Symbol herum stand in gotischer Schrift geschrieben:

    Commonwealth der Reinblutgesellschaft Großbritanniens

    Die anderen Banner waren hauptsächlich Propagandabilder auf denen die Unmenschlichkeit der Sharad-Akamer hervorgehoben wurde indem man sie als Dämonen darstellte, die sich in Menschen verwandeln konnten.

    Severus drängelte sich durch die Menschenmenge zu einem Schalter, wo er seinen Zettel von einem Angestellten abstempeln ließ, bevor er sich auf dem Weg zur Abteilung für Militär- und Rekrutierungsfragen aufmachte. Diese lag im Keller des Ministeriums – insofern man 15 Stockwerke unter der Erde noch als Keller bezeichnen konnte. Dort standen bereits die ersten Rekruten. Es war ein bunt gemischter Haufen aus Hogwartsabgängern und älteren Männern, die sich offenbar freiwillig meldeten. Einige saßen auf ihren Taschen, doch alle hatten den Ausdruck von Langeweile auf ihren Gesichtern.

    „Sind das alle?", fragte plötzlich ein Mann in Uniform und mit Schirmmütze.

    „Es scheint so.", sagte jemand von den Rekruten.

    „Sie habe ich nicht gefragt, Greenhorn!", bellte der Mann sofort zurück. „Nun gut, die Nachzügler müssen sich dann einige Fragen gefallen lassen. Ich bin Sergeant Andrew Smith, Ihr Ausbilder in den kommenden Monaten. Ich garantiere Ihnen, dass sie mich hassen werden. Für diejenigen, die sich freiwillig für den Dienst gemeldet haben möchte ich deshalb betonen, dass Sie es selbst so wollten. Willkommen im Heer, Rekruten."

    Sergeant Smith zog ein Klemmbrett hervor und rief sie nacheinander auf.

    „Alle vollzählig. Gut, folgen Sie mir jetzt."

    Der Sergeant führte sie in eine Art Klassenraum, wo sie sich setzten.

    „Wir haben zunächst einwenig Papierkram zu erledigen. Ich gebe Ihnen gleich ein Forumlar herum auf denen sie bitte ihre Körpermaße und Schuhgröße vermerken."

    Während das Ausfüllblatt die Runde machte redete der Sergeant weiter.

    „Ihre praktische Ausbildung findet nicht hier statt, sondern auf dem Truppenstützpunkt in Wales. Dort bekommen Sie auch ihre Uniformen ausgehändigt. Ihre theoretischen Schulungen sind immer hier im Ministerium. Wann diese stattfinden wird in Zukunft auf ihrem Schichtplan vermerkt, also Augen auf!", sagte der Sergeant, nahm das Formular schließlich wieder entgegen und musterte die Gruppe vor sich.

    „He, Sie, …" Er deutete auf Severus. „… Sie sehen aus wie ein Waldschrat, beheben Sie das vor dem ersten Appell morgen Früh oder ich finde Arbeit für Sie!"

    In der Tat hatte er sein Aussehen in den letzten Wochen etwas schleifen lassen und sein Bart hatte das Stadium des Dreitagebarts schon längst überschritten, doch für einen Waldschrat fehlte noch ein ganzes Stück.

    „Ja, Sir.", antwortete Severus.

    „Gut, und jetzt los. In Wales wartet man bereits auf Sie."

    Und so erhoben sie sich abermals, um ihren Ausbilder zu einem Portschlüssel zu folgen, der einige Räume weiter aufgestellt worden war. Sie benutzten ihn grüppchenweise bis sie alle in einem Raum ankamen, der sich von dem aus dem sie gestartet waren kaum unterschied. Einzig ein Blick aus dem Fenster verriet, dass sie sich bewegt hatten.

    Der Sergeant führte sie über den Stützpunkt zu ihren Unterkünften. Es war ein großes Gelände, das das Ministerium ganz offensichtlich von den Muggeln abgekauft hatte. Auf dem Hof wurde gerade ein Appell durchgeführt. Zahlreiche Soldaten standen stramm vor ihren Offizieren. Andere Gruppen rannten in voller Kampfmontur über den Platz und wurden von ihren Gruppenführern angetrieben.

    Sie gingen zu einer Baracke am hinteren Ende des Stützpunkts. Diese bestand aus sieben Zimmern in denen je fünf Mann schliefen. Es gab zwei große Baderäume, die nach Geschlechtern getrennt waren, sowie einem Büro und Privatraum für den Sergeant. Er zeigte ihnen grob das Haus bevor er sie in ihre Zimmer einteilte. Severus kam mit einem schüchtern wirkenden Jungen namens Charlie Leavless – der wohl nicht viel älter als sechzehn war –, den stämmigen und sehr schweigsamen Schotten Janus McTyrer, einen redseligen Pakistani, der auf den Namen Rashid hörte – dessen Nachname kaum jemand aussprechen konnte, weshalb ihn alle „Rashid" oder „der Akamer" nannten – und ein Schnösel aus London. Ein gutbürgerlicher Reinblüter namens Alexander Bale, der sich ab der ersten Minute aufführte wie ein Mitglied des britischen Königshauses. Und Severus dachte immer die Malfoys seien elitär …

    Sergeant Smith erledigte anschließend mit Ihnen noch den entsprechenden Papierkram. Unter anderem mussten sie Formulare darüber ausfüllen, was mit ihrem Körper im Falle ihres Todes getan werden sollte. Severus verzog das Gesicht angewidert als er den möglichen anzukreuzenden Punkt „Ich möchte, dass meine sterblichen Überreste als Nahrung verwendet werden." las. Als Nahrung für was? Das wollte er sich lieber nicht ausmahlen.

    Zudem mussten sie ihren letzten Willen aufschreiben. Severus, der sich immer mehr wie das Schwein auf der Schlachtbank fühlte, hatte sich über derartige Dinge noch nie den Kopf zerbrochen, weshalb er einfach schrieb: „Ich möchte bei meiner Familie begraben werden."

    Anschließend wurden ihnen Ihre Uniformen ausgegeben. Diese gab es in zwei Ausführungen; eine für den Dienst und eine für den Ausgang oder spezielle Anlässe. Die einfache Dienstuniform bestand aus einem grauem Hemd, zwei Jacken – eine in schwarz und eine in grüner Tarnfarbe –, zwei Hosen – ebenfalls einmal in schwarz und Tarnfarbe –, stahlkappenverstärkten Infanteriestiefeln und ihrem Helm und einer tarnfarbenen Mütze. Die Ausgangsuniform hingegen bestand aus einem hellbraunen Hemd und schwarzer Krawatte, einer schwarzen Lederjacke (kein echtes Leder!), einer ebenfalls schwarze Hose und einem rotem Barett. Hinzu kamen strapazierfähige Gürtel und Hosenträger.

    Anschließend bekamen sie eine Stunde Zeit, um sich in ihren Zimmern einzurichten. Severus machte es sich im unteren Teil ihres Doppelstockbettes gemütlich. Über ihm schlief Janus und im zweiten Doppelstockbett Charlie und Rashid. Einzig Alexander nahm sich das verbliebene Einzelbett.

    „Nun, darf ich fragen, woher ihr kommt?", fragte Alexander, während sie ihre Spinde einräumten.

    „Ich komme aus Chicago.", sagte Charlie. „Meine Eltern sind Iren. Sie haben den Ruf erhalten."

    „Ruf?", fragte Severus.

    „Na ja, der Dunkle Lord hat alle Verfechter der Sache dazu aufgerufen sich am Krieg zu beteiligen. Meine Familie ist während des Weltkrieges nach Amerika geflohen. Ich bin der Erste, der zurückkehrt.", erzählte Charlie. „Und du?"

    „Ich wurde nach Hogwarts eingezogen.", antwortete Severus lapidar.

    „Und woher kommst du?", fragte Alexander.

    „Bristol."

    „Aus dieser provinziellen Muggelkloake?", sagte der Reinblüter verächtlich.

    „Ach was, dann warst du offenbar noch nie im East End?", entgegnete er.

    „Wohnst du im East End?", fragte Janus.

    „Ich habe dort mal gearbeitet. Rauhe Gegend. Natürlich ganz anders als der überbrodelnde Chicimicky der Innenstadt."

    „Tja, dann scheint das East End ja wie geschaffen für dich.", sagte Alexander betont herablassend. So langsam ging ihm dieser arrogante Reinblutfatzke ziemlich auf den Zeiger. Wenn das sich in den nächsten 15 Monaten nicht änderte würde er sich mit dem Kerl wohl noch schlagen müssen – ganz muggelig und kloakenhaft, so wie es sich gehörte.

    Alexander schwieg. Rashid fragte er nicht nach seiner Herkunft. Die Tatsache, dass er oder zumindest seine Eltern aus einem Land stammten, das zu Sharad Akam gehörte disqualifizierte ihn als Gesprächspartner.

    „Und woher kommst du?", fragte Severus an Rashid gewandt.

    „Islamabad. Meine Eltern. Ich lebe hier seit meine Eltern hierher gekommen sind. War in Pakistan auf einer Magierschule. Allerdings wohl nicht zu vergleichen mit eurer hier."

    Alexander zog verächtlich die Augenbrauen hoch.

    „Hast du ein Problem, Prinzesschen?", fragte Severus genervt. „Wir unterhalten uns und du ziehst hier so eine Show ab."

    „Wer bist du, dass du so mit mir redest? Von einem verlausten Proletarier lasse ich mir gar nichts sagen.", sagte Alexander kalt.

    „Und wer bist du, Prinzesschen? Die Kaiserin von China?", konterte Severus. Charlie und Janus lachten.

    „Ich glaube, wir werden noch gute Freunde.", antwortete Alexander verhalten und wandte sich wieder seinen Sachen zu.

    „Oh ja, das fürchte ich auch.", konnte es sich Severus nicht verkneifen. Er zwinkerte Rashid zu.

    Sie zogen sich ihre Dienstuniformen an und meldeten sich dann zum Appell im Flur. Den gesamte Flur entlang standen die Rekruten und künftige Kameraden und blickten zu Sergeant Smith, der gerade aus seinem Büro kam.

    „Nun da Sie hier sind gehören Sie zur Falcon-Kompanie der 65. Infanteriegarnision. Ich habe schon viele Männer für diese Garnison ausgebildet. Die 65ste gilt nicht umsonst als eine der härtesten Infanterietruppen des Corps. Ich werde Sie in den kommenden Monaten lehren hart zu sein, denn wenn Sie es nicht sind werden Sie da draußen schneller sterben als Sie ‚Hinterhalt' sagen können. Verstanden?"

    „Ja, Sir!", riefen sie im Chor.

    „In der Zeit während Sie unter meinem Befehl hier dienen werden Sie dieser Kompanie und dem 65sten Respekt und Treue zollen. Wer auch immer von Ihnen die Regeln verletzt, der Einheit absichtlich Schaden zufügt oder ihren Ruf beschädigt kann sich sicher sein, dass ich sehr genau weiß wie man Strafen anwendet. Ich hoffe, ich werde es nicht tun müssen. Und jetzt STILLGESTANDEN!"

    Sie versuchten so dazustehen wie echte Soldaten, doch noch waren sie davon meilenweit entfernt. Der Sergeant schritt durch den Flur, musterte jeden von Ihnen sehr genau und hatte bei jedem etwas auszusetzen.

    „Sie, Rekrut wie heißen Sie!", fragte er Severus lautstark.

    „Severus Snape, Sir."

    „Sie sehen aus wie ein Penner und stehen da wie einer! Wo ist Ihre Haltung, Rekrut?"

    Severus vermied es dem Sergeant in die Augen zu sehen und versuchte seiner reichlich kümmerlichen Körperhaltung einwenig mehr Strammheit einzuflößen.

    Nachdem Sergeant Smith bei jedem Haltung, Körperhygiene oder Zustand der Uniform bemängelt hatte trieb er sie aus der Baracke in Richtung der Sportunterkünfte. Auf dem Stützpunkt gab es eine große Turnhalle und einen dazugehörigen Sportplatz. Sie bekamen dort schlichte grüne Trainigshosen und weiße Shirts. Der Sergeant gab ihnen zehn Minuten, um sich umzuziehen. Anschließend startete er mit ihnen sein Ertüchtigungsprogramm, welches aus laufen, laufen und noch mehr laufen bestand. Als sie nach drei Stunden völlig entkräftet vor ihm standen lieferte das ihrem Ausbilder nur einen weiteren Grund, um an ihnen herumzumäkeln.

    „Sie wollen einmal Soldaten werden! Glauben Sie etwa, dass es reicht den Feind mit Flüchen zu beschießen? Nein! Sie werden schwitzen und bluten, werte Ladies und Gentlemen!"

    Daraufhin musste jeder von Ihnen 50 Liegestütze ableisten und erst als sie förmlich nur noch kriechen konnten beendete Sergeant Smith das Training, ließ sie duschen und in der Kantine wieder zu Kräften kommen. Diese gehörte zum Hauptgebäude in dem auch die Kommandozentrale und die Offiziersquartiere untergebracht waren. Hier erfuhren sie auch, dass die Einheiten sich mit dem Dienst in der Küche abwechselten. Die Falcon-Kompanie wäre jedoch erst übernächste Woche das erste Mal dran. Während sie aßen gesellte sich jemand zu Severus, den er hier nicht erwartet hätte: Lucius Malfoy.

    „He, du bist hier!", sagte er erfreut.

    „Wann bist du angekommen?", fragte Severus.

    „Vor zwei Tagen. Wie ich sehe habt ihr Smith als Ausbilder abbekommen. Soll ein ziemlich harter Knochen sein."

    „Hmm-hmm.", war alles, was Severus dazu sagte – das konnte natürlich auch daran liegen, dass er gerade den Mund voll Spaghetti hatte.

    „Mann, wo hast du dich in den letzten Wochen rumgetrieben, Sev? Du siehst aus wie ein …"

    „Penner?", fragte Severus. Lucius riss die Augen auf.

    „He, so habe ich das doch gar nicht gemeint. Also ich wollte nicht sagen, dass du …"

    „Schon gut." Severus winkte ab. „Ab morgen bin ich wieder ein zivilisierter Mensch. Sag, in welcher Kompanie bist du?"

    „Baker-Kompanie. Wir sind in der Baracke beim Sportplatz. Ich habe auch noch andere aus unserer Klasse hier gesehen. Avery zum Beispiel ist mit bei mir.", sagte Lucius.

    „Avery? Na hoffentlich geht er dir nicht an die Wäsche.", stichelte Severus, woraufhin ihn Lucius einen vernichtenden Blick zuwarf.

    „Du bist ein Idiot!", antwortete Lucius schließlich grinsend.

    „Ich weiß.", meinte Severus und aß auf.

    Direkt nach dem Mittagessen gingen sie zum Schießstand. Dort unterwies sie der Sergeant erstmals in ihrer Grundausrüstung.

    „Einige von Ihnen glauben bestimmt, dass sie das folgende nicht lernen müssten, weil sie ja Magier sind und ihren Gegner einfach mit Flüchen überwältigen können. Wenn Sie jedoch so denken, dann werden Sie nicht lange überleben. Ein Marine muss notfalls alles als Waffe in betracht ziehen. In unserem praktischen Waffentraining werden Sie nicht nur das taktische Abfeuern von Flüchen lernen, sondern auch die Handhabung konventioneller Schusswaffen und eine ausführliche Einführung in Ihre Schutzausrüstung gegen chemische, biologische und atomare Waffen erhalten."

    „Entschuldigung Sir, aber wieso erhalten ausgerechnet wir ein ABC-Training? Das ist doch etwas für Mugg…", setzte Severus' liebgewonnenes Prinzesschen Alexander Bale an.

    „Klappe halten, Rekrut! Wenn ich Ihre Meinung hören wollte, dann würde ich Sie danach fragen!", schnauzte der Sergeant ihn an, woraufhin Severus stille Schadenfreude empfand. „Der Feind setzt im Gefecht hauptsächlich konventionelle Feuerwaffen ein. Ihre Kampfausrüstung kann Sie bis zu einem gewissen Grad gegen Flüche schützen, jedoch nicht gegen Kugeln, Sprengsätze oder Nervengas. Aus diesem Grund hat das Oberkommando angeordnet, dass die Ausrüstung um schussichere Westen und Gasmasken erweitert wird."

    Alexander, der gerade wieder einmal den Mund öffnen wollte erntete einen strengen Blick von Sergeant Smith woraufhin er gütiger Weise seine aristokratisch-reinblütige Fresse hielt. „In Sharad Akam tobt mittlerweile ein Krieg wie ihn unsere Armee noch nie bestreiten musste. Viele gute Jungs sind dort gestorben, weil ihre Ausrüstung nicht an die Gefechtsbedingungen angepasst war. Hoffen wir, dass wir ab jetzt mehr Glück haben."

    Und so führte sie ihr Ausbilder in ein kleines Gebäude neben dem Schießstand. Dort wurde ihnen ihre Ausrüstung ausgegeben. Diese bestand aus einer Kevlarweste über welche sie Taschengürtel und Rucksack zogen. An ihrem Brustgürtel befand sich eine Art Halfter für ihre Zauberstäbe, an ihrem Hüftgürtel hing ihr Armeemesser, welches im Notfall ihre einzige Verteidigungswaffe wäre. Ebenso ein kleines Erste-Hilfe-Pack, Taschen für Munition und eine Schnalle an der sie ihre Gasmasken befestigen konnten. So ausgerüstet wog jeder von ihnen gute 25 Kilo mehr.

    Bevor sie überhaupt das erste Mal eine Waffe in der Hand hielten übten sie wie sie ihr Equipment richtig und schnell anlegten. Fast zwei Stunden lang mussten sie ihre Kampfausrüstung immer wieder ablegen und möglichst schnell anlegen. Besonders die Gasmaske bereitete die meisten Probleme. Sie innerhalb weniger Sekunden vom Gurt zu lösen und so über den Kopf zu ziehen, dass sie passte war eine Kunst für sich.

    „Das muss schneller gehen!", trieb der Sergeant sie an. „Denken sie daran: Nervengas wirkt schnell und tödlich. Wenn sie es nicht schaffen ihre Maske innerhalb von 30-60 Sekunden aufzusetzen werden sie das Bewusstsein verlieren und nach 4-6 Minuten sterben."

    Nach Ende des Trainings ließen sie ihre Sachen hier und marschierten zurück in ihre Baracke, wo Sergeant Smith ihnen ihre Dienstpläne austeilte, die jede Woche neu aufgestellt wurden.

    Ihr Plan zeigte, dass sie diese Woche hauptsächlich theoretischen Unterricht haben würden, doch für die Nachmittagsstunden war bereits „Ertüchtigung" angegeben. Tatsächlich ließ sich der Sergeant durch nichts von seinem Ertüchtigungsprogramm abbringen. In den ersten Wochen scheuchte er sie hauptsächlich über den Sportplatz. Später ersetzte er diesen durch lange Touren durch die umliegenden Wälder, die sie manchmal auch in voller Kampfmontour absolvierten. Besonders anstrengend wurde das Ganze dann, wenn sie zusätzlich noch ihre Gasmasken trugen.

    Am Ende ihres ersten Tages jedoch, als sie gerade bereit waren erschöpft in ihre Betten zu sinken, machte Smith eine Ankündigung, die den meisten im Augenblick nicht wirklich passte – Severus eingeschlossen.

    „Sie haben zwei Stunden Zeit, um sich auszuruhen und ihre Körperhygiene wiederherzustellen. Heute Abend findet auf dem Hauptplatz die Willkommensfeier für die neuen Rekruten statt, die gleichzeitig an Ihre Vereidigung geknüpft ist. Ich erwarte, dass sie sich alle angemessen benehmen und mit dem Alkohol sparen. Mir ist es egal, ob sie morgen Früh einen Kater haben oder nicht! Um Punkt vier beginnt Ihr Dienst."

    Und so versammelten Sie sich alle in den Waschräumen, um aus sich wieder halbwegs annehmbare Menschen zu machen. Severus rasierte sich gründlich und kürzte seine Haare mit Schere und Kamm bewaffnet bis auf wenige Zentimeter. Es war nicht besonders erhebend den Sergeant immer über sein Aussehen herziehen zu hören.

    Als er damit fertig war und ein abschließendes Mal in den Spiegel blickte sah er einen völlig anderen Menschen. Selbst Lucius würde es schwer haben ihn so zu erkennen.

    Anschließend schlüpften sie in ihre Ausgangsuniformen und begaben sich zum Hauptplatz, wo die Rekruten nach Kompanien gegliedert vor einem extra für diesen Anlass aufgebauten Podest standen. Das Banner des Ministeriums wehte im warmen Abendwind und viele dutzende Fackeln erleuchteten den Platz. Nach wenigen Minuten betraten eine Reihe von Offizieren das Podest von denen einer die Rangabzeichen eines Generals trug. Es war ein großer, schlanker Mann, der wenn überhaupt gerade mal die Dreißig überschritten hatte. Kein besonders hohes Alter für einen General. Er nickte einem seiner Unteroffziere zu und dieser trat vor.

    „KOMPANIE STILLGESTANDEN!", brüllte er. Hunderte junger Männer richteten sich auf. „BARETT AB!" Sie griffen nach ihren Mützen und zogen sie synchron vom Kopf.

    Nun trat der General nach vorn.

    „Rühren, Rekruten.", sagte er. „Ich bin General Ray Sheppart und begrüße euch in Wales. Ich hoffe, ihr hatte allesamt einen erfolgreichen ersten Tag mit euren Ausbildern.

    Ich bin kein Mann langer Reden, deshalb mache ich es kurz: Unser Stützpunkt ist der wichtigste und traditionsreichste überhaupt. Das 65. Infanteriebatallion heißt euch willkommen. Ihr werdet zu den besten Soldaten gehören, die je im Corps ausgebildet wurden, wenn ihr diesen Stützpunkt verlasst. Die nächsten Monate werden hart – für euch und eure Ausbilder, aber auch für mich, der das 65ste zu einer der schlagkräftigsten Brigaden überhaupt gemacht hat. Macht mich stolz, Männer." Der General machte eine kurze Pause.

    „Nun komme ich zu dem, was euch wirklich zu einem Mann aus dem 65sten machen wird. Hebt eure rechte Hand und sprecht mir nach!"

    Die versammelten Rekruten hoben ihre Hände und blickten gespannt zu ihrem Kommandanten.

    „Hiermit schwöre ich, …"

    „Hiermit schwöre ich, …", riefen hunderte Kehlen.

    „… dass ich, der sich dem Dienst unter Waffen verpflichtet hat, zu jeder Zeit im Namen des Volkes für das Volk und dessen Freiheit handeln werde, jedwede Gefahr von ihm abwende und einzig das Gute und Richtige geltend mache. Sollte dies meinen Tod fordern so werde ich dies in Kauf nehmen."

    Der General salutierte zusammen mit seinen Offizieren.

    „Und jetzt, Männer, lasst uns den Abend einwenig herzlich angehen bevor wir dem Ernst des Lebens wieder ins Angesicht schauen müssen! Wegtreten!"

    Nach diesen Worten strömten sie alle zusammen in die Kantine, die völlig umgeräumt worden war und nun mit einem kalten Buffet ausstaffiert wurde. Die Stimmung war insgesamt ausgelassen und auch Severus versuchte nicht mit gar so bleierner Miene dabei zu sein. Dennoch fiel es ihm an diesem Abend schwer sich zu entspannen und so verbrachte er diesen auch hauptsächlich damit sich kostenlos den Bauch vollzuschlagen – der Streit mit Jason hallte noch immer in seinen Ohren – und verschwand unter einem erfundenen, nicht unbedingt phantasievollen Vorwand schließlich in die Baracke und legte sich dort schlafen.

    Die Finsternis der Nacht umfing sein Ich und verschlang es, zog es hinab in die Tie-fen des Hades, denn ab morgen würde für ihn ein neues Leben beginnen. Ab mor-gen wäre der Mensch in ihm nur noch ein störender Faktor im Getriebe des Krieges. Und so blickte Severus’ in dieser Nacht in einen Abgrund von dem er nichts ahnte. Einem Abgrund, der zurückblickte und Spuren hinterließ - für immer.


    Die Geschichte geht weiter in

    "Kinder des Zorns"
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